Trotz Protesten von Umweltschützern und Fischern treibt Japans Regierung ihre Pläne zur Entsorgung gefilterten Kühlwassers aus der Atomruine Fukushima im Meer voran. Nach Abschluss der Bauarbeiten an den Entsorgungsanlagen will die Atomaufsicht an diesem Mittwoch mit letzten Inspektionen beginnen. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, wolle am 4. Juli in Tokio Ministerpräsident Fumio Kishida den abschliessenden Prüfungsbericht seines Hauses zu Japans Verklappungsplänen vorlegen, erfuhr die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag aus Regierungskreisen. Die Ableitung ins Meer dürfte Jahrzehnte dauern.
Im AKW Fukushima Daiichi war es am 11. März 2011 in Folge eines schweren Erdbebens und riesigen Tsunamis zu einem Super-GAU samt Kernschmelze gekommen. Mehr als zwölf Jahre danach müssen die zerstörten Reaktoren weiterhin mit Wasser gekühlt werden. Durch einsickerndes Regen- und Grundwasser nimmt die Menge verstrahlten Wassers täglich zu. In den rund 1000 Tanks lagern inzwischen mehr als 1.3 Millionen Tonnen davon, und nun gehe der Platz aus, argumentiert der Betreiberkonzern Tepco. Zudem seien die Tanks der Gefahr neuer Beben ausgesetzt. Die Regierung entschied daher, dass das Wasser gefiltert und verdünnt in den Ozean geleitet werden soll.
Zu diesem Zweck wurde ein Tunnel gebaut, der einen Kilometer weit in den Pazifik ragt. Vor Beginn der abschliessenden Inspektion durch die Atomaufsicht wird ein Probelauf mit Süsswasser abgeschlossen. Gegen die geplante Verklappung regt sich jedoch weiter Widerstand örtlicher Fischer, die Reputationsschäden und Umsatzeinbussen befürchten. «Wir werden uns weiterhin aufrichtig um die Sorgen und Fragen der örtlichen Bevölkerung kümmern», erklärte Tepco am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Tokio.
Man treffe Sicherheitsmassnahmen und werde auf negative Folgen für den Ruf der örtlichen Fischereiindustrie wegen der Einleitung des Wassers ins Meer angemessen reagieren, hiess es. Die Regierung in Tokio will laut japanischen Medienberichten eine endgültige Entscheidung über den Zeitpunkt der Freisetzung des Kühlwassers treffen, nachdem die Atomaufsichtsbehörde ihre letzten Inspektionen beendet und die IAEA den Abschlussbericht zur Sicherheit des Plans vorgelegt hat. Bislang heisst es lediglich, dass die Verklappung diesen Sommer beginnen soll.
Das Wasser wird zwar vor Ableitung ins Meer gefiltert, doch kann das technische System ALPS das Isotop Tritium nicht herausfiltern. Nach Darstellung von Tepco und der IAEA besteht dennoch keine Gefahr, da das Wasser verdünnt werde und Tritium in geringen Mengen unschädlich für Mensch und Umwelt sei. Die Konzentration werde auf rund 1500 Becquerel pro Liter sinken, was einem Vierzigstel des nationalen Schwellenwerts entspreche. Sollte die Menge des Meerwassers zur Verdünnung nicht ausreichen oder die Konzentration anderer radioaktiver Stoffe als Tritium ungewöhnlich hoch ausfallen, wird nach Angaben des Betreibers ein Notabschaltventil aktiviert, um die Freisetzung zu stoppen.
Manche Fachleute verweisen darauf, dass Atomkraftwerke in aller Welt seit Jahrzehnten routinemässig belastetes Kühlwasser ins Meer ableiten. Die Menge an zusätzlicher Strahlung durch das Kühlwasser aus Fukushima sei so gering, dass es keinen Unterschied mache. Andere Experten halten die vom Betreiberkonzern Tepco erstellte radiologische Umweltverträglichkeitsprüfung für mangelhaft und unzureichend. Die potenziellen negativen Auswirkungen kämen zu anderen Stressfaktoren hinzu, die die Gesundheit der Meere und Menschen, die von ihnen abhängen, schon jetzt beeinträchtigten. (sda/dpa)