Bislang standen nur Vermutungen im Raum, jetzt verdichten sich die Indizien annähernd zur Gewissheit: Der Iran soll beim Terrorangriff der Hamas auf Israel eine tragende Rolle gespielt haben.
So sollen in den Wochen vor dem 7. Oktober rund 500 Mitglieder der Terrororganisation Hamas im Iran ein militärisches Spezialtraining erhalten haben. Das schreibt die US-amerikanische Tageszeitung «Wall Street Journal» unter Berufung auf Geheimdienstinformationen zum Angriff.
Die Übungen hätten im September unter Leitung der Quds-Brigade stattgefunden, der Eliteeinheit der Iranischen Revolutionsarmee für Auslandseinsätze. Ebenfalls hätten Mitglieder der Gruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad teilgenommen, die mit der Hamas verbündet ist. Auch der Anführer der Quds-Brigade, Esmail Qaani, sei anwesend gewesen.
Die «Washington Post» stützt den Bericht des «Wall Street Journals». Geheimdienstinformationen zufolge hätten die Hamas, verbündete Gruppen und der Iran den Angriff bereits ein Jahr im Voraus geplant. Unlängst sagte dazu auch der Nahost-Experte Ali Fatholla-Nejad im t-online-Interview: «Das halte ich für realistisch. Denn solch eine komplexe, beispiellose Operation wie die von der Hamas braucht natürlich viel Vorbereitung.»
Es sei mehr als fraglich, ob der Angriff auf Israel durch die Hamas ohne den Iran überhaupt möglich gewesen wäre. Zudem unterstütze der Iran die Hamas auch seit 30 Jahren finanziell mit schätzungsweise 150 Millionen US-Dollar jährlich.
Die Attacke der Hamas-Terroristen gilt unter Militärexperten als äusserst komplexes Unterfangen. Die Terroristen griffen Israel mit Hunderten Soldaten zu Land, zu Wasser und aus der Luft an, sogar motorisierte Fluggleitschirme kamen zum Einsatz. Hinzu kamen massiver Beschuss mit Raketen und Drohnenangriffe auf israelische Abhörstationen.
All das fand unter absoluter Geheimhaltung statt, sodass die Hamas die israelischen Geheimdienste komplett überrumpelte. Auch deshalb mutmassen israelische und amerikanische Sicherheitsbeamte, dass der Iran dabei seine Finger im Spiel hatte. So schreibt das «Wall Street Journal», dass die Hamas bei ihrem Angriff erstmals Motorradtrupps eingesetzt habe, die häufig bei iranischen Paramilitärs zu finden seien.
Gegen den Bericht des «Wall Street Journals» spricht, dass US-Beamten zufolge der Iran in der Vergangenheit zwar des Öfteren ausländische Truppen trainiert habe, aber keine konkreteren Hinweise darauf vorlägen, dass unmittelbar vor dem Grossangriff der Hamas Übungen stattgefunden haben. Zudem dementieren die Hamas und der Iran vehement eine Kooperation bei der Vorbereitung des Angriffs.
Und: Laut Fathollah-Nejad habe der Iran den Angriff auf Israel zwar bejubelt, zugleich wolle das Regime in Teheran aber nicht zu sehr ins Rampenlicht treten – weil es bei einem grossen Krieg in der Region um die eigene Stabilität fürchten müsse. «Ein solches Szenario wäre nicht im Interesse der Machtelite, ein schwelender Konflikt zwischen Israelis und den Palästinensern aber sehr wohl», sagte der Politikwissenschaftler für den Nahen und Mittleren Osten.
Der Iran mache folglich eine Gratwanderung. Auf der einen Seite fürchte er einen Flächenbrand und die Kriegsschiffe der USA im Mittelmeer. Auf der anderen Seite bedrohe er Israel, um dessen Armee von einer Bodenoffensive im Gazastreifen abzuhalten, denn die könne die Kampffähigkeit der Hamas erheblich gefährden. «Sollte es der israelischen Armee gelingen, die Infrastruktur und die Operationsfähigkeit der Hamas auszuschalten, wäre das ein herber Verlust für den Iran», sagte Fathollah-Nejad.
Am 7. Oktober hatten Terroristen im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen kamen dabei und in den folgenden Tagen ums Leben. Mindestens 222 weitere Menschen wurden laut Israels Armee gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt, darunter mehrere Deutsche. Die Zahl der bei den israelischen Luftangriffen gegen die Hamas getöteten Palästinenser ist nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde auf 6547 gestiegen.
Da sollte man vielleicht nochmals über die Bücher, sofern man es ernst meint mit der Terrorbekämpfung.