Acht Aktivisten der spanischen Clownrebellen-Armee («Pallasos en Rebeldía») haben sich vergangene Woche an die Mauer gestellt, die die palästinensischen Gebiete des Westjordanlandes von Israel trennt. Nackt, mit roten Clown-Nasen – als Protest gegen diese «beschämende und ungerechte Grenze».
Die Clowns wollten sich damit mit den Palästinensern solidarisieren, die in den eingezäunten Gebieten leben. Doch die Empfänger waren nicht gerade erfreut über diese Freikörper-Bekundung. Auf Facebook flog der Gruppe ordentliche Kritik um die Ohren:
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Eine andere Wortmeldung lautete schlicht: «Ihr habt's verkackt.» Iván Prado, der Sprecher der spanischen Clown-Armee, sah sich daraufhin gezwungen, sich zu entschuldigen: Die Aktion sei kein Angriff auf den Islam gewesen, «es ist unsere Art des Protestes gegen die Existenz der Mauer». Wenn man vor dieser schändlichen Mauer stehe, sei die ganze Menschheit nackt.
We apologize to all the Palestinians who could be offended by our actions against the wall http://t.co/zOKVQf3JHS #FesticlownPalestina
— Pallas@s en Rebeldia (@en_rebeldia) 17. September 2015
Die Nacktheit im Dienste der Menschlichkeit. Ist sie dafür tauglich? Oder verraten Nackt-Proteste am Ende ihre eigene Sache?
Joko Ono und John Lennon haben es in moderner Zeit als Erste getan. Und die wilde Uschi Obermaier sowieso. Heute sind die Erben der Unverhüllten überall auf der Welt aktiv: Der Nacktprotest hat sich als beliebtes Mittel zum Ausdruck politischen Unmuts etabliert.
Mit nichts als seiner Nacktheit zieht der Protestierende durch die Strassen. Sein Protest kostet nichts. Das ist das symbolisch Gehaltvolle an seinem Aufbegehren. Er tritt mit nichts auf, während sein Gegner sich seines Militär- oder Beamtenapparates bedient, um ihn zu überwältigen.
Der Schwache, das ist der Nackte und damit der Verletzliche, wird zum Starken. Und niemand zeigt auf den Nackten und lacht ihn aus.
Lady Godiva hat sich auch geschämt, als sie irgendwann im frühen 11. Jahrhundert, bedeckt mit nichts mehr als ihrem langen Haar, durch die Gassen von Coventry ritt. Sie tat es für ihr Volk, das unter der erdrückenden Steuerlast litt, für die ihr Ehemann Leofric verantwortlich war. Sie bat ihn, die Leute doch nicht so arg auszunehmen. Der Earl blieb hart. Nur wenn Godvia nackt zu Pferde durch die Gassen reite, werde er die Steuern senken. Und so geschah es, dass die mutige Frau ihr Pferd bestieg und gesenkten Hauptes den nackten Ritt für die Gerechtigkeit antrat.
Ihr Mann war davon so beeindruckt, dass er den Bürgern von Coventry alle Steuern – mit Ausnahme derjenigen auf Pferde – erliess. Die Nacktheit hatte gesiegt.
Die Hüllen fallen im Namen des Friedens und gegen Unterdrückung, Diskriminierung, Rassismus, Korruption und Krieg. PETA zum Beispiel, die weltweit grösste Tierschutzorganisation, macht sich die Ästhetik des Nacktprotestes schon lange für Werbezwecke zunutze. Schöne Menschen posieren so, wie Gott sie schuf. Auf Hochglanz-Papier glitzern sie für die gute Sache. Und für ein sauberes Gewissen. Denn sie sind «Lieber nackt als im Pelz».
Schon Uschi Obermaier und ihre Kommune 1 haben sich die Zeugnisse ihrer Unverhülltheit mit einem ordentlichen Batzen vergüten lassen. Die Kommerzialisierung des Nacktprotests ist so alt wie der Nacktprotest selbst. Und die Medien ersetzen das Page-Three-Girl mit dem Protestgirl – und dürfen sich dabei moralisch vollkommen im Recht fühlen.
Das Markenzeichen der ukrainischen Frauenrechtsorganisation Femen ist die Barbusigkeit. Auch ihnen wird nicht nur zugejubelt. Sie würden extra schöne Frauen an die Front stellen, damit ihnen die Medien-Aufmerksamkeit sicher sei. Ihr Kampf «gegen die Unterdrückung der Frauenrechte in islamischen Ländern» wurde von muslimischen Frauen heftig kritisiert; sie würden zu pauschal urteilen und damit die Musliminnen als eine hilflose Gruppe darstellen, die es von aussen zu emanzipieren gelte.
An welchem Punkt fängt der nackte Kampf für die gute Sache an, sich selbst zu schaden? Sobald die Anliegen global werden, wird es schwierig. Sobald sie kommerzialisiert werden, wird es schwierig.
Und wenn so ein Bild eines nackten Menschen tausendfach im Netz geteilt und verlinkt wird, verwässert sich dadurch nicht seine Botschaft, seine ursprünglich politische Intention? Die Aufmerksamkeit, die durch die Nacktheit gewonnen wurde, schlägt zurück und was bleibt, ist allein die nackte Nacktheit. Und die kann für jeden beliebigen Zweck eingespannt werden.
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