Die süsslich duftenden immergrünen Osmanthus-Sträucher haben der chinesischen Millionenstadt Guilin den Namen gegeben: «Stadt des Duftblütenwaldes». Nun riecht es auch nach Ärger. An der neuen sechsspurigen Strasse vor dem neuen riesigen Gebäude der Regionalregierung hat die 16-jährige Howey Ou den Klimastreik ausgerufen.
Howey hat angekündigt, so lange zu protestieren, bis auch die Regierung des grössten CO2 -Verursachers der Welt Klimaversprechen macht, die schnelles und wirksames Handeln bedeuten. t-online.de hat die 16-Jährige erreicht. «Jedes Land muss JETZT Massnahmen ergreifen», schreibt sie auf Englisch. Sie ist nicht so sicher in der Sprache, manchmal gehen Fragen hin und her, bis klar ist, was sie wie meint.
Chinesen, so Howey, seien bisher bei dem Thema nicht aufgetreten, obwohl jede Nation etwas gegen die Klimakrise unternehmen müsse. Also macht sie es, die junge Frau, die auf den meisten Fotos durch übergrosse runde Brillengläser in die Kamera schaut.
Am Freitag ist sie losgezogen in einem gestreiften T-Shirt, in einer grauen Jogginghose und mit Turnschuhen mit mintfarbenen Schnürsenkeln, dazu zwei selbstbeschriebene Plakate. Eine Tasche hatte sie dabei für den Fall, dass sie festgenommen wird.
Was frau dann eben so braucht, hat sie in einem Beutel mit Micky-Maus-Motiv – und dazu noch Literatur: eine chinesische Ausgabe des «National Geographic» über Plastik in den Meeren, ein Ratgeber für inspirierende Reden, und «Here we stand», ein Buch über Frauen, die die Welt verändern.
Das Foto vor dem repräsentativen Regierungsgebäude beim Streik hat Howeys Vater gemacht, schreibt sie t-online.de. Vielleicht hat er geglaubt, dass sie mit dem Streiken danach wieder aufhört. Ganz sicher hat er es gehofft. «Als ich meinen Eltern von der Idee erzählt habe, waren sie geschockt. Sie haben auf mich eingeredet. Sie wollten mich abhalten, vor allem wegen der Sicherheit. Aber ich war zu entschlossen.»
Es war der vergangene Freitag, als weltweit Hunderttausende demonstrierten. Auch in Hongkong, wo immer noch alles ein bisschen anders und freier ist als im restlichen China. Dort gibt es eine Gruppe von Klimaaktivisten, Howey hatte ihnen auf Twitter angekündigt, dass sie auch streiken wird. Es nahm kaum jemand Notiz davon. Zunächst.
Howey ist vom Bürgersteig vor dem Gitter am Regierungsgebäude umgezogen. Einen Offiziellen hat sie allerdings sprechen können, der ihr Mut gemacht und Tipps gegeben habe, wie sie t-online.de schreibt. Sie solle doch Orte und Termine besuchen, wo Medien und verantwortliche Politiker sind. Experten gibt es auch in China, das Land verzeichnete 2018 steigenden CO2-Ausstoss und das vor allem aus Kohle.
Zum Demonstrieren sitzt sie nun vor dem alten Regierungsgebäude, wo es belebter sei. Erlaubnis für ihren Protest bekomme sie nirgendwo, erklärt sie. Und nach Erlaubnis habe ja auch in Europa niemand gefragt, twitterte sie fast trotzig.
Niemand kann sagen, ob die um totale Kontrolle bemühten chinesischen Behörden sie bewusst ignorieren und machen lassen, ob sie abwarten, ob sich Howey vielleicht nachhaltig ihre persönliche Zukunft verbaut. Es scheint ihr egal: «Ich würde mein Leben geben.»
Aus Sicht von Dirk Pleiter, China-Experte bei Amnesty International Deutschland, «ist grundsätzlich zu befürchten, dass die junge Frau Opfer staatlicher Repressionen bis hin zur Inhaftierung wird». Ob es dazu komme, sei schwer vorherzusagen. «Die chinesischen Behörden gehen mit solchen Protesten immer wieder auch pragmatisch um und lassen Ventile für Unmut in der Bevölkerung zu.»
Die Reaktion der Behörden werde wohl massgeblich davon abhängen, wie viel Zuspruch die Aktion bekomme. Heisst: Wenn Howey zunehmend Mitstreiter findet, kann es eng werden: "Eine ‚ Fridays for Future ‘-Bewegung werden die chinesischen Behörden mit Sicherheit nicht zulassen. Dies wäre eine ziemlich offensichtliche rote Linie.“
Als Howey am Samstag wieder protestieren wollte, sei es ungemütlich geworden daheim. «Wütend» hätten ihre Eltern sie abgehalten, «obwohl es Samstag war». Und ja, Vater und Mutter seien immer noch der Meinung, dass Schüler an Schulen sein sollten. «Aber ich werde weiterhin streiken.»
Obwohl auch ihre Freunde keine grosse Hilfe sind. «Die wollen mich eher davon abbringen. Das liegt daran, dass Umwelt bei der Bildung kaum eine Rolle spielt.» Die Verständnislosigkeit sei auch bei Passanten gross. «Hier hat kaum jemand überhaupt vom Klimastreik gehört, ohne Erklärung versteht keiner, was ich tue.» Sie wird ihre Plakate überarbeiten.
The Day 3 of School Strike for Climate.If you don’t trust me ,look at the Chinese flag.Thank you for all your support and the strikers who are panic.I have seen all your reviews carefully,though some of them I didn’t reply.Sorry! pic.twitter.com/L0VU8uO6WY— Howey Ou (@howey_ou) May 28, 2019
Am Sonntag hat sie neue Bilder gepostet. Und am Montag und am Dienstag wieder. «Ich werde dort bleiben, bis es ein Versprechen der chinesischen Regierung gibt. Das ist das, was ich tun kann.»
Ihr Konto im chinesischen Messenger-Dienst WeChat ist jetzt blockiert, schreibt sie. Um Twitter nutzen zu können, muss sie sich über einen VPN-Kanal über das Ausland einloggen. International hat sie aber jetzt Aufmerksamkeit. Greta Thunberg, ein paar Wochen jünger als Howea, hat einen Tweet ihr an 650'000 Follower weitergeleitet. «Howey Ou», hat die Schwedin dazugeschrieben, «ist eine echte Heldin. Wir stehen alle hinter Dir.»
Howey Ou is a true hero. We are all behind you.Guilin, China. #FridaysForFuture https://t.co/oB34G7jdDd— Greta Thunberg (@GretaThunberg) May 26, 2019
Howey bekommt nun viele gute Wünsche und einige besorgte Kommentare. Vorsichtig solle sie sein, vielleicht Verbündete in Umweltbehörden suchen. «Ich bin nicht besonders mutig», behauptet Howey. «Die anfänglichen Initiatoren des Klimastreiks hatten es schwerer.»
Eine gewagte Aussage für eine 16-jährige Frau, die in China alleine den Klimaaufstand probt.