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Schiffsbruch auf Lago Maggiore: Warum das Unglück viele Fragen aufwirft

Video: watson/lucas zollinger

«Schiffbruch der 007» – warum das Unglück auf dem Lago Maggiore viele Fragen aufwirft

Auf dem norditalienischen Seeabschnitt sind vier Menschen ums Leben gekommen – drei von ihnen waren Geheimagenten. Ein Überblick.
31.05.2023, 09:3131.05.2023, 16:17
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Ein Artikel von
t-online

Zwei italienische Geheimdienstmitarbeiter, ein Ex-Mitglied der israelischen Sicherheitskräfte und eine Russin: Beim Kentern eines Ausflugsschiffs auf dem Lago Maggiore in Norditalien sind vier Menschen ums Leben gekommen. «Schiffbruch der 007» titelte die italienische Tageszeitung «La Stampa» nach dem Unglück am vergangenen Sonntag.

Video: watson/lucas zollinger

Die Hintergründe des Unfalls, der Anlass des Treffens und die Identität der Personen an Bord des Ausflugsboots – der Vorfall wirft viele Fragen auf. Ein Überblick:

Schiffbruch Lago Maggiore: Auf diesem Boot namens «Good … uria» soll das Fest mit 25 Personen stattgefunden haben. (Mai 2023)
Auf diesem Boot namens «Good … uria» hat das Fest mit mutmasslich bis zu 25 Personen stattgefunden.Screenshot: Twitter

Wer waren die Opfer?

Den Angaben der Ermittler zufolge starben die italienischen Agenten Claudio Alonzi (62) und Tiziana Barnobi (53) sowie der pensionierte Agent des israelischen Mossad, Shimoni Erez (50). Dessen Tod hat mittlerweile auch das israelische Aussenministerium bestätigt. Das vierte Opfer ist die Russin Anya Bozhkowa (50), die Ehefrau des Kapitäns, der das Boot an Touristen verleiht.

Update: Toter nach Israel überführt
Der Leichnam des ehemaligen israelischen Geheimdienstlers ist in dessen Heimatland gebracht worden. Das gab das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch im Auftrag des Mossad bekannt. Israels Auslandsgeheimdienst habe «einen lieben Freund verloren, einen engagierten und professionellen Mitarbeiter, der sein Leben jahrzehntelang, auch nach seiner Pensionierung, der Sicherheit des Staates Israel gewidmet hat», hiess es in der Mitteilung. (sda/dpa)

Der Unfall ereignete sich am Sonntag um kurz nach 19 Uhr in der Nähe von Lisanza rund 150 Meter vom Ufer entfernt. Zu dem Zeitpunkt waren Medienberichten zufolge bis zu 25 Menschen an Bord des Ausflugsboots – 20 davon «italienische und israelische Agenten».

Weil alle Passagiere den Erkenntnissen nach bei italienischen und israelischen Geheimdiensten beschäftigt sind oder waren, gibt es Spekulationen um den Grund für das Zusammentreffen. Staatsanwalt Carlo Nocerino sagte der «Bild»-Zeitung, er gehe davon aus, «dass sie sich einfach auf einer Geburtstagsfeier getroffen haben».

In this image released by the Italian firefighters a helicopter search for missing after a tourist boat capsized in a storm on Italy's Lago Maggiore in the northern Lombardy region, Sunday, May 2 ...
Italienische Rettungskräfte suchten per Hubschrauber nach Vermissten, nachdem ein touristisches Ausflugsboot auf dem Lago Maggiore gekentert ist.Bild: keystone

Die Überlebenden konnten sich schwimmend ans Ufer retten oder wurden von vorbeifahrenden Booten aus dem Wasser gezogen. Nach ihrer Rettung und teilweise kurzen Spitalaufenthalten hatten sie es eilig, den Ort des Geschehens zu verlassen. Die Israelis wurden laut der Nachrichtenagentur Ansa mit einem Privatjet ausser Landes gebracht, der normalerweise für sensible und offizielle Flüge benutzt wird.

Auch «die Italiener haben in aller Eile» die Notaufnahme und Hotels, in denen sie untergebracht waren, verlassen. Das berichtete das Onlineportal Milano Today. «Huffington Post Italia» schrieb, die Betroffenen seien in der Nacht auf Montag noch von der Polizei vernommen worden, dann aber «schnell verschwunden».

Was war der Anlass des Treffens?

Der Lago Maggiore ist der zweitgrößte See Italiens und ein beliebtes Urlaubsziel. Der italienischen Zeitung «Corriere della Serra» zufolge wurde auf dem Boot offiziell ein Geburtstag gefeiert. Der zuständige italienische Staatssekretär Alfredo Mantovano sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Das für den italienischen Geheimdienst arbeitende Ehepaar, das bei dem Unfall starb, wollte demnach an Bord den Geburtstag eines Freundes feiern.

In einem Bericht der deutschen Boulevardzeitung «Bild» wurde spekuliert, dass es auf dem Boot zu einem Austausch von geheimen Unterlagen gekommen sein könnte, nachdem sich die Gruppe mittags schon im Restaurant «Il Verbano» zusammengesetzt habe. Einem Reporter der Zeitung zufolge waren am Dienstag Taucher zu sehen, die am Ufer ins Wasser gingen – an einer ganz anderen Stelle als noch am Montag. Polizisten hätten Nachfragen mürrisch abgeblockt, die Bergungsarbeiten seien abgeschirmt worden.

«Bild» zitierte Carlo Nocerino, den Chef der Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio:

«Alle denken, es sei eine italienische Affäre, dass sich die Geheimdienstmitarbeiter dort auf dem Boot trafen. Aber ich gehe davon aus, dass sie sich einfach auf einer Geburtstagsfeier getroffen haben. Solange wir das Schiff nicht gehoben haben, wissen wir aber natürlich auch nicht, was dort für Papiere oder persönliche Gegenstände mit untergegangen sind.»

Was war die Unglücksursache?

Bisher deutete alles darauf hin, dass heftige Winde und starke, lokale Niederschläge dazu führten, dass das Boot mit dem Namen «Good…uria» umkippte und schätzungsweise 15 Meter tief auf den Seegrund sank. Die vier Toten waren womöglich im sinkenden Boot eingeschlossen und konnten sich nicht rechtzeitig befreien.

Nach Angaben des Präsidenten der Region Lombardei, Attilio Fontana, war der «sehr schwere Vorfall» durch eine «Windhose» ausgelöst worden. Das 16 Meter lange Boot sei von Touristen gemietet worden, teilte Fontana auf der Social-Media-Plattform Facebook mit.

Doch der Sturm war offenbar nicht der alleinige Faktor: Laut dem «Corriere della Sera» waren eigentlich nur 15 Passagiere auf dem Boot zugelassen, tatsächlich sollen mindestens acht weitere Männer und Frauen an Bord gewesen sein.

Dass das Boot derart überladen war, habe wiederum die Manövrierfähigkeit deutlich eingeschränkt – erst recht bei dem Sturm, der zum Zeitpunkt des Unglücks tobte. Dem Bericht zufolge konnte das Boot den Wellen nicht mehr ausweichen – und kenterte.

Welche Details gibt es zu den Ermittlungen?

Staatsanwalt Nocerino bestätigte «Bild», dass sich die Ermittlungen nicht gegen eine konkrete Person richteten. In der Verantwortung stehe allerdings der Kapitän des Touristenbootes. «Corriere della Sera» berichtete, er habe nicht nur die maximal zulässige Anzahl an Passagieren missachtet, sondern offenbar auch sämtliche Wetterwarnungen vor dem Sturm. Auch habe es womöglich nicht ausreichend Schwimmwesten an Bord gegeben. Vorab waren heftige Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometern pro Stunde vorausgesagt worden.

Verantwortung liegt beim Kapitän
In der Verantwortung stehe nun vor allem der Kapitän des Touristenbootes. Er habe nicht nur die maximal zulässige Anzahl an Passagieren missachtet, sondern offenbar auch sämtliche Wetterwarnungen vor dem Sturm. Vorab seien heftige Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometern pro Stunde vorausgesagt worden.

Quellen

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(t-online/dsc/yam)

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Dem Lago Maggiore geht das Wasser aus
Video: srf
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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RicoH
31.05.2023 10:11registriert Mai 2019
Merkwürdige Geschichte, die viele Fragen aufwirft.
Ein einziger Punkt scheint mir logisch: wenn mehr Menschen auf auf dem Boot waren als zugelassen, hat es mit Sicherheit zu wenig Schwimmwesten für alle.
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Vipermaschine
31.05.2023 12:19registriert November 2018
Obwohl ich mich vorliegend bei der Analyse auch nur auf die Medienberichte stützen kann, aber wenn der Anlass eine Geburtstagsfeier gewesen sein soll, dann ist mein Name Osterhase. Als altgedienten Kriminalkommissar bin ich erstaunt, dass die Tätigkeiten der Betroffenen überhaupt publik geworden sind.
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wasps
31.05.2023 10:19registriert Januar 2022
Pensionierter Agent. 50 Jahre alt. Im Ernst?
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