Die israelische Armee führt erneut Militär-Operationen in Gaza-Stadt durch. In den letzten zwei Wochen rief sie zunächst nur Bewohnerinnen und Bewohner bestimmter Nachbarschaften zur Evakuation auf – während bereits Raketen auf die Stadt niedergingen. Am Mittwoch schliesslich flatterten Flugblätter durch die Strassen, welche die gesamte verbleibende Stadtbevölkerung zur Evakuierung aufriefen.
Viele Bewohnerinnen und Bewohner entscheiden sich dennoch zu bleiben. Eine Übersicht.
Gaza-Stadt steht bereits seit einigen Wochen im Fokus der israelischen Armee. Diese sieht eigenen Angaben nach Hinweise darauf, dass die Hamas dort erneut versucht, Fuss zu fassen. Man müsse mangels einer politischen Strategie immer wieder an Orten kämpfen, die die Armee eigentlich zuvor eingenommen hatte, so Israels Generalstabschef Herzi Halevi vor einigen Wochen.
Während der vergangenen zwei Wochen lief daher im Viertel Schedschaija in Gaza-Stadt ein grosser Militäreinsatz. Soldaten «lieferten sich Nahkämpfe mit Terrorzellen und eliminierten mehr als 150 Terroristen», teilte das israelische Militär am Mittwoch mit. Nach Darstellung des von der Hamas kontrollierten Katastrophenschutzes habe das israelische Militär 85 Prozent der Wohngebäude in Schedschaija zerstört. «Das Stadtviertel ist jetzt ein Katastrophengebiet, das nicht mehr bewohnbar ist», hiess es in einer Mitteilung der Organisation.
The destruction inflicted by the Israeli occupation army in the neighborhood of Shuja'iyya in eastern Gaza City pic.twitter.com/zN3PaGRInH
— Quds News Network (@QudsNen) July 12, 2024
Nach Angaben der israelischen Armee ist der Einsatz in Schedschaija am Mittwoch zwar beendet worden, allerdings sind weitere Einsätze in Gaza-Stadt geplant. Aus diesem Grund wurde die gesamte Bevölkerung noch am selben Tag zur Evakuierung in den Süden aufgefordert.
Das UN-Menschenrechtsbüro reagierte am Dienstag empört über Evakuierungsaufrufe, die zu diesem Zeitpunkt erst bestimmte Viertel betroffen hatten:
Bewohner aus dem Zentrum von Gaza-Stadt seien am 7. Juli von der israelischen Armee dazu aufgerufen worden, sich sofort in den Westen der Stadt zu evakuieren. Gleichzeitig habe die Armee die Angriffe auf den Süden und Westen der Stadt intensiviert. Die Organisation schreibt weiter:
Nach den bereits intensiven Angriffen forderte die israelische Armee am Mittwoch schliesslich die gesamte Stadt zur Evakuierung auf. Gemäss den am Mittwoch verteilten Flugblättern können die 250'000 Anwohnerinnen und Anwohnern über vier «sichere» Korridore in den Süden flüchten.
Dort erwartet die Palästinenser kein besseres Leben. Das UN-Menschenrechtsbüro wies darauf hin, dass die vom israelischen Militär als «sichere Zone» bezeichnete Stadt Deir al-Balah bereits mit Palästinensern aus anderen Gebieten überfüllt sei. Es gebe dort kaum Infrastruktur und nur begrenzten Zugang zu humanitärer Hilfe.
Es überrascht daher nicht, dass sich viele Menschen dazu entscheiden, in Gaza-Stadt zu bleiben.
«Die Strasse ist nicht sicher», begründet Palästinenser Amani Zanin gegenüber der «New York Times» seinen Entscheid. Seit neun Monaten ist er mit seiner Familie von Ort zu Ort auf der Flucht. Derzeit leben sie in einem Schulgebäude in Gaza-Stadt – und haben nicht vor, dieses zu verlassen.
Er und seine Familie sind nicht die Einzigen, die sich weigern. Auch der 47-jährige Ibrahim al-Barbari glaubt nicht an Israels Versprechen von Sicherheit südlich von Gaza-Stadt. Gegenüber BBC erklärt er:
Wenn der Tod sein Schicksal und dasjenige seiner Kinder sei, dann würden sie in Würde und Ehre in ihren Häusern sterben.
Nebst der fehlenden Sicherheit weist Al-Barbari auch darauf hin, dass die Reise in den Süden vor allem für ältere Menschen nicht machbar sei. Da das israelische Militär auf Teilen der Strecke keine Autos erlaube, müsse diese zu Fuss zurückgelegt werden. Auf den stundenlangen Fussmarsch in der Sommerhitze verzichten viele. Er habe niemanden gesehen, der gegangen sei, so Al-Barbari.
Dennoch gibt es Menschen, die dem Aufruf folgen. CNN sprach mit Mahmoud Al Shaqra, der sich auf dem Weg in den Süden befand. Er sagt:
Dennoch hat er sich entschlossen, zu gehen. Er erklärt:
Laut einer Analyse von Satellitendaten, die kürzlich von Experten der City University of New York und der Oregon State University durchgeführt wurde, sind rund 75 Prozent der Gebäude in dem Gebiet beschädigt oder zerstört, so das «Wall Street Journal». Die Stadt ist von den massiven Verwüstungen im Krieg mit am schwersten betroffen. Und ein Ende ist noch immer nicht in Sicht.
(saw, mit Material von Keystone-SDA)