Eine Frau an der Spitze der katholischen Kirche: Nach dem Tod von Papst Franziskus werden Stimmen laut, die auf eine weibliche Nachfolge für den verstorbenen Pontifex pochen.
Formal wirken die Kriterien für die Papstwahl schon fast banal. Zur Wahl stellen können sich alle katholischen, zölibatär lebenden Männer über 35. Die Priesterweihe wird nicht verlangt.
Informell wird aber viel von den Kandidaten erwartet: eine fundierte theologische Ausbildung, gute Kenntnisse und langjährige Erfahrung mit den kirchlichen Strukturen, ein grosses Netzwerk und Mehrsprachigkeit. Man müsse zudem in der eigenen Glaubensgeschichte gefestigt sein und gleichzeitig ein offenes Ohr in alle Richtungen haben, sagt Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds.
Der Wunsch nach einer Päpstin mag unrealistisch sein. Doch an qualifizierten Kandidatinnen würde es in Rom nicht mangeln. Hier deshalb vier Frauen, die das Zeug dazu hätten:
Im August 2021 ernannte Papst Franziskus die italienische Ordensfrau und Wirtschaftsprofessorin Alessandra Smerilli zur Sekretärin und damit Vizechefin des vatikanischen Entwicklungsministeriums. Smerilli war die erste Frau in einer solchen Schlüsselposition – eine kleine Revolution.
Sie kennt die vatikanischen Strukturen gut: Smerilli berät den Papst sowie die italienische Bischofskonferenz schon seit 2018. Mit ihrer Berufung zur Vizechefin hatte Smerilli auch die Leitung der vatikanischen Covid-19-Kommission inne. Sie gilt als sympathische, meinungsstarke Diplomatin. Als Ökonomin tritt Smerilli dezidiert gegen soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung und die Benachteiligung von Frauen auf.
Im März berief Franziskus mit Raffaella Petrini zum ersten Mal eine Ordensfrau zur Regierungschefin der Vatikanstadt. Die italienische Sozialwissenschafterin war zuvor bereits als erste Frau zur Generalsekretärin berufen worden – ein Amt, das üblicherweise Bischöfen vorbehalten war.
Petrini gilt in Rom als kompetent, erfahren und durchsetzungsfähig. Seit Juli 2022 ist sie Mitglied der Kurienbehörde für Bischöfe, in der sie auch über Bischofsernennungen in anderen Ländern mitbestimmt. Daneben wurde sie vom Papst in die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls berufen. Die Behörde trifft sämtliche Investment-Entscheidungen des Vatikans.
Simona Brambilla gehört ebenfalls zu den jüngeren Ernennungen von Papst Franziskus. Erst im Januar wurde sie zur ersten Präfektin im Vatikan ernannt. In anderen Staaten wäre sie damit Ministerin. Sie leitet die Behörde, die für die Ordensgemeinschaften zuständig ist.
Brambilla war früher als Krankenschwester und Missionarin in Mosambik tätig, war Professorin an der päpstlichen Universität Gregoriana und doktorierte in Psychologie.
Nathalie Becquart ist seit 2021 als Untersekretärin im Generalsekretariat der Weltsynode tätig. Mit ihr erhielt zum ersten Mal überhaupt eine Frau das volle Stimmrecht in der Synode.
Becquart hat unter anderem Management, Theologie und Soziologie studiert. Sie beschäftigt sich besonders mit Jugendfragen. Vor ihrer Ernennung war sie Nationaldirektorin des Dienstes für die Evangelisierung der Jugend und für Berufungen in Frankreich. Im vergangenen Jahr zählte Forbes Magazine sie zu den weltweit einflussreichsten 50 Frauen unter 50 Jahren.
In ihrem Amt ist die Französin für die Organisation der Weltsynode verantwortlich – und damit für die am breitesten geführten Debatten in der katholischen Kirche. Sie gilt als kompetent, kommunikativ und führungsstark. An den Versammlungen werde Becquart als konstruktiv und vernetzend wahrgenommen, sagt Simone Curau-Aepli.
In der katholischen Kirche und auch im Vatikan gebe es viele Frauen, die all diese Eigenschaften mitbringen. Allein über das weltweite katholische Frauennetzwerk liessen sich «mehr als genug» kompetente und engagierte Frauen finden: «Die kennt man vielleicht in Rom einfach noch nicht.»
Papst Franziskus habe Frauen immer wieder auf die Rolle als Mutter und Fürsorgerin reduziert. Gleichzeitig hat er sie gefördert. Als Franziskus sein Amt antrat, waren 19 Prozent der vatikanischen Angestellten weiblich. Heute sind es rund ein Viertel.
Dass es irgendwann eine Päpstin geben könnte, ist wenig wahrscheinlich. Zuletzt hatte Papst Franziskus darauf verzichtet, die Weihe von Frauen als Diakonin zu erlauben. Und doch habe sich einiges verändert im Vatikan, findet Curau-Aepli. Papst Franziskus habe viele Türen geöffnet: «Nun hoffen wir, dass es in diese Richtung weitergeht.» Auch wenn auf Papst Franziskus wieder ein Mann folgt.