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Nur die halbe Wahrheit: Warum Ertragssteigerung nicht alles ist

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Warum die New York Times falsch liegt und Gen-Mais doch gut ist 

Eine Untersuchung der New York Times geht hart mit der grünen Gentechnik ins Gericht: Die Realität bliebe weit hinter den Erwartungen zurück. Fest steht: Die grüne Gentechnik ist kein Wundermittel, das all unsere Probleme löst. Sie deswegen für nutzlos zu erklären, ist trotzdem falsch.
19.11.2016, 20:2320.11.2016, 14:29
sandro christensen
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Die grüne Gentechnik sei nutzlos. Das ist die Kernbotschaft von Philipp Löpfe in seinem Artikel zum Potential dieser Technologie. Er stützt sich dabei stark auf eine Untersuchung der «New York Times» von Ende Oktober, der in Fachkreisen heftig kritisiert wurde. Der Vorwurf von Experten: Die Untersuchung sei einseitig und habe gezielt jene Resultate ausgewählt, welche die grüne Gentechnik in möglichst schlechtem Licht erscheinen liessen. Um den Nutzen einer ganzen Technologie beurteilen zu können, brauche es solidere und weitreichendere Untersuchungen.

Solche Untersuchungen gibt es: Laut einer Studie der Agrarökonomen Matin Qaim und Wilhelm Klümper, haben Pflanzen mit gentechnisch verändertem XY (GV) im Durchschnitt den Pestizideinsatz um 37 Prozent reduziert und den Ernteertrag um 22 Prozent erhöht. Durchschnittswerte sind immer mit Vorsicht zu geniessen, da sie geografische, wirtschaftliche und politische Unterschiede ignorieren. Aber die pauschale Aussage, GV-Pflanzen würden keine Ertragssteigerung bringen, ist schlicht nicht haltbar.

Über den Autor
Sandro Christensen leitet die Projektgruppe «Grüne Gentechnik» des Grassroots-Think-Tanks «reatch - research and technology in switzerland.»
Im Rahmen dieser Arbeit befasst er sich stark mit der Thematik der grünen Gentechnik.
Dieser Artikel entstand als Antwort auf den Artikel von Philipp Löpfe Gentech: Vielleicht gefährlich, aber auf jeden Fall nutzlos.

Gentechnische Methoden werden in Zukunft die Ertragssteigerungsrate beeinflussen

Danny Hakim, der Autor des Artikels bei der New York Times sieht das freilich anders und zitiert einen Bericht der US National Academy of Science. In einem Bericht mit dem Titel «Genetically Engineered Crops: Experiences and Prospects» schreibt die US Academy, dass «die amerikanischen Daten von Mais, Baumwolle oder Sojabohnen kein signifikantes Zeichen zeigen, dass gentechnische Methoden einen Einfluss auf die Ertragssteigerungsrate hätten».
Im Bericht heisst es aber weiter – und das wird weder von Herrn Hakim noch von Herrn Löpfe erwähnt –, dass sich dies in Zukunft ändern könnte und dass dies nicht bedeutet, auf dem Markt erhältliche GV-Sorten wären ohne Vorteil für Landwirte.
Zwar brauche es noch mehr Untersuchungen zu den sozioökonomischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft, doch bestehende Studien würden zeigen, das gentechnisch veränderter Mais, Sojabohnen, Baumwolle und Raps bei grossflächiger Anwendung nützlich sind. Auch bei kleineren Betrieben kann GVO bei günstigen Umständen einen Nutzen generieren.

Ein reifer Kolben des umstrittenen genmanipulierten Mais MON 810 des US-Konzerns Monsanto, fotografiert am Donnerstag, 27. September 2007, auf einem Feld im brandenburgischen Badingen noerdlich von Be ...
Ein reifer Kolben eines umstrittenen genmanipulierten Mais des US-Konzerns Monsanto.Bild: AP

Was gilt nun?

Haben gentechnisch veränderte Pflanzen nun einen landwirtschaftlichen Nutzen oder nicht? Ja, aber Nutzen ist nicht gleich Nutzen. Denn einerseits sind die Ertragssteigerungen abhängig von den jeweiligen landwirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Gegebenheiten; andererseits stellen vereinfachter Anbau, bessere Planbarkeit oder längere Haltbarkeit der Produkte auch eine Form von Nutzen dar.

«Für das Merkmal der Insektenresistenz werden überall Ertragsvorteile von GVOs beobachtet, allerdings in Entwicklungsländern noch stärker als in den USA und Kanada, weil in den Tropen der Schädlingsdruck größer ist.»
Matin Qaim, Professor  für Agrarökonomie

Matin Qaim bezeichnet den Artikel der New York Times auf Anfrage dann auch als «sehr einseitig.» Der Artikel ziehe vor allem Schlussfolgerungen für die Effekte von Herbizidtoleranz in den USA und Kanada, so Qaim weiter. «Herbizidtolerante Pflanzen haben in den USA und Kanada keine grossen Ertragseffekte, was aber auch nicht das Ziel dieser speziellen Technologie ist. Herbizidtoleranz hat dort vor allem Arbeit, Maschinenzeit und Sprit eingespart, weil weniger Bodenbearbeitung nötig ist. In Südamerika hat die Herbizidtoleranz teilweise deutlichere Ertragseffekte, weil dort Unkräuter ohne GVOs weniger effektiv bekämpft werden», so Qaim. Zur Ertragssteigerung durch GVOs mit Insektenresistenzen äussert sich Qaim wie folgt: «Für das Merkmal der Insektenresistenz werden überall Ertragsvorteile von GVOs beobachtet, allerdings in Entwicklungsländern noch stärker als in den USA und Kanada, weil in den Tropen der Schädlingsdruck größer ist».

Was die Zukunft von GVOs und deren Rolle bei der Ertragssteigerung betrifft, führt Qaim aus: «Zukünftige Merkmale können natürlich – je nachdem was verändert wird – Ertragseffekte haben oder nicht. Goldener Reis wird die Erträge nicht erhöhen – was in diesem Falle auch nicht das Ziel ist –, während Merkmale wie Pilzresistenz oder Dürretoleranz natürlich in vielen Regionen der Welt Ertragsvorteile bringen können».

FIREBAUGH, CA - AUGUST 22: The sun rises over a farm on August 22, 2014 near Firebaugh, California. As the severe California drought continues for a third straight year, Central California farming com ...
Die Landwirtschaft ist auf Gentechnologie angewiesen.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

GV-Pflanzen haben viel mehr positive Effekte, als auf den ersten Blick sichtbar sind

Andrew Kniss, ein international angesehener und unabhängiger Pflanzenwissenschaftler in Wyoming geht mit dem Artikel der NYT hart ins Gericht. Er schreibt auf seiner Blogging-Platform «Control Freaks», dass die Diskussion über anfängliche Erwartungen an GV-Pflanzen ermüdend sei. Die Frage, ob GV-Pflanzen zu einer Ertragssteigerung führen, sei pauschal nicht zu beantworten, selbst für einzelne Merkmale nicht, weil die Bedingungen sich von Land zu Land stark unterscheiden.
Auch wisse jeder vernünftige Mensch, dass GV-Pflanzen nicht die Lösung aller Probleme darstellen. Die Frage sei unnötig und lenke von viel wichtigeren ab – wie beispielsweise soziale Aspekte für Landwirte, die oft vergessen gehen. Der Einsatz von GVO kann die Bestellung des Feldes in einem Masse vereinfachen, die für den Landwirten eine grosse Bedeutung haben: GV-Pflanzen hätten die Unkrautbekämpfung in den USA vereinfacht, auch wenn die Erträge sich hierdurch kaum verändert hätten.
Studien von Qaim in Indien und anderen Entwicklungsländern zeigen zudem, dass GV-Sorten zu höheren Einkommen für arme Kleinbauernfamilien beigetragen haben. Dies hat wiederum viele positive Effekte: Steigerung von Ernährungssicherheit und -Qualität sind einige, die von Qaim identifiziert wurden.

Ziel der gentechnischen Veränderung war nicht primär Ertragssteigerung

Es ist deshalb fragwürdig, alle gentechnisch veränderten Produkte über einen Kamm zu scheren, nach einseitigen Nutzenkriterien zu beurteilen und dabei auch noch sämtliche externen Einflussfaktoren wie klimatische Bedingungen, Industrialisierungsgrad oder Höhe der Landwirtschaftssubventionen auszublenden. Natürlich: Eine Züchtung, die Ertragssteigerungen verspricht, sollte diese auch erbringen. Aber es ist unredlich, einer bestimmten Pflanzensorte mangelnde Ertragssteigerung vorzuwerfen, wenn das Ziel der gentechnischen Veränderung ein ganz anderes war – zum Beispiel eine einfachere Handhabung oder die bessere Haltbarkeit der Produkte.

Niemand käme schliesslich auf die Idee, den Biolandbau für nutzlos zu erklären, nur weil er keine Ertragssteigerungen bringt oder in gewissen Fällen unter den Erträgen der konventionellen Landwirtschaft liegt.

Gentechnik ist ein Werkzeug, kein Wundermittel. Sie wird für sich genommen weder den Welthunger besiegen noch all unsere ökologischen Probleme lösen. Aber sie kann – richtig eingesetzt – dabei helfen.

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Jol Bear
20.11.2016 00:32registriert Februar 2014
Kompliment an watson dafür, dass bei einem umstrittenen Thema unterschiedliche Standpunkte dagelegt werden. Realistischerweise ist bei Gentech weder ideologisch motivierte Verteufelung noch unkritische Hochpreisung angebracht. Guter Journalismus transportiert Fakten und Standpunkte. Sehr guter Journalismus getraut sich, verschiedene Standpunkte im gleichen Medium zu präsentieren.
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remim
20.11.2016 05:12registriert März 2015
Gerne hätte ich auch eine Stellungnahme bezüglich der Risiken einer Resistenzbildung von Unkräutern und Schädlingen gegenüber Glyphosat und BT, wie auch einer rationalen Erklärung von Patentklagen gegen Bauern die vom Wind bestäubten Bt-Mais auf ihrem Feld haben.
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swizz
19.11.2016 21:13registriert September 2015
Gentechnik hat nur den Nutzen, den Verkäufern Lizenzeinnahmen zu generieren, mehr nicht. Das ist rein wirtschaftlich gesteuert. Oder wieso geht eine Gentechnikfirma hin und verklagt einen Bauern auf Lizenzahlung, weil sein Mais Spuren des Genmais enthält, obwohl diese Spuren mit dem Wind vom angrenzenden Gen-Feld rübergeweht wurden?
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