Acht nackte Clowns vor der Sperranlage, welche die Westbank von Israel trennt.
bild: facebook/pallasos en rebeldía
Spanische Aktivisten der politisch linken Clownrebellen-Armee haben sich nackt an die Mauer zwischen Israel und Westjordanland gestellt. Viele fanden das alles andere als angebracht – nützt oder schadet die Nacktheit den Anliegen, für die sie werben will?
Acht Aktivisten der spanischen Clownrebellen-Armee («Pallasos en Rebeldía») haben sich vergangene Woche an die Mauer gestellt, die die palästinensischen Gebiete des Westjordanlandes von Israel trennt. Nackt, mit roten Clown-Nasen – als Protest gegen diese «beschämende und ungerechte Grenze».
Palästinenser auf dem Weg in die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Sie müssen erst den Qalandia-Checkpoint passieren.
Bild: Majdi Mohammed/AP/KEYSTONE
Die Clowns wollten sich damit mit den Palästinensern solidarisieren, die in den eingezäunten Gebieten leben. Doch die Empfänger waren nicht gerade erfreut über diese Freikörper-Bekundung. Auf Facebook flog der Gruppe ordentliche Kritik um die Ohren:
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Eine andere Wortmeldung lautete schlicht: «Ihr habt's verkackt.» Iván Prado, der Sprecher der spanischen Clown-Armee, sah sich daraufhin gezwungen, sich zu entschuldigen: Die Aktion sei kein Angriff auf den Islam gewesen, «es ist unsere Art des Protestes gegen die Existenz der Mauer». Wenn man vor dieser schändlichen Mauer stehe, sei die ganze Menschheit nackt.
Die Nacktheit im Dienste der Menschlichkeit. Ist sie dafür tauglich? Oder verraten Nackt-Proteste am Ende ihre eigene Sache?
Uschi Obermaier, das wilde «Kommune 1»-Fotomodell und Verfechterin der sexuellen Revolution in der 68er-Bewegung.
bild: dpa
Joko Ono und John Lennon haben es in moderner Zeit als Erste getan. Und die wilde Uschi Obermaier sowieso. Heute sind die Erben der Unverhüllten überall auf der Welt aktiv: Der Nacktprotest hat sich als beliebtes Mittel zum Ausdruck politischen Unmuts etabliert.
Mit nichts als seiner Nacktheit zieht der Protestierende durch die Strassen. Sein Protest kostet nichts. Das ist das symbolisch Gehaltvolle an seinem Aufbegehren. Er tritt mit nichts auf, während sein Gegner sich seines Militär- oder Beamtenapparates bedient, um ihn zu überwältigen.
Christian Buss, Spiegel Online
Mitglieder der Hilfsorganisation Oxfam stellen in Berlin an der Rückseite der East Side Gallery das berühmte Kommune-1-Foto von Thomas Hesterberg von 1967 nach.
Bild: AP dapd
Der Schwache, das ist der Nackte und damit der Verletzliche, wird zum Starken. Und niemand zeigt auf den Nackten und lacht ihn aus.
Lady Godiva hat sich auch geschämt, als sie irgendwann im frühen 11. Jahrhundert, bedeckt mit nichts mehr als ihrem langen Haar, durch die Gassen von Coventry ritt. Sie tat es für ihr Volk, das unter der erdrückenden Steuerlast litt, für die ihr Ehemann Leofric verantwortlich war. Sie bat ihn, die Leute doch nicht so arg auszunehmen. Der Earl blieb hart. Nur wenn Godvia nackt zu Pferde durch die Gassen reite, werde er die Steuern senken. Und so geschah es, dass die mutige Frau ihr Pferd bestieg und gesenkten Hauptes den nackten Ritt für die Gerechtigkeit antrat.
Die Legendenfigur Lady Godiva von John Collier, ca. 1898.
bild: wikipedia
Ihr Mann war davon so beeindruckt, dass er den Bürgern von Coventry alle Steuern – mit Ausnahme derjenigen auf Pferde – erliess. Die Nacktheit hatte gesiegt.
Die Hüllen fallen im Namen des Friedens und gegen Unterdrückung, Diskriminierung, Rassismus, Korruption und Krieg. PETA zum Beispiel, die weltweit grösste Tierschutzorganisation, macht sich die Ästhetik des Nacktprotestes schon lange für Werbezwecke zunutze. Schöne Menschen posieren so, wie Gott sie schuf. Auf Hochglanz-Papier glitzern sie für die gute Sache. Und für ein sauberes Gewissen. Denn sie sind «Lieber nackt als im Pelz».
1994: Topmodels, die lieber nackt sind, anstatt Pelz zu tragen. Naomi Campell hat sich allerdings nicht daran gehalten. 2009 machte sie Werbung für die edlen Kreationen des New Yorker Pelzmachers Dennis Basso.
Bild:
Schon Uschi Obermaier und ihre Kommune 1 haben sich die Zeugnisse ihrer Unverhülltheit mit einem ordentlichen Batzen vergüten lassen. Die Kommerzialisierung des Nacktprotests ist so alt wie der Nacktprotest selbst. Und die Medien ersetzen das Page-Three-Girl mit dem Protestgirl – und dürfen sich dabei moralisch vollkommen im Recht fühlen.
Das Markenzeichen der ukrainischen Frauenrechtsorganisation Femen ist die Barbusigkeit. Auch ihnen wird nicht nur zugejubelt. Sie würden extra schöne Frauen an die Front stellen, damit ihnen die Medien-Aufmerksamkeit sicher sei. Ihr Kampf «gegen die Unterdrückung der Frauenrechte in islamischen Ländern» wurde von muslimischen Frauen heftig kritisiert; sie würden zu pauschal urteilen und damit die Musliminnen als eine hilflose Gruppe darstellen, die es von aussen zu emanzipieren gelte.
An welchem Punkt fängt der nackte Kampf für die gute Sache an, sich selbst zu schaden? Sobald die Anliegen global werden, wird es schwierig. Sobald sie kommerzialisiert werden, wird es schwierig.
Und wenn so ein Bild eines nackten Menschen tausendfach im Netz geteilt und verlinkt wird, verwässert sich dadurch nicht seine Botschaft, seine ursprünglich politische Intention? Die Aufmerksamkeit, die durch die Nacktheit gewonnen wurde, schlägt zurück und was bleibt, ist allein die nackte Nacktheit. Und die kann für jeden beliebigen Zweck eingespannt werden.
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