Die Mailänder Richter hatten dem Jubilar vor einigen Tagen ein nicht erbetenes vorzeitiges Geburtstagsgeschenk beschert: Sie forderten von Silvio Berlusconi, sich psychiatrisch begutachten zu lassen. Das Gericht wollte abklären, ob der illustre Angeklagte gesundheitlich überhaupt noch in der Lage sei, an dem Prozess teilzunehmen.
In dem Verfahren wird Berlusconi vorgeworfen, im Zusammenhang mit den legendären Sex-Orgien in seinen Privatvillen jungen Teilnehmerinnen Geld gegeben zu haben, damit sie gegenüber den Ermittlern den Mund halten.
Die Hauptprotagonistin der «Bunga-Bunga»-Partys, die damals minderjährige Prostituierte Karima El Farough («Ruby Rubacuori»), soll für ihr Schweigen fünf Millionen Euro kassiert haben.
Berlusconi wies die Forderung nach einer Begutachtung entrüstet zurück: Das Ansinnen verletze ihn zutiefst in seiner Ehre als Staatsmann und Unternehmer. Der Ex-Premier und Multimilliardär, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, denkt nicht im Traum daran, sich auf die Liege eines Psychiaters zu legen - er hat noch ganz andere Ziele: Er will im nächsten Januar, wenn die Amtszeit von Staatspräsident Sergio Mattarella abläuft, zu dessen Nachfolger gewählt werden.
Das höchste Staatsamt der Republik: Was wäre passender für einen Mann, der sich selber während seiner fast dreissigjährigen politischen Karriere abwechslungsweise als «besten Ministerpräsidenten der letzten 150 Jahre», «Gesalbten des Herrn» und «Jesus Christus der Politik» bezeichnet hatte?
Angesichts seiner gerichtlichen und politischen Vergangenheit mögen Berlusconis Ambitionen grotesk anmuten. Doch das Gedächtnis der Menschen ist bekanntlich kurz. Und die Neigung, frühere Sünden zu vergeben, ist gerade im katholischen Italien besonders ausgeprägt.
Vergessen und vergeben sind die Dutzenden Prozesse, in denen Berlusconi angeklagt war und vor denen er sich meist nur dank massgeschneiderten Gesetzen oder Verjährung retten konnte. Vergessen und vergeben ist seine Verurteilung wegen Steuerbetrugs in dreistelliger Millionenhöhe.
Vergessen sind auch seine unzähligen verbalen Ausrutscher und all die gebrochenen Wahlversprechen: Einmal hatte Berlusconi den Italienern allen Ernstes in Aussicht gestellt, dass seine Regierung innerhalb von drei Jahren den Krebs besiegen werde, wenn man ihm wieder die Stimme gebe.
Im Vergleich zu den Volkstribunen, die nach ihm kamen - Lega-Chef Matteo Salvini und Beppe Grillo, der Gründer der Fünf-Sterne-Protestbewegung - wirkt Berlusconi aber geradezu moderat. Der Cavaliere hatte sich die Schwächen seiner Landsleute zunutze gemacht - indem er etwa die verbreitete Steuerhinterziehung als «Notwehr» bezeichnete. Salvini dagegen appelliert an die niedrigen Instinkte, schürt Hass und Nationalismus.
Das hatte Silvio Berlusconi nie nötig: Er wärmte den Italienern das Herz, indem er als Vereinspräsident mit dem AC Milan fünfmal die Champions League gewann. Im Vergleich zum aggressiven und rüpelhaften Salvini und den politisch unbedarften «Grillini» erscheint Berlusconi inzwischen vielen Italienern als kompetenter und besonnener Staatsmann.
Ob der grosse Traum des Silvio Berlusconi im Januar in Erfüllung gehen wird, ist ungewiss. Nicht zuletzt sein Alter und seine Gesundheit könnten ihm einen Strich durch die Rechnung machen: Immerhin dauert die Amtszeit des Staatspräsidenten sieben Jahre.
Ich frage für einen Freund, der will unbedingt mal dort hin🤷🏻♂️