International
Italien

Mussolini-Nostalgiker La Russa zum Senatschef in Italien gewählt

Mussolini-Nostalgiker La Russa zum Senatschef in Italien gewählt

13.10.2022, 16:10
Mehr «International»
epa10240660 Co-founder of the Brothers of Italy (FdI) party Ignazio La Russa addresses the Italian Senate after he was elected its new President, in Rome, Italy, 13 October 2022. EPA/ALESSANDRO DI MEO
Ignazio La RussaBild: keystone

In Italien hat ein umstrittener Rechtspolitiker und Faschismus-Nostalgiker das zweithöchste Amt des Staates übernommen.

Ignazio La Russa von der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia wurde am Donnerstag bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments etwas kurios zum Senatspräsidenten gewählt. Der 75-Jährige war der Wunschkandidat seiner Parteichefin Giorgia Meloni, die selbst in Kürze Ministerpräsidentin werden dürfte. In der Rechtskoalition aus den Fratelli, der rechtspopulistischen Lega und der konservativen Forza Italia, die Ende September die Parlamentswahl gewonnen hatte, offenbarten sich in Rom aber bereits überraschende Differenzen.

Die Wahl von La Russa ist ein Erfolg Melonis. Zugleich ist sie für viele ein Beweis dafür, wie sehr die aus einer neofaschistischen Bewegung hervorgegangene Partei und ihre Mitglieder immer noch an der dunklen und nie konsequent aufgearbeiteten Vergangenheit hängen.

Just La Russa ist dafür ein Musterbeispiel. Im Wahlkampf behauptete er, dass alle Italiener «Erben des Duce» sind, also von Diktator Benito Mussolini. Während der Corona-Pandemie riet er in den sozialen Medien, dass die Italiener sich nicht mehr die Hand geben, sondern den «Römischen Gruss» der Faschisten zeigen sollten. Vor vier Jahren zeigte La Russa in einem Interview stolz sein Wohnzimmer mit Devotionalien und einer Statue Mussolinis.

Dass der Sizilianer in der ersten Sitzung der 19. Legislaturperiode ausgerechnet von der Holocaust-Überlebenden Liliana Segre ausgerufen wurde, entbehrt nicht einer - tragischen - Ironie. Als älteste Parlamentarierin hatte sie die Sitzung und die Wahl des Präsidenten geleitet. In einem emotionalen Appell bat sie darum, die Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden, sich gegen Hass und Ausgrenzung zu stellen und mit der «Politik des Geschreies» aufzuhören.

Segre erinnerte daran, dass sich just Ende dieses Oktobers zum 100. Mal die Machtergreifung der Faschisten in Italien jährt. Sie berichtete von einem «mulmigen Gefühl», wenn sie an jenes jüdische Mädchen im Jahr 1938 denke, das wegen der Repressalien der Faschisten nicht mehr auf ihre Bank in der Grundschule zurück durfte, «sich heute aber dank eines sonderbaren Schicksals auf der bedeutendsten Bank des Senats wiederfindet». Für Segre, die das Konzentrationslager in Auschwitz überlebt hatte, stand das Plenum mehrfach beim Applaus.

Später verkündete sie den Sieger der Wahl: La Russa erhielt 116 Stimmen, die nötige absolute Mehrheit der insgesamt 206 Senatoren lag bei 104. Die Rechtsallianz sprach sich dabei nicht geschlossen für den Berufspolitiker und früheren Verteidigungsminister aus. Silvio Berlusconi hatte seine Forza-Italia-Senatoren aufgefordert, sich der Abstimmung zu enthalten, womöglich um den Fratelli einen Denkzettel zu verpassen. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie Berlusconi und La Russa im Saal stritten und Berlusconi den Kandidaten gar beschimpfte. Weil dieser dann aber kurioserweise von Senatoren gegnerischer Parteien gewählt wurde, blieb Berlusconi recht bedröppelt zurück.

In der zweiten Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus, zeichnete sich zunächst keine erfolgreiche Wahl ab. Dort ist in den ersten drei Wahlgängen eine Mehrheit von zwei Dritteln nötig, welche die Rechtsallianz nicht hat. Ab Wahlgang vier, der für Freitag vorgesehen ist, reicht die absolute Mehrheit; auf diese kommt der Rechtsblock.

Erst im Anschluss daran wird der Staatspräsident jemanden - im aktuellen Fall nach ihrem Wahlsieg die ultrarechte Meloni - mit der Regierungsbildung beauftragen. Expertenschätzungen zufolge könnte Meloni ihr Kabinett zum Ende der kommenden Woche zusammenbekommen. (aeg/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
29 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Linus Luchs
13.10.2022 16:57registriert Juli 2014
"Weil dieser dann aber kurioserweise von Senatoren gegnerischer Parteien gewählt wurde ..."

Gegner der Rechtsallianz wählen einen Faschisten. Politik in Italien ist doch komplett gaga.
334
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pontifax
13.10.2022 18:02registriert Mai 2021
Krankes Land. Hochkonjunktur für die Mafia.
224
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lowend
13.10.2022 18:02registriert Februar 2014
Langsam gleichen die Zeiten wieder der Mitte der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo rechtsgerichtete Regierungen dabei zuschauten, wie rechtsextreme Diktatoren fremde Länder annektierten, um ihre Reichsgrenzen auszudehnen.
228
Melden
Zum Kommentar
29
Israel geht für Geisel-Deal auf Hamas zu – das Nachtupdate ohne Bilder
Israel ist offenbar bereit, mehrere Zugeständnisse zu machen, um den Geisel-Deal, der an eine Feuerpause gekoppelt ist, unter Dach und Fach zu bringen. Hier ist das Nachtupdate.

Israel hat bei den erneuten Verhandlungen im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge weitgehende Zugeständnisse an die islamistische Hamas gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause von bis zu einem Jahr angeboten. Wie das «Wall Street Journal» am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht der Vorschlag für ein Abkommen – an dessen Ausarbeitung Israel beteiligt gewesen sei, dem es aber noch zustimmen müsse – zwei Stufen vor. Die erste Stufe würde demnach die Freilassung von mindestens 20 Geiseln innerhalb einer Feuerpause von drei Wochen im Austausch gegen eine nicht näher bezeichnete Anzahl palästinensischer Häftlinge beinhalten. Die Dauer der Feuerpause könne für jede weitere Geisel um einen Tag verlängert werden, hiess es. Eine zweite Stufe würde eine zehnwöchige Waffenruhe umfassen, in der sich die Hamas und Israel auf eine umfangreichere Freilassung von Geiseln und eine längere Kampfpause einigen könnten, die bis zu einem Jahr dauern könnte.

Zur Story