International
Israel

Netanjahu erkennt türkischen Völkermord an Armeniern an

Netanjahu erkennt türkischen Völkermord an Armeniern an

27.08.2025, 13:1227.08.2025, 14:58

Als erster Regierungschef Israels hat Benjamin Netanjahu den Völkermord an den Armeniern vor 110 Jahren anerkannt.

epa12298677 Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu delivers a speech during the U.S. Independence Day reception hosted by Newsmax, at the Waldorf Astoria Hotel in Jerusalem, 13 August 2025. Newsmax ...
Israels Premierminister Netanjahu hat den vom Osmanischen Reich begangenen Völkermord an den Armeniern anerkannt.Bild: keystone

Der Interviewer Patrick Bet-David, ein US-amerikanischer Geschäftsmann, fragte ihn in seinem Podcast, warum gerade Israel «den türkischen Völkermord an den Armeniern, Assyrern und Griechen» bisher nicht anerkannt habe. Netanjahu antwortete daraufhin: «Habe ich soeben getan. Bitte sehr.»

Rund 1,5 Millionen Armenier starben 1915 und 1916 – im Ersten Weltkrieg – nach Forschungen von Historikern durch die systematischen Tötungen im Osmanischen Reich. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin weist den Begriff Völkermord – auch Genozid genannt –, also die gezielte Auslöschung des armenischen Volkes mit systematischen Tötungsmethoden, zurück. Zugegeben werden Massaker an 300'000 bis 500'000 Menschen.

Auch die aramäischen und assyrischen Christen in Südostanatolien und in der persischen Provinz Aserbaidschan wurden im gleichen Zeitraum Opfer eines Völkermordes. Täter waren das Osmanische Reich und einzelne kurdische Stämme. Opferzahlen schwanken, Historiker gehen von 250'000 bis 275'000 aus. In gewissen Regionen wurden 50 bis 90 Prozent der aramäischen oder assyrischen Bevölkerung getötet. Die Türkei bestreitet, dass es sich dabei um einen Genozid gehandelt habe.

Weiter kam es während des Ersten Weltkriegs und bis 1922 im Osmanischen Reich und in der Republik Türkei zu einem Völkermord an den Griechen. Dieser forderte Hunderttausende Tote und führte dazu, dass seit einem Bevölkerungsaustausch mit Griechenland 1923 die griechische Präsenz in der Türkei fast gänzlich verschwunden ist. Die Türkei bestreitet auch in diesem Fall die Einstufung als Genozid.

Reaktion der Türkei

Die Türkei verurteilte die Erklärung. «Netanjahu, der wegen seiner Rolle beim Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung angeklagt ist, versucht, die von ihm und seiner Regierung begangenen Verbrechen zu vertuschen», hiess es in einer Erklärung des Aussenministeriums in Ankara.

Israel hatte eine offizielle Anerkennung bisher vermieden. Es gab verschiedene Vorstösse im Parlament, die aber nie in einer formellen Abstimmung endeten.

Verschlechterte Beziehungen zur Türkei

Als Grund für die Zurückhaltung galt Rücksichtnahme auf die Beziehungen mit der Türkei. Diese haben sich jedoch in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert, vor allem vor dem Hintergrund des israelischen Vorgehens gegenüber den Palästinensern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel 2023 einen Genozid im Gazastreifen vor.

Der US-Kongress hatte die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges 2019 als Völkermord anerkannt. Der Deutsche Bundestag hatte dies bereits 2016 getan – dies belastete damals die deutsch-türkischen Beziehungen schwer.

In der Schweiz hat der Nationalrat den Völkermord an den Armeniern bereits 2003 anerkannt.

(rbu) mit Material von sda und dpa

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die 20 meistverkauften E-Autos in der Schweiz 2024
1 / 22
Die 20 meistverkauften E-Autos in der Schweiz 2024
Rang 20: Volvo EX40 (468 Verkäufe).
quelle: shutterstock
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Nach Belästigung: Joggerin will Glüstler-Videos per Petition strafbar machen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Kruk
27.08.2025 14:08registriert Januar 2024
Absolut richtiger Entscheid, jetzt sollte er nur noch erkennen was sein Land gerade macht.
704
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dörfu
27.08.2025 13:59registriert Januar 2019
"Wir betreiben kein Völkermord...
aber andere haben es auch getan".

Eher schlechter Moment für Bibi das Thema anzugehen.
525
Melden
Zum Kommentar
avatar
captaincook
27.08.2025 13:28registriert August 2025
Primär eine Trotzreaktion, aber vom Resultat her korrekt!
421
Melden
Zum Kommentar
13
Spanien räumt erstmals «Leid und Unrecht» durch Eroberer ein
Spaniens Aussenminister José Manuel Albares hat erstmals «Leid und Unrecht» indigener Völker Mexikos durch spanische Eroberer vor rund 500 Jahren eingeräumt. «Es gab Ungerechtigkeit, und es ist nur recht und billig, sie anzuerkennen und zu beklagen. Das ist Teil unserer gemeinsamen Geschichte; wir können sie weder leugnen noch vergessen», sagte er bei der Eröffnung einer Ausstellung in Madrid über Frauen im indigenen Mexiko.
Zur Story