Weshalb der neue «Asterix» der Beste seit 50 Jahren ist
«Asterix, müssen wir wirklich dorthin fahren?», fragt ein besorgter Obelix. Kurz zuvor erfahren die beiden Gallier beim Betreten eines Handelsschiffes, dass man an Bord nur Früchte transportiert und an der Reisedestination mit Vorliebe vergorenen Fisch isst. Das schlägt zumindest einem der beiden wohlbekannten Krieger mächtig auf den Magen.
Doch die Pflicht ruft, denn ein Unschuldiger soll den Löwen zum Frass vorgeworfen werden. Dem Fischsaucenhersteller Schaoprozes wird ein Giftangriff auf Cäsar zur Last gelegt, doch die zu Hilfe geholten Gallier durchschauen die Intrige und lassen sich nicht zweimal bitten – kulinarische Aussichten hin oder her.
Mit Römern prügeln, mit Bürokratie herumschlagen
Und so beginnt das 41. Abenteuer von Asterix und Obelix mit einer Überfahrt von der Nordwestküste des heutigen Frankreichs ins 1500 Kilometer Luftlinie entfernte Lissabon, das im Jahr 50 vor Christus noch Olisipo heisst und zur Römischen Provinz Lusitania gehört. Die Hafenstadt bietet eine abwechslungsreiche Kulisse für die kurzweilige Handlung: Mal prügeln sich die Gallier in engen Strassen, mal schlagen sie sich mit der örtlichen Bürokratie herum. Dann zieht es sie in modrige Kellerverliese und schliesslich auf eine prunkvolle Luxusyacht.
Dabei wird auch die regionale Kulinarik – abgesehen vom omnipäsenten Kabeljau – nicht verschmäht. Die obligaten Pastel de Nata finden im Kampf gegen die Römer eine Zweitverwertung («Die schiessen mit Kalorienbomben!»). Und dem Vino Verde («Unreife Trauben, haben die hier ein Problem mit den Zubereitungszeiten?») kommt gar eine wichtige Rolle zu bei der Ehrenrettung des zum Tode Verurteilen. Da gibt sich selbst der auf Wildschweine fixierte Obelix ungewohnt weltmännisch: «Wozu besucht man fremde Länder, wenn man nicht die lokalen Spezialitäten probiert?»
Es ist freilich kein Geheimnis, dass nach 44 Seiten – ein von René Goscinny und Albert Uderzo in Stein gemeisselter Umfang – im heimischen Dorf der traditionelle Schmaus wartet. Dass die aktuellen «Asterix»-Macher, Texter Fabcaro und Zeichner Didier Conrad, auf dem Weg zum Happyend den einen oder anderen Haken schlagen, trägt massgeblich zum Lesevergnügen bei.
Die Klippen der Political Correctness umschifft
Ihren mutigsten, für manche womöglich erschreckenden, Einfall packen sie in ein einziges Bild: Bei der Schifffahrt begegnen die Gallier unweigerlich den Piraten, die seit «Asterix als Gladiator» (Band 3!) zum festen Bestandteil der Reihe gehören. Der Numide im Ausguckkorb ruft «Phönizische Galeere voraus!» Der Bandenchef reagiert erstaunt: «Spricht der auf einmal das ‹r›?» Und der kluge Alte an Bord kommentiert mit einem Sprichwort: «O tempora, o mores.»
So souverän hat bislang kein anderer Comic einen in die Jahre gekommenen Stereotyp über Bord geworfen. Dass der Dunkelhäutige mit dem Sprachfehler sogleich auch seine überzeichneten Riesenlippen verliert: geschenkt!
Prächtig porträtiert ist auch das aus Lutetia angereiste Touristenpaar mit Hang zu Verschwörungstheorie, Fremdenhass und Obrigkeitsskepsis. Der monologisierende Mann reagiert selbst auf einfache Verständnisfragen mit einem reflexartigen «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!» Der Gattin fällt derweil die Aufgabe zu, den beiden Galliern einen Anstrich im Lokalkolorit zu verpassen, was besonders jüngere Lesende zu freudigen Jauchzern verleiten dürfte.
Der füllige Sidekick mausert sich vom Füller zur zentralen Figur
Überhaupt gelingt den Autoren von «Asterix in Lusitanien», den Comic für alle Generationen zum Vergnügen zu machen. Während Zeichner Didier Conrad in seinem nunmehr siebten «Asterix» die Linienführung von Uderzo perfektioniert hat, läuft Texter Fabcaro in seinem Zweitling zu einer Höchstform auf, die ihm wohl auch von Goscinny ein Lob beschert hätte. Schon bei seinem Einstand mit «Die Weisse Iris» (Band 40) bot der 52-Jährige den Action-Auswüchsen Einhalt, welche die Alleingänge von Albert Uderzo zunehmend ungeniessbar gemacht hatten.
Auch die fünf Bände unter Texter Jean Yves Ferri, die 2013-2021 diesbezüglich eine Kurskorrektur einläuteten, setzten oft gegen Ende der Geschichten hin zu stark auf visuelle Effekte. Und verloren dabei die Essenz von «Asterix». Während Asterix mit listigen Einfällen vor allem die Handlung vorantreibt, sorgt Obelix mit seinen schrulligen Eigenheiten dafür, dass man ihr so gerne folgt. Der füllige Sidekick mausert sich vom Füller zur zentralen Figur.
Fünf respektive bald 50 Jahre nach dem Tod von Albert Uderzo und René Goscinny atmet mit dem heute Donnerstag erscheinenden Band erstmals wieder ein «Asterix»-Abenteuer den Geist der Glanzjahre. Womit bewiesen ist, dass einfache Rezepte, gut zubereitet, nicht aus der Mode kommen. Oder in den Worten von Obelix: «Wildschweinsaison ist immer. Die wachsen das ganze Jahr.»
