Frau Strobl, was will uns der US-Präsident sagen, wenn er inmitten von Protesten und Strassenschlachten mit einer Bibel vor einer Kirche posiert?
Natascha Strobl: Er wollte damit eine Botschaft an seine rechte, evangelikale Wählerbasis senden. Er stellt sich als Hüter von Recht und Ordnung dar, als Schützer des Landes und dessen christlichen Glaubens. Noch stärker ist allerdings die Botschaft der Soldaten, die in Kampfmontur vor dem Capitol in Washington stehen. Sie sind wie einem Film aufgestellt in Reih und Glied. Dieses Bild suggeriert nur eines: Krieg.
Glauben Sie, das kommt gut an?
Bei seiner Wählerbasis ganz bestimmt. Dass er sich den Weg zu der Kirche zudem erst mit Tränengas und Gummischrot freiräumen musste, gibt dem ganzen noch eine zusätzliche Sprengkraft.
Trump wütet auch auf Twitter. Er bezeichnet die Protestierenden als «Thugs» und Terroristen und droht mit der Armee. Wieso tut er das?
Trump bedient ein Ordnungsnarrativ. Er sagt: «Seht her, ich bin derjenige, der die Ordnung zurückbringt.»
Ist Trumps Law-and-Order-Rhetorik gefährlich?
Sie ist pure Eskalation. Trump will die Situation überhaupt nicht beruhigen oder Leute besänftigen. Er will eine Destabilisierung der Gesellschaft. In dieser Schärfe, wie Trump es tut, ist das für eine westliche Demokratie schon fast einzigartig.
Trumps Aktionen wirken also wie ein Brandbeschleuniger?
Absolut. Immer wenn man das Gefühl hat, die Situation könnte sich beruhigen, kommt Trump und wischt alle versöhnlichen Ansätze mit Provokationen wieder weg.
Inwiefern ähnelt Trumps Rhetorik jener von Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan?
Da gibt es tatsächlich einige Parallelen. Diese Fokussierung auf militarisiertes, hartes Durchgreifen und Law and Order hat er mit anderen «starken Männern» wie Wladimir Putin oder Viktor Orbán gemein.
Und doch redet Trump ganz anders.
Stimmt. Trump hat eine ganz spezielle Ausdrucksweise. Er spricht oft nicht in ganzen Sätzen, benutzt Schlagwörter oder presst seine Botschaft in kurze Parolen. Das wird von vielen Leuten belächelt, doch es funktioniert. Er schwurbelt nicht herum, das ist effektiv.
Also denken Sie, dass seine abgehackte Ausdrucksweise reines Kalkül ist?
Es ist auf jeden Fall das, was ihn auszeichnet. Man kann natürlich spekulieren, ob er es einfach nicht anders kann oder ob es wirklich kalkuliert ist. Klar ist jedoch: Es ist Teil seines Erfolgs.
Ist es Trump, der diese kommunikativen Entscheidungen trifft, oder ein PR-Team hinter ihm?
Das frage ich mich auch. Ich kann nicht sagen, ob es PR-Genies hinter Trump sind, oder ob das alles einfach so passiert.
Was wären wirkungsvolle Gegenstrategien gegen eine solche Rhetorik?
Es braucht eine klare Abgrenzung. Wenn Trump beispielsweise schreibt, dass man die Antifa als Terrororganisation einstufen soll, was rechtlich gar nicht möglich ist, dann braucht es eine klare Gegenposition. Man sollte auch nicht immer auf diese Provokationen eingehen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, immerhin handelt es sich um den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Fakt ist aber: Trump verhält sich wie ein rechtsextremer Provokateur.
Wie sollten sich also die Medien in dieser Situation verhalten?
Sie sollten darauf achten, stets Gegenstimmen zu Wort kommen zu lassen. Wenn in den USA über Trump diskutiert wird, dann macht sich ein strukturelles Problem bemerkbar: Es fehlen die schwarzen Stimmen. Das war schon immer so, nun fällt es allerdings auf.
Zeitungen wie die «New York Times» legen doch grossen Wert darauf, immer alle Seiten zu Wort kommen zu lassen?
Das bringt uns gleich zum zweiten Problem:
In der «New York Times» ist kürzlich ein Meinungsartikel erschienen, wieso man jetzt das Militär einsetzen solle. Da muss man sich fragen: Kann man so etwas noch verantworten? Auch wenn diese Forderung von höchster Stelle in der Politik kommt, will man so eine Position noch abbilden? Das sind politische Entscheidungen, die jedes Medium für sich treffen muss.
Wäre es nicht kontraproduktiv, gar nicht mehr über Trump zu berichten?
Ich verstehe diese Angst. Aber egal was Medien machen, Rechtsextreme werden immer «Lügenpresse» schreien. Sie müssen sehen: Trump verfolgt eine Strategie. Mit völlig absurden, antidemokratischen Positionen. Als Medium muss man sich fragen, wie sehr man das zulassen will.
Was könnte passieren?
Wenn man diesen Positionen zu sehr nachgibt, dann verschiebt sich das ganze politische Spektrum nach rechts. Kriterien wie Vernunft oder Verhältnismässigkeit kennt Trumps Strategie nicht. Dort geht es darum, ob man das eigene Militär aufbietet, um die Leute in den Strassen von Washington niederzuschiessen. Da muss man sich einfach fragen: Ist das eine legitime Position? Oder ist es nur eine legitime Position, weil es von bestimmten Personen kommt? Würde diese Position auch diskutiert werden, wenn sie von jemanden kämen, der nicht Präsident der USA ist?
Das klingt, als ob sie Trump nicht als einen legitimen Präsidenten sehen.
Nein, im Gegenteil. Die Macht, die Trump hat, und das, was er inhaltlich vertritt, widerspricht sich komplett, wenn man in friedlichen Zeiten leben möchte. Es ist ein Novum, dass jemand mit solch illegitimen politischen Ansichten in den höchsten Ebenen des politischen Systems angekommen ist. Mit diesem Widerspruch umzugehen, ist sehr schwierig.
Hätte Trump überhaupt richtig auf die Aufstände reagieren können?
Diese Frage stellt sich nur theoretisch. Trump hatte nie vor, «das Richtige zu tun».
Denken Sie, Trump wird mit seiner Kriegsrhetorik erfolgreich sein?
Ich hoffe nicht und fürchte schon.
Wie meinen Sie das?
Man hofft natürlich, dass die Leute einsehen, dass Trump den Bogen überspannt hat. Aber ich befürchte, dass es dieses «zu viel» nicht gibt. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, der von Akteuren der extremen Rechten, und dazu zähle ich Trump, orchestriert wird. Dagegen können Akteure, die die Normalität erhalten wollen, nicht ankämpfen.
Die Antifa gibt es schon lange, auch hat es dort keine nenneswerte Veränderungen gegeben, im Gegensatz zur extremen Rechte, welche sich erheblichen Einfluss auf die womöglich mächtigste Person auf der Welt geschafft hat. Darüber sollte man schreiben. Danke, dass ihr das tut.
Pure Eskalation und Schuldzuweisung auf anderen, 0% Fehler und selbstreflektion.
Nicht zu schweigen von seinem Kult.