Disclaimer: Vorsicht, dieser Text enthält Spuren von Nazi- und Hitler-Vergleichen.
Ja, es trifft zu, dass Finanz-Gurus nach einem besonders schlechten Tag an der Börse manchmal von einem «Blutbad» sprechen. Dieser Begriff muss auch sonst gelegentlich als Metapher für sehr unblutige Ereignisse herhalten. Was also soll das Geschrei der Mainstream-Medien, wenn Donald Trump am vergangenen Wochenende an einem seiner Rallys im Falle seiner Nichtwahl ebenfalls von einem «Blutbad» warnte? Schliesslich hat er von der Autoindustrie gesprochen. Oder nicht?
Nicht ganz, sagt Timothy Snyder. Der an der Yale University lehrende Historiker ist Spezialist für Blutbäder, und zwar sehr reale. In seinem bekanntesten Werk «Bloodlands» beschreibt er das grauenhafte Wüten von Hitler und Stalin in Polen, der Ukraine und Weissrussland; und in seinem Buch «On Tyranny» warnt er von einem neuen Totalitarismus.
Snyder stellt Trumps Rede im Bundesstaat Ohio in den Kontext. Er spricht von einem «Gesamtkunstwerk» und meint damit kein Produkt von hohem künstlerischem Wert, sondern ein Event mit hohem faschistischem Gehalt.
Trump hat seine Rede damit begonnen, dass ein Gefangenen-Chor von verurteilten Kapitol-Stürmern die amerikanische Nationalhymne singen. Dazwischen las der Ex-Präsident Abschnitte aus der Verfassung vor. Danach lobte er die Straftäter als «Patrioten», bezeichnete sie als «Geiseln» und gelobte, sie am ersten Tag seiner Amtseinsetzung zu begnadigen.
Mit anderen Worten: Trump machte aus gewalttätigen Straftätern und Umstürzlern heldenhafte Märtyrer im Dienste des Vaterlands. «Vielen Dank [für den Applaus für die Chaoten]», rief er seinen Fans zu. «Ihr könnt mit den Geiseln mitfühlen, und das sind sie, Geiseln. Sie werden schrecklich und äusserst ungerecht behandelt, und wir alle wissen das.»
Diese Stilisierung von verurteilten Straftätern zu Helden vergleicht Snyder mit einer Ikone der Nazis, mit Horst Wessel. Der SA-Mann wurde 1930 von Kommunisten erschossen. Hitlers Chef-Propagandist Joseph Goebbels machte ihn in der Folge zu einem deutschen Märtyrer und liess das berühmt-berüchtigte Horst-Wessel-Lied komponieren, das zur Hymne der Nazis wurde.
In diesem Kontext muss man Trumps «Blutbad»-Äusserungen sehen, nämlich: «Wie Trump die Einführung zu seiner Rede gestaltet hat», so Snyder. «Die Politik, die Verlogenheit seines Umsturz-Versuches im Jahr 2021 und der Geschichte des Faschismus generell. All dies legt nahe, dass Trump – wenn er von einem Blutbad spricht – ein reales Blutbad meint.»
Eines kann man Trump nicht absprechen: Immer wieder schafft er es, die Grenzen zur totalitären Rhetorik so auszureizen, dass ihm ein Notausgang bleibt. Bei seiner legendären Rede vor dem Sturm auf das Kapitol hat er das Adverb «friedlich» vor «protestieren» hineingeschmuggelt, um danach seine Hände in Unschuld ob der Gewalt zu waschen.
Auch im Ohio-Rally erwähnte er die Autoindustrie, bevor er auf das Blutbad zu sprechen kam. Davon sollten wir uns jedoch nicht blenden lassen, warnt Snyder. Denn: «Trump sprach von einem Blutbad vor Menschen, die ein Blutbad schätzen. Vor Menschen, die zusammen mit verurteilten Umstürzlern singen. Und Trump tut all dies im Stile der Faschisten, spricht von einer grossen Lüge, und macht aus Kriminellen Märtyrer.»
Trumps immer offenere und häufigere Anlehnungen an Hitler und Mussolini sind umso gefährlicher, als der Ex-Präsident sich in grossen finanziellen Problemen befindet. In diesen Tagen ist bekannt geworden, dass er nicht in der Lage ist, die Kaution für die Busse von über 464 Millionen Dollar zu stemmen, die ihm ein Richter in New York wegen Bilanzmanipulationen aufgebrummt hat.
Obwohl er «unzählige Stunden mit Verhandlungen mit einigen der weltweit grössten Versicherungskonzerne verbracht habe», könne der Ex-Präsident die Mittel für die Kaution nicht aufbringen, liessen seine Anwälte mitteilen. Zuvor war es Trump noch mit Ach und Krach und der Hilfe des Versicherungskonzerns Chubb gelungen, die 93-Millionen-Dollar-Kaution für die Busse im Zivilprozess gegen die Journalistin E. Jean Carroll aufzutreiben.
Bis zum nächsten Montag muss Trump die Kaution leisten können, sonst droht ihm im schlimmsten Fall eine Zwangsliquidation eines Teils seines Immobilien-Imperiums. Ebenfalls wäre er dann gezwungen, die Eigentumsverhältnisse und die Verschuldung der Trump Organization offenzulegen. Das könnte zu einer öffentlichen Erniedrigung ausarten, besteht doch der berechtigte Verdacht, dass der Ex-Präsident bei weitem nicht so reich ist, wie er selbst immer und immer wieder behauptet hat.
Kurz: Trump ist pleite und muss befürchten, als Business-Versager entlarvt zu werden. Deshalb rastet er einmal mehr aus. Die Nacht auf Dienstag verbrachte er damit, eine Hass-Botschaft nach der anderen auf seiner Plattform Truth Social abzufeuern, insbesondere gegen die Generalstaatsanwältin Letitia James, den Richter Arthur Engoron und die Biden-Regierung allgemein. Er müsse seine Immobilien möglicherweise zu Ramsch-Preisen veräussern, jammerte der Ex-Präsident und fügte in Grossbuchstaben hinzu: «WITCH HUNT. ELECTION INTERFERENCE!»
Es sieht nicht danach aus, als ob Trump seine finanziellen Probleme kurzfristig lösen könnte. Seine Anwaltskosten sind astronomisch, allein im vergangenen Jahr musste er rund 50 Millionen Dollar aufwenden. Wegen der vier hängigen Strafprozesse dürften es im laufenden Jahr noch mehr sein.
Gleichzeitig ist Trumps wichtigste Spendenquelle anscheinend am Versiegen. Die Kleinspender, die in den vergangenen Jahren immer wieder 5, 10 oder 20 Dollar überwiesen haben, mögen oder können nicht mehr. So hat die «Financial Times» kürzlich berichtet, dass die Anzahl der Kleinspender drastisch zurückgegangen sei.
Trumps Hoffnungen ruhen daher auf den Milliardären. Nächsten Monat will er für seine superreichen Anhänger ein Diner abhalten. Erwartet werden etwa der Hedge-Fund-Manager John Paulson, der Immobilien-Tycoon Robert Bigelow oder die Milliardenerbin Rebekah Mercer. Sie alle müssen tief in die Tasche greifen. Ein Stuhl am Tisch von Trump kostet 814’000 Dollar, für 250’000 Dollar darf man ein Selfie mit ihm machen.
Selbst Diners mit Superreichen können jedoch Trumps finanzielle Sorgen nicht aus dem Weg räumen. Das macht den Präsidenten zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit, wie der Fall von TikTok zeigt. Trump hat dabei eine spektakuläre Kehrwendung vollzogen. Weil sie in chinesischem Besitz ist, wollte er die populäre soziale Plattform einst als Präsident verbieten. Jetzt rät er den Abgeordneten und Senatoren davon ab, ein entsprechendes Gesetz zu unterstützen. Grund für den Sinneswandel: Trump hat kürzlich mit Jeff Yass diniert, einem Milliardär und bedeutendem Tik-Tok-Investor.
Die bange Frage, ob Trump sich habe kaufen lassen, stellt sich selbst sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon. Die noch bangere Frage, ob Trump sich in Abhängigkeit von ausländischen Mäzenen begeben könnte, ist in Washington derzeit allgegenwärtig. Was, wenn die Saudis Trump aus der Patsche helfen? Oder gar die Russen?
Die Tatsache, dass Trump anscheinend seinen ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort reaktivieren will, gibt diesen Befürchtungen reichlich Nahrung. Manafort wurde nicht nur wegen Betrugs verurteilt und sass deswegen bis zu seiner Begnadigung durch den Ex-Präsidenten im Knast. Er hatte erwiesenermassen auch beste Kontakte zum russischen Geheimdienst und Kreml-nahen Oligarchen.
Es wäre doch schön, bleibt er jetzt auch fair, zahlt seine Busse oder trägt die Konsequenzen, wie er sie andern auch immer androht.