Tod im Istanbuler Hotel durch Pestizide: Das Gift wird auch in der Schweiz eingesetzt
Eine Pestizidvergiftung ist wahrscheinlich die Ursache für den Tod einer deutschen Familie in Istanbul. Die vierköpfige Familie aus Hamburg hat Anfang November im Hotel eingecheckt und klagte weniger Tage später über Übelkeit und Erbrechen. Im Spital verschlimmerten sich die Symptome, die Eltern und die 3- und 6-jährigen Kinder verstarben.
Als Ursache vermutet wird Aluminiumphosphid, ein hochtoxisches Schädlingsbekämpfungsmittel. Dieses Pestizid, das unter Markennamen wie Phostoxin, Celphos oder Fumitoxin verkauft wird, wird vor allem zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen benutzt. Container, Getreidelager und Schiffsladeräume werden mit dem Pestizid begast. Aluminiumphosphid kann in Form von Tabletten, Beuteln oder Pellets gekauft werden.
Mit Gas gegen Bettwanzen
In diesem Fall soll das Pestizid im Hotel zur Bekämpfung von Bettwanzen eingesetzt worden sein. Oberärztin Colette Degrandi von Tox Info Suisse hält eine Pestizid-Vergiftung der Familie für möglich. «Aluminiumphosphid ist ein Feststoff, der bei Kontakt mit Wasser stark giftiges Phosphin-Gas erzeugt und freisetzt. Dabei genügt schon die normale Luftfeuchtigkeit.» Also schon der Dampf in der Luft, um giftige Gase zu bilden. Eigentlich ist das Gas geruchlos, berichtet wird aber auch über Knoblauch- oder Fischgeruch.
«Die Tödlichkeit des Pestizids hängt davon ab, wie hoch die Konzentration in der Luft ist und wie lange man exponiert ist», sagt Degrandi. Es handle sich aber sicher um einen potenten Giftstoff. Wird das Pestizid in geschlossenen Räumen eingesetzt, so wie im Hotel in Istanbul, und ist die Belüftung unzureichend, kann Aluminiumphosphid tödlich sein.
«Aluminiumphosphid reizt die Atemwege und die Lunge. Bei schweren Verläufen kann es die Lunge so stark schädigen, dass die Aufnahme von Sauerstoff nicht mehr möglich ist», sagt die Oberärztin. Das Gas wirkt auch auf die Zellen und Mitochondrien und blockiert die Energieproduktion. Ein spezifisches Gegengift existiert nicht.
Übelkeit und Erbrechen wie im Falle der deutschen Familie sind übliche Symptome wie auch Atemnot und Husten sowie Herzrasen. Meist treten diese Symptome abhängig von der eingeatmeten Menge etwa innerhalb einer Stunde auf.
Pestizid-Vergiftungen aus der Türkei sind bekannt
In der Türkei sind solche Vergiftungen mit Aluminiumphosphid bekannt. In einer türkischen Medizinzeitschrift wurde 2023 von zwei Todesfällen berichtet wie auch von Hospitalisationen. «Wissenschaftliche Publikationen zu Metall-Phosphiden sind uns vor allem aus dem Nahen Osten und Nordafrika bekannt», sagt Degrandi. Sie wisse aber nicht, ob diese Substanzen dort in Hotels eingesetzt worden seien.
Da fragt man sich, ob eine solche Vergiftungsgefahr durch Pestizide auch in Schweizer Hotels besteht. Tox Info kann sich an keinen vergleichbaren Fall erinnern.
Aber auch in der Schweiz sind Pestizide mit Aluminiumphosphid zugelassen. Zwei für den Pflanzenschutz und drei zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen in leeren Lagerräumen.
Biozide mit Aluminiumphosphid, also Pestizide, die nicht-landwirtschaftlich eingesetzt werden, sondern zum Beispiel in Hotels, sind dagegen nicht mehr zugelassen. «Ein Einsatz zur Bekämpfung von Bettwanzen in Hotels oder Wohnräumen mit Aluminiumphosphid kann somit ausgeschlossen werden. In der Schweiz gibt es keine zugelassenen Produkte mehr mit diesem Wirkstoff für derartige Anwendungen», erklärt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auf Anfrage.
Ein letztes solches Insektizid wurde Ende 2022 verboten und ist mittlerweile nicht mehr im Handel. Benutzen durften es nur Profis, eine Abgabe und Verwendung durch Private war und ist verboten. «Aluminiumphosphid darf nur unter bestimmten Bedingungen und von geschultem Personal eingesetzt werden.», bestätigt die Ärztin von Tox Info.
In Ländern wie Deutschland und der Schweiz wird zur Bekämpfung von Bettwanzen ein Kombinationsverfahren aus Hitze und zugelassenen Pestiziden ohne Aluminiumphosphid angewandt. Das Zimmer wird bis zu 60 Grad erhitzt, da Bettwanzen bei über 42 Grad sterben. Überlebt eine Wanze die Hitze, wird sie mit Insektiziden ohne Aluminiumphosphid bekämpft.
Im «Spiegel» sagt Christian Klockhaus von Rentokil, dass diese Pestizide sich nicht im Raum verteilen, sondern dort liegen bleiben, wo sie hin gesprüht werden. Die Insektizide könnten deshalb nicht eingeatmet werden und würden nicht auf menschliche Kontaktstellen gesprüht. Diese Pestizide hätten zwar auch Langzeitwirkung, aber deshalb auf Menschen bei sachgerechtem Einsatz keine Wirkung.
