Eine Stunde wollte der Airbus A320 nur in München stehen. Inzwischen sind es fast 400 Tage. Aus dem Rückflug nach Sankt Petersburg wurde nichts, weil Deutschland Ende Februar 2022, kurz nach der Landung des Flugzeugs in München, den Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt hat. Nun ist er schon ein Jahr da – und der Flughafen verschickt Rechnung um Rechnung. Doch langsam kommt Bewegung in die Sache.
130'000 Euro betrage die Summe inzwischen, sagt Robert Wilhelm, Pressesprecher des Flughafens München, zu t-online. Pro Tag fallen damit Gebühren von rund 350 Euro an, die zu bezahlen sind. Aber von wem eigentlich? Die Rechnungen stelle der Flughafen an die russische Fluggesellschaft Aeroflot. Doch es kann sein, dass auch ein anderer Akteur einspringen muss.
Vielleicht sogar der Steuerzahler? Immerhin war es eine politische Entscheidung, Russland nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine mit Sanktionen zu belegen und wichtige Verbindungen aus Deutschland und der EU nach Moskau zu kappen. Crew und Fluggesellschaft trugen nicht unmittelbar Schuld daran, nicht mehr starten zu dürfen. Doch Viktor Winkler, Frankfurter Rechtsanwalt und spezialisiert auf Sanktionsrecht, geht nicht davon aus.
Denn Aeroflot sei weder bestraft noch mit Sanktionen belegt worden, sondern lediglich von einem Verbot betroffen gewesen. Daher fehle rechtlich eine unmittelbare Grundlage, die Gebühren auf einen anderen Akteur abwälzen zu können. Winkler vergleicht die Lage mit einer kürzlich errichteten 30er-Zone im Strassenverkehr. Wer dort 50 fahre, weil das kürzlich noch erlaubt war – aber jetzt nicht mehr –, dürfe die Kosten auch nicht abtreten. So müsse man auch mit dem Flugverbot umgehen, das in Kraft trat, als die Maschine in München stand.
Anders sei die Lage, wenn die Sanktionen und damit das Flugverbot rechtswidrig wären. «Dafür sehe ich aber wenig Anhaltspunkte», sagt Winkler. Bei rechtmässigen Sanktionsmassnahmen komme daneben noch ein Rechtsanspruch aufgrund eines sogenannten «Sonderopfers» infrage. Das bedeutet, dass Einzelne vom Staat eine Entschädigung beantragen und bekommen können, wenn sie «für Massnahmen im Dienst des Gemeinwohls unzumutbar hohe Nachteile tragen».
«Aber in diesem Fall dürfte auch dieser Nachweis eines Sonderopfers jedenfalls beim Eigentümer des Flugzeuges sehr schwierig werden, der ja nur mittelbar vom Flugverbot betroffen ist», schätzt Winkler die Situation ein. Falls doch, wäre es übrigens am Freistaat Bayern, die Entschädigung zu zahlen.
Der wahrscheinlichste Kandidat dafür, die Rechnung zu begleichen und das Flugzeug nach über einem Jahr doch noch abzuholen, ist der Besitzer. Dabei handelt es sich um eine chinesische Leasingfirma, wie Flughafensprecher Wilhelm sagt. Diese habe signalisiert, den Airbus, der an Aeroflot vermietet wurde, zurückholen zu wollen. Das gehe freilich nur mit einer neuen Kennung. Für russische Flugzeuge gilt nach wie vor ein Flugverbot im europäischen Luftraum.
Doch das Geld ist nicht das einzige Problem. Nach über einem Jahr Stillstand werden nicht nur Gebühren, sondern diverse Arbeiten fällig. Um ein Flugzeug nach so langer Zeit am Boden wieder tauglich für die Luft zu machen, müssen die Maschine überprüft und mögliche Mängel behoben werden. Wilhelm vergleicht das mit dem Flughafen Teruel in Spanien, wo die Lufthansa mehrere stillgelegte Maschinen wieder instand setzt.
Dort arbeitet eine Spezialfirma an den abgestellten Flugzeugen. «Wir reden von zwei Monaten, mehr als 2500 Arbeitsstunden, die wir brauchen, bis die grossen Flieger hier wieder in die Luft gehen können», zitiert die «Tagesschau» Flughafenchef Alejandro Ibrahim. Ähnliches könnte auch auf die Aeroflot-Maschine zukommen. Aber zuerst muss das Geld überwiesen werden. «Vorher lassen wir das Flugzeug nicht starten», stellt Wilhelm klar.