Keiner der Bewerber erreichte im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit, wie die Wahlbehörde nach Auszählung von etwa 90 Prozent der Stimmen mitteilte. Klar ist aber schon jetzt, dass nach fast zwei Jahrzehnten linker Regierungen ein politischer Richtungswechsel in dem südamerikanischen Land bevorsteht.
Am 19. Oktober treten die beiden Kandidaten gegeneinander an, die im ersten Durchgang die meisten Stimmen erhielten. Dies sind Senator Rodrigo Paz Pereira von der christlich-demokratischen Partei «Partido Demócrata Cristiano», die der politischen Mitte zugerechnet wird, und Ex-Präsident Jorge Quiroga von der rechtsgerichteten Partei «Libertad y Democracia» (Freiheit und Demokratie).
Die Politik war lange vom Machtkampf zwischen Ex-Präsident Evo Morales und dem scheidenden Staatschef Luis Arce der linken Partei «Movimiento al Socialismo» (MAS) geprägt. Die Wahl markiert einen Einschnitt im politischen Machtgefüge: Der scheidende Präsident Arce trat wegen sinkender Beliebtheit nicht mehr an, Morales durfte wegen der verfassungsrechtlichen Amtszeitbegrenzung nicht mehr antreten. Zudem sieht sich Morales einem Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen ausgesetzt.
Am Rande der Abstimmung kam es zu Zwischenfällen. Der linke Kandidat Andrónico Rodríguez wurde nach seiner Stimmabgabe von mutmasslichen Anhängern des Ex-Präsidenten Morales mit Steinen attackiert. Wenige Stunden zuvor war am selben Ort die Detonation eines Sprengsatzes gemeldet worden. Über Verletzte lagen zunächst keine Informationen vor. Neben der Präsidentenwahl wurde auch ein neues Parlament bestimmt.
Der sich abzeichnende politische Richtungswechsel zieht auch international Aufmerksamkeit auf sich: Das südamerikanische Land verfügt über die weltweit grössten Lithiumreserven. Lithium ist ein zentraler Rohstoff für E-Autos und Batterien. Für die globale Energiewende spielt es deswegen eine wichtige Rolle.
Die Förderung kommt allerdings bislang nur langsam voran, ein Regierungswechsel könnte Investitionen erleichtern. «Man sitzt in den Startlöchern», sagt beispielsweise Bolivien-Expertin Christina Stolte von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Blick auf deutsche Unternehmen.
Bolivien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise: Benzin- und Devisenmangel, hohe Inflation und fehlende Medikamente prägen den Alltag. Die linke Regierung setzte stark auf Subventionen, vor allem für Treibstoffe, was den Staatshaushalt belastete.
Zudem gehört Bolivien zu den ärmsten Ländern Südamerikas, besonders betroffen sind ländliche und indigene Regionen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist hoch, und wegen der schlechten Wirtschaftslage kommt es immer wieder zu Protesten. Rund 12 Millionen Menschen leben in dem Binnenstaat.
(sda/dpa/con)