Die grüne Gentechnik sei nutzlos. Das ist die Kernbotschaft von Philipp Löpfe in seinem Artikel zum Potential dieser Technologie. Er stützt sich dabei stark auf eine Untersuchung der «New York Times» von Ende Oktober, der in Fachkreisen heftig kritisiert wurde. Der Vorwurf von Experten: Die Untersuchung sei einseitig und habe gezielt jene Resultate ausgewählt, welche die grüne Gentechnik in möglichst schlechtem Licht erscheinen liessen. Um den Nutzen einer ganzen Technologie beurteilen zu können, brauche es solidere und weitreichendere Untersuchungen.
Solche Untersuchungen gibt es: Laut einer Studie der Agrarökonomen Matin Qaim und Wilhelm Klümper, haben Pflanzen mit gentechnisch verändertem XY (GV) im Durchschnitt den Pestizideinsatz um 37 Prozent reduziert und den Ernteertrag um 22 Prozent erhöht. Durchschnittswerte sind immer mit Vorsicht zu geniessen, da sie geografische, wirtschaftliche und politische Unterschiede ignorieren. Aber die pauschale Aussage, GV-Pflanzen würden keine Ertragssteigerung bringen, ist schlicht nicht haltbar.
Danny Hakim, der Autor des Artikels bei der New York Times
sieht das freilich anders und zitiert einen Bericht der US National Academy of
Science. In einem Bericht mit dem Titel «Genetically
Engineered Crops: Experiences and
Prospects» schreibt die US Academy, dass «die amerikanischen Daten
von Mais, Baumwolle oder Sojabohnen kein signifikantes Zeichen zeigen, dass
gentechnische Methoden einen Einfluss auf die Ertragssteigerungsrate hätten».
Im Bericht heisst es aber weiter – und das wird weder von Herrn Hakim noch von
Herrn Löpfe erwähnt –, dass sich dies in Zukunft ändern könnte und dass dies
nicht bedeutet, auf dem Markt erhältliche GV-Sorten wären ohne Vorteil für
Landwirte.
Zwar brauche es noch mehr Untersuchungen zu den
sozioökonomischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen in der
Landwirtschaft, doch bestehende Studien würden zeigen, das gentechnisch
veränderter Mais, Sojabohnen, Baumwolle und Raps bei grossflächiger Anwendung
nützlich sind. Auch bei kleineren Betrieben kann GVO bei günstigen Umständen
einen Nutzen generieren.
Haben gentechnisch veränderte Pflanzen nun einen landwirtschaftlichen Nutzen oder nicht? Ja, aber Nutzen ist nicht gleich Nutzen. Denn einerseits sind die Ertragssteigerungen abhängig von den jeweiligen landwirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Gegebenheiten; andererseits stellen vereinfachter Anbau, bessere Planbarkeit oder längere Haltbarkeit der Produkte auch eine Form von Nutzen dar.
Matin Qaim bezeichnet den Artikel der New York Times auf Anfrage dann auch als «sehr einseitig.» Der Artikel ziehe vor allem Schlussfolgerungen für die Effekte von Herbizidtoleranz in den USA und Kanada, so Qaim weiter. «Herbizidtolerante Pflanzen haben in den USA und Kanada keine grossen Ertragseffekte, was aber auch nicht das Ziel dieser speziellen Technologie ist. Herbizidtoleranz hat dort vor allem Arbeit, Maschinenzeit und Sprit eingespart, weil weniger Bodenbearbeitung nötig ist. In Südamerika hat die Herbizidtoleranz teilweise deutlichere Ertragseffekte, weil dort Unkräuter ohne GVOs weniger effektiv bekämpft werden», so Qaim. Zur Ertragssteigerung durch GVOs mit Insektenresistenzen äussert sich Qaim wie folgt: «Für das Merkmal der Insektenresistenz werden überall Ertragsvorteile von GVOs beobachtet, allerdings in Entwicklungsländern noch stärker als in den USA und Kanada, weil in den Tropen der Schädlingsdruck größer ist».
Was die Zukunft von GVOs und deren Rolle bei der Ertragssteigerung betrifft, führt Qaim aus: «Zukünftige Merkmale können natürlich – je nachdem was verändert wird – Ertragseffekte haben oder nicht. Goldener Reis wird die Erträge nicht erhöhen – was in diesem Falle auch nicht das Ziel ist –, während Merkmale wie Pilzresistenz oder Dürretoleranz natürlich in vielen Regionen der Welt Ertragsvorteile bringen können».
Andrew Kniss, ein international angesehener und unabhängiger
Pflanzenwissenschaftler in Wyoming geht mit dem Artikel der NYT hart ins
Gericht. Er schreibt auf seiner Blogging-Platform «Control Freaks», dass die Diskussion über anfängliche Erwartungen an
GV-Pflanzen ermüdend sei. Die Frage, ob GV-Pflanzen zu einer Ertragssteigerung
führen, sei pauschal nicht zu beantworten, selbst für einzelne Merkmale nicht,
weil die Bedingungen sich von Land zu Land stark unterscheiden.
Auch wisse
jeder vernünftige Mensch, dass GV-Pflanzen nicht die Lösung aller Probleme
darstellen. Die Frage sei unnötig und lenke von viel wichtigeren ab – wie
beispielsweise soziale Aspekte für Landwirte, die oft vergessen gehen. Der
Einsatz von GVO kann die Bestellung des Feldes in einem Masse vereinfachen, die
für den Landwirten eine grosse Bedeutung haben:
GV-Pflanzen hätten die Unkrautbekämpfung in den USA vereinfacht, auch
wenn die Erträge sich hierdurch kaum verändert hätten.
Studien von Qaim in
Indien und anderen Entwicklungsländern zeigen zudem, dass GV-Sorten zu höheren
Einkommen für arme Kleinbauernfamilien beigetragen haben. Dies hat wiederum
viele positive Effekte: Steigerung von Ernährungssicherheit und -Qualität sind
einige, die von Qaim identifiziert wurden.
Es ist deshalb fragwürdig, alle gentechnisch veränderten Produkte über einen Kamm zu scheren, nach einseitigen Nutzenkriterien zu beurteilen und dabei auch noch sämtliche externen Einflussfaktoren wie klimatische Bedingungen, Industrialisierungsgrad oder Höhe der Landwirtschaftssubventionen auszublenden. Natürlich: Eine Züchtung, die Ertragssteigerungen verspricht, sollte diese auch erbringen. Aber es ist unredlich, einer bestimmten Pflanzensorte mangelnde Ertragssteigerung vorzuwerfen, wenn das Ziel der gentechnischen Veränderung ein ganz anderes war – zum Beispiel eine einfachere Handhabung oder die bessere Haltbarkeit der Produkte.
Niemand käme schliesslich auf die Idee, den Biolandbau für nutzlos zu erklären, nur weil er keine Ertragssteigerungen bringt oder in gewissen Fällen unter den Erträgen der konventionellen Landwirtschaft liegt.
Gentechnik ist ein Werkzeug, kein Wundermittel. Sie wird für sich genommen weder den Welthunger besiegen noch all unsere ökologischen Probleme lösen. Aber sie kann – richtig eingesetzt – dabei helfen.