Der Libanon erlebt derzeit die schlimmste Wirtschaftskrise seiner Geschichte, fast 80 Prozent der Menschen in dem kleinen Land am Mittelmeer leben unter der Armutsgrenze. Momentan ist der Libanon von der Nahrungsmittelinflation weltweit am stärksten betroffen. In dieser Zeit bauen die USA einen überdimensionalen Botschaftskomplex in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
Bilder davon hat die US-Botschaft nun auf ihrem offiziellen Social-Media-Auftritt veröffentlicht. Sie zeigen den riesigen Gebäudekomplex rund 16 Kilometer ausserhalb des historischen Zentrums von Beirut, im Vorort Aoukar. Laut dem Nachrichtensender CNN sei das Grundstück zweieinhalbmal so gross wie das des Weissen Hauses in Washington D.C. Das Gebäude wirkt schon vor der Fertigstellung wie eine Festung und wird einmal die zweitgrösste US-Botschaft überhaupt sein, nach jener in der irakischen Hauptstadt Bagdad.
Things are progressing at our new compound! pic.twitter.com/Eb7ogVCAHX
— U.S. Embassy Beirut (@usembassybeirut) May 5, 2023
Auf Twitter kritisieren Libanesinnen und Libanesen den Bau. Eine Nutzerin schreibt: «Sie benötigen das alles nicht, der Libanon wird keine amerikanische Kolonie sein, die Sie kontrollieren, um dem Feind Frieden zu bringen. Wir sind ein freies Volk, das Würde und Ehre besitzt, auch wenn einige von uns eure Sklaven sind.» Jemand merkt an: «Das ist grösser als das Pentagon.» Andere fragen: «Zieht das Weisse Haus nach Beirut?» oder «Was ist für dieses Gebäude ausser der Ausstellung von Visa noch geplant?».
Der riesige, mehrstöckige Komplex verfügt über Erholungsbereiche, Pools, Grünflächen. Er umfasst Wohnungen und Restaurants für das Botschaftspersonal sowie «schattige Gärten und ein Kunstprojekt mit ortsspezifischen Werken von internationalen und libanesischen Künstlern», wie es auf der Homepage der Botschaft heisst. Zudem schmückt man sich mit einer Energiespar- und Nachhaltigkeitsstrategie. Die Kosten für den Bau sollen sich auf eine Milliarde Dollar belaufen.
Doch wozu das Ganze? Wozu braucht es in einem Land, das nur gut viermal so gross ist wie das Saarland, eine solche grosse diplomatische Vertretung? Nur wenige Touristinnen und Touristen aus den USA reisen in den Libanon. Das US-amerikanische Aussenministerium gibt dem Land einen Reisewarnhinweis der dritthöchsten Stufe.
Im Libanon ist die vom Iran unterstützte, 1982 gegründete militant-islamistische Terrororganisation Hisbollah beheimatet. 1983 verübte diese einen Bombenanschlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut. Bei der Attacke kamen 52 Menschen ums Leben. Später gab es weitere Anschläge, etwa auf US-Marines, bei denen Menschen getötet wurden.
Zum 40. Jahrestag des Anschlages im April 2023 sagte US-Aussenminister Anthony Blinken: «Trotz der Bemühungen der Hisbollah, mit Terror einen Keil zwischen die Vereinigten Staaten und das libanesische Volk zu treiben, hat sich unsere enge Zusammenarbeit in den 40 Jahren seit diesem verwerflichen Anschlag nur noch vertieft.» Die USA gelten als grösster Unterstützter des Libanon, was humanitäre und militärische Hilfen angeht.
Wie die «Jerusalem Post» berichtet, könne der neue überdimensionale Bau darauf hindeuten, dass die USA ihren Schwerpunkt in die Region verlagern will – oder dies wollte, als die Pläne für den Bau 2015 öffentlich gemacht wurden. In dieser Zeit bekämpften die USA noch im Irak den Islamischen Staat. Der Libanon war für die USA der Startpunkt zahlreicher verdeckter Militäraktionen.
Verwendete Quellen:
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