Italien kommt nicht zur Ruhe: Wieder bebt die Erde, diesmal ist es eines der stärksten Beben in dem Land seit Jahrzehnten. «Ich sehe eine Rauchsäule, es ist ein Desaster, ein Desaster», sagt der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde.
Berichte über Todesopfer lagen bis zum Sonntagnachmittag nicht vor, auch gab es keine Vermisstenmeldungen. «Es wird niemand gesucht», sagte der Chef des italienischen Zivilschutzes, Fabrizio Curcio. Mehrere Menschen wurden lebend aus Trümmern geborgen.
Das Beben ereignete sich morgens gegen 7.40 Uhr und hatte eine Stärke von 6,5, wie das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie mitteilten. Das Epizentrum lag demnach sechs Kilometer nördlich von Norcia. Die Erschütterungen waren auch in Rom, Venedig und Florenz zu spüren. Die Region war nach vorherigen Erdbeben vom Mittwoch weitgehend geräumt worden.
Das italienische Fernsehen zeigte Bilder aus Norcia, das bei den Beben zuvor verschont geblieben war. Jetzt wurden in dem 5000-Einwohner-Ort mehrere Gebäude zerstört, darunter die Benedikt-Basilika, mit deren Bau im 14. Jahrhundert begonnen worden war.
Damage in #Norcia #Italy after 6.6M earthquake - @PaoloDiGiovann1 pic.twitter.com/oLg3wdNG93
— Amichai Stein (@AmichaiStein1) 30. Oktober 2016
Das Gotteshaus ist dem Heiligen Benedikt gewidmet, dem 480 in Norcia geborenen Gründer des Benediktinerordens. Auf Fernsehbildern waren Mönche zu sehen, die vor einer Statue des Heiligen Benedikt zum Gebet niederknieten.
Der ganze Stadtkern von Norcia wurde wegen Einsturzgefahr abgeriegelt. «Ganze Städte sind in Trümmern», berichteten Zivilschutz-Sprecher. Gerechnet wird mit tausenden Obdachlosen. «In diesem schwierigen Moment müssen wir alle Zusammenhalt bewahren» sagte der italienische Präsident Sergio Mattarella, der den Betroffenen sein Beileid ausdrückte.
Auch die Kathedrale von Santa Maria Argentea stürzte ein. Lediglich Teile der Fassaden blieben erhalten.
In #Norcia firefighters are evacuating nuns from the church.#Terremoto #earthquake pic.twitter.com/DF18hwoIJK
— Middle Ages Dictator (@gabrix_90) 30. Oktober 2016
Das Beben vom Sonntagmorgen hatte auch die Städte Castelsantangelo, Preci und Visso heimgesucht. Die meisten Einwohner hatten ihre Wohnungen bereits nach den vorausgegangenen Erdbeben verlassen, sie übernachteten in ihren Autos oder an der Küste.
Und auch in Rom wackelte es. Bürgermeisterin Virginia Raggi schrieb auf ihrer Facebook-Seite: «Augenscheinlich hat das starke Erdbeben (...) keine schweren Schäden in Rom angerichtet.» Dennoch sollten die dortigen Schulen am Montag auf ihre Anordnung hin geschlossen bleiben. Die Gebäude würden von Fachleuten untersucht.
Vorübergehend wurden am Sonntag die zwei zentralen Metrolinien A und B gestoppt. Mehrere Gebäude wurden überprüft und teils geschlossen - darunter auch zwei Basiliken. Zwei Strassen wurden gesperrt. Auch der Petersdom im Vatikan wurde auf Schäden überprüft, es wurden aber keine festgestellt.
Der italienische Regierungschef Matteo Renzi warnte während einer kurzen Pressekonferenz in Rom vor «Resignation». Er fügte hinzu: «Wir werden alles wiederaufbauen: die Häuser, die Kirchen, die Geschäfte.» Für Montag berief er eine Sondersitzung seines Kabinetts ein. Papst Franziskus erklärte, er werde für die Bewohner der Erdbebengebiete und die Opfer beten.
Das Beben vom Sonntagmorgen war deutlich stärker als die beiden Erdstösse, die sich vor vier Tagen in Mittelitalien ereignet hatten. «Alles ist zusammengebrochen», sagte der Bürgermeister des Bergdorfes Ussita, Marco Rinaldi. «Ich habe im Auto geschlafen, ich habe gesehen, wie sich die Hölle auftat.»
Zwei kurz aufeinanderfolgende Erdbeben hatten am Mittwochabend die Region Marken erschüttert, das Epizentrum lag nahe der Ortschaft Visso. Das erste Beben hatte eine Stärke von 5,5, das zweite war mit 6,1 deutlich stärker. Nach Angaben der Behörden gab es keine Schwerverletzten oder Toten - vermutlich, weil gleich nach dem ersten Beben viele Menschen ins Freie gelaufen waren.
#Terremoto Il sindaco di #Ussita 'Ho visto l'inferno' https://t.co/tlzUJ8CoZG pic.twitter.com/DDPVFstLZ9
— Agenzia ANSA (@Agenzia_Ansa) 30. Oktober 2016
Bei einem Erdbeben am 24. August, das sich etwa 60 Kilometer weiter südlich rund um die Ortschaft Amatrice ereignet hatte, waren fast 300 Menschen ums Leben gekommen.
Ancora crollo nelle #Marche dopo il #terremoto. Questa è #Tolentino pochi minuti fa pic.twitter.com/2gCnvl8WB3
— Stefano Pagliarini (@PagliariniSte) 30. Oktober 2016
Mi è arrivata ora questa foto da Arquata!#terremoto pic.twitter.com/1HUpIIfZYp
— Aureliano Ferri (@AurelianoFerri) 30. Oktober 2016
Das mittlere Italien ist eine derjenigen Regionen in Europa, die besonders häufig von schweren Erdstössen heimgesucht werden. Immer wieder trifft es die bergige Gegend in den Abruzzen östlich von Rom.
Grund für die Beben sind riesige Spannungen, die sich im Untergrund aufbauen. Denn der Adriatische Sporn - ein Anhängsel der afrikanischen Erdplatte - reibt sich hier an der eurasischen Platte. Auch deshalb haben sich Italiens Mittelgebirge aufgefaltet. (sda/afp/dpa/apa/reu)
hot/sda/dpa/apa)