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Interview

Donald Trump: Experte erklärt, warum er kein Faschist ist

An excavator clears the rubble from the demolition of the East Room at The White House in Washington, DC on Friday, October 24, 2025. The demolition is part of President Donald Trump s plan to build a ...
Bild mit Symbolkraft: Ein Bagger reisst am 24. Oktober den Ostflügel des Weissen Hauses ab, um Platz für Trumps gigantischen Ballsaal zu schaffen.Bild: www.imago-images.de
Interview

«Trump ist ein autoritärer Cäsarist» – warum die USA am Scheideweg stehen

Volker Depkat gehört zu den bekanntesten USA-Experten im deutschsprachigen Raum. Im Interview erklärt er, warum Trump kein Faschist ist, er kein baldiges Ende des Shutdowns erwartet – und weshalb er trotzdem noch Hoffnung hat.
04.11.2025, 13:3304.11.2025, 13:33

Heute ist der 35. Tag des Shutdowns in den USA. Es ist damit der längste komplette Stillstand der Bundesbehörden in der Geschichte. Wie sehr schadet das Trump?
Volker Depkat:
Shutdowns sind kein gewollter, aber durchaus normaler Vorgang in der amerikanischen politischen Kultur. Betrachtet man das aus historischer Perspektive, sind die Shutdowns bislang eigentlich immer der Partei des regierenden Präsidenten auf die Füsse gefallen. Im Unterschied zu früher befinden wir uns nun aber in einem hochgradig polarisierten Amerika mit einer hochgradig ideologisierten Politik. Die USA steuern auf ein Parteiensystem europäischer Prägung zu – in einem System, das eigentlich gar nicht für Parteien gemacht ist, sondern im Einzelnen gründet, der nur seiner persönlichen Wählerschaft und der Verfassung verpflichtet ist.

Was meinen Sie damit?
Die Fraktionsdisziplin setzt sich durch, also dass die Republikaner geschlossen gegen etwas stimmen, weil die Demokraten dafür sind und umgekehrt. So werden sachorientierte Lösungen konkreter Probleme unmöglich, weil das amerikanische System stärker noch als andere liberale Demokratien auf den Willen der handelnden Politikerinnen und Politiker zum Kompromiss angewiesen ist. Mit der Fraktionsdisziplin erodiert die Kultur des Kompromisses. Mit der gesellschaftlichen Polarisierung wird das US-amerikanische Politsystem schnell dysfunktional. Der Shutdown ist Ausdruck davon.

Welche Rolle spielt denn Trump in diesem Shutdown?
Donald Trump versucht gar nicht erst, der Präsident aller Amerikanerinnen und Amerikaner zu sein. Die Tatsache, dass viele Bundesbehörden dicht sind, kommt ihm sicherlich gelegen. Er ist ja sowieso der Meinung, dass es viel zu viele Bundesbeamte gibt.

Zur Person
Volker Depkat ist Professor für American Studies an der Universität Regensburg. Sein Forschungsschwerpunkt gelten der Geschichte der modernen USA vom Kolonialismus bis in die Gegenwart. Depkat schätzt in Deutschland regelmässig für Medien wie die ZEIT oder die ARD die politischen Entwicklungen in den USA ein.
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Wie viel Hoffnung haben Sie, dass bald eine Lösung gefunden wird?
Viele Amerikanerinnen und Amerikaner erwarten eine baldige Lösung. Das setzt Politiker beider Parteien unter Druck, sich doch auf einen Kompromiss einzulassen. Aber vor den Bürgermeisterwahlen in New York und den Wahlen in Virginia und New Jersey wird nicht viel geschehen. Die Polarisierung ist so weit fortgeschritten, dass es gegenwärtig schwer ist, auf Licht am Ende des Tunnels zu hoffen.

Sehen Sie im Moment irgendeine Figur bei den Demokraten, die Donald Trump gefährlich werden könnte?
Nein, aber das ist vielleicht gar nicht die zentrale Frage. Die Demokraten müssen ihr Themenportfolio erweitern, um wieder breitere Bevölkerungsteile anzusprechen. Das ist wichtiger, als dass sie die eine überragende, charismatische Figur hervorbringen.

Warum?
Der Fokus auf wenige identitätspolitische Themen und die Interessen der ohnehin schon Privilegierten war fatal. Fragen darüber, ob es nun «Indianer» oder «Indigene» heisst, interessieren die Leute, die bei Walmart an der Kasse sitzen, vier Jobs haben und trotzdem nicht über die Runden kommen, nicht die Bohne. Weil die Demokraten bislang keine Antworten auf die prekären Arbeitsbedingungen dieser Menschen finden, sind sie in grosser Zahl zu Trump übergelaufen.

Wie können die Demokraten sie zurückgewinnen?
Es ist in vieler Hinsicht eine Armutskrise, in der das Land sich befindet. Die Demokraten müssten sich sehr viel stärker um die ökonomischen Grundlagen sozialer Ungleichheit in den USA bemühen und dabei auch auf die krasse Umverteilung des Wohlstands von unten nach oben hinweisen. Sie ist das Ergebnis von bald fünfzig Jahren konservativer Politik in den USA ist. Auch müssen die Demokraten beweisen, dass sie fähig sind, mit der etablierten Politik pragmatische Lösungen zum Wohle der Vielen zu finden. Dann braucht es nämlich keinen populistischen Scharlatan, der gegen alle Regeln der institutionalisierten Politik eine sehr einseitige Agenda fährt.

Construction on the ballroom extension of the White House is seen behind US President Donald Trump as he speaks at a dinner to raise money for the ballroom in the East Room of the White House in Washi ...
Eine Demokratie in Trümmern? In der zweiten Amtszeit von Donald Trump bleibt kein Stein auf dem anderen.Bild: www.imago-images.de

Populistischer Scharlatan? Viele Menschen sehen in der Art und Weise, wie sich Trump gegen die demokratischen Institutionen wendet, weit mehr als das. Nicht wenige bezeichnen ihn als Faschisten. Wie sehen Sie das?
Ich glaube nicht, dass der Begriff Faschismus viel analytische Kraft hat, um zu verstehen, was in den USA gerade passiert. Donald Trump ist genauso eine Entwicklungsmöglichkeit der amerikanischen Demokratie wie Barack Obama oder John F. Kennedy es waren. Er radikalisiert in vieler Hinsicht eine konservative Politik, die mit Ronald Reagan in den 1980er Jahren begann. Die amerikanische Demokratie immer schon auch ein Potenzial für Illiberalismus. Es gab Sklaverei, Antikatholizismus, Antikommunismus und heute einen massiven Anti-Islamismus. Seit es die USA gibt. kennt sie die Fremdenfeindlichkeit – wohlverstanden als ein Land der Einwanderung. Donald Trump radikalisiert all diese Phänomene und treibt sie in einer polarisierten Gesellschaft auf die Spitze.

Wenn er kein Faschist ist, was ist Donald Trump dann?
Mir gefällt der Begriff des autoritären Cäsaristen. Donald Trump ist ein plebiszitär legitimierter Politiker, der das bestehende politische System nicht zerstört, es aber mit autoritären Mitteln von innen aushöhlt, um eine auf sich und seine Entourage beschränkte Herrschaft zu etablieren, die eine radikal konservative Agenda verfolgt.

Donald Trump ist gerade dabei, einen gigantischen Ballsaal zu realisieren. Er hat dafür den ganzen Ostflügel des Weissen Hauses niedergerissen. Taugt das als Symbol des von Ihnen beschriebenen Cäsarismus?
Absolut. Ich glaube, Cäsarismus ist auch die zeremonielle Inszenierung von Macht durch Pomp. Donald Trump hat in der Vergangenheit wiederholt bewiesen, dass er dafür eine Schwäche hat. Dass er das nun auf das Weisse Haus überträgt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

US President Donald Trump holds a model of the planned Triumph Arch as he speaks ahead of a dinner to raise money for his ballroom extension in the East Room of the White House in Washington, DC, on W ...
Weiterer Ausdruck des Cäsarismus: Trump möchte seinen eigenen Arc de Triomphe.Bild: www.imago-images.de

Weshalb?
Das Weisse Haus wurde architektonisch bewusst so gebaut, dass es sich von den europäischen Palästen abhob. Die Botschaft war: Wir sind eine auf republikanische Tugend, Mäßigung und Vernunft gebaute bürgerliche Republik und machen deshalb demonstrativ schlichte Herrschaftsarchitektur. Und jetzt kommt dieser pompöse, neureiche Megalomane Trump und baut einen Ballsaal, der grösser wird als das ursprüngliche Weisse Haus. Das ist geradezu geschichtslos.

Sie sind selbst US-amerikanischer Staatsbürger, sind dort geboren und aufgewachsen. Was spricht für Sie dafür, dass die US-amerikanische Demokratie sich von Cäsar Trump erholen wird?
Ich finde, wir sollten nicht vorschnell das Ende der amerikanischen Demokratie verkünden. In den USA existiert eine tief verankerte Kultur individueller Freiheit und politischer Mitbestimmung. In Europa mit seiner obrigkeitsstaatlichen Tradition können sich das viele gar nicht vorstellen. Am ehesten noch vielleicht Ihr Schweizer mit eurer langen Tradition direkter Demokratie. Die demokratische Ordnung und ihre Institutionen sind in den USA seit 250 Jahren intakt. Das stossen auch Donald Trump und seine Clique nicht einfach so ohne Weiteres um.

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stevensplace
04.11.2025 14:20registriert März 2020
Sorry, aber nach knapp 10 Monaten im Amt, hat Trump der größten Demokratie der Welt, bereits Totalschaden zugefügt.

Wie sonst ist es zu erklären, das kriminelle Horden (ICE) im ganzen Land, ohne rechtliche Grundlagen und ohne das sie Konsequenzen fürchten müssen, auf Menschjagt gehen können ?
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The one who can...
04.11.2025 13:55registriert April 2022
"Die demokratische Ordnung und ihre Institutionen sind in den USA seit 250 Jahren intakt. Das stossen auch Donald Trump und seine Clique nicht einfach so ohne Weiteres um."
Naja, Fakt ist ja, dass er diese demokratischen Institutionen gerade stark am Umbauen bzw. Aushöhlen ist. Ich wäre mir daher nicht so sicher, ob er damit das demokratische System nicht doch nachhaltig schädigen wird...
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Schlaf
04.11.2025 13:46registriert Oktober 2019
Menschen wie Trump gibt es halt.

Beängstigend ist, warum diese so viel Zuspruch von der Bevölkerung bekommen.
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