Erstmals hat Italien einem Rettungsschiff mit Flüchtlingen die Einfahrt in einen Hafen verwehrt. Die «Aquarius» von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée harrte am Montag weiter im Mittelmeer zwischen Italien und Malta aus - an Bord Hunderte Flüchtlinge, die am Wochenende aus Seenot gerettet worden waren.
Die Machtdemonstration der neuen italienischen Regierung - allen voran der fremdenfeindliche Innenminister Matteo Salvini - soll beweisen, dass Italien in der Migrationskrise künftig harte Hand zeigen wird.
Italien fühlt sich von seinen europäischen Partnern seit langem mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise allein gelassen. Derzeit kommen zwar deutlich weniger Flüchtlinge in Italien an, der neuen Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega sind es aber immer noch zu viele.
Nachdem am Wochenende laut der Internationalen Organisation für Migration insgesamt rund 1420 Flüchtlinge im Meer gerettet worden waren, nahm die Regierung in Rom Malta am Sonntag in die Pflicht: Der Inselstaat müsse die «Aquarius» mit 629 geretteten Flüchtlinge in den Hafen von Valletta einlaufen lassen.
«Die Insel kann nicht weiter wegschauen, wenn es darum geht, internationale Übereinkommen zum Schutz von Menschenleben und Zusammenarbeit zwischen den Staaten einzuhalten», teilten das Innen- und Transportministerium mit.
Doch Malta lenkte zunächst nicht ein - und liess wissen, dass man der «Aquarius» keinen Hafen zuweisen werde. Dies zeige zum wiederholten Mal den Unwillen von Malta «und damit auch von Europa, einzuschreiten und sich des Notstands anzunehmen», schrieb der italienische Regierungschef Giuseppe Conte auf Facebook.
In der Tat kommen seit langem nur noch wenige im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge auf Malta an. Waren es laut UNHCR 2013 noch rund 2000 Menschen, ging die Zahl in den Folgejahren rapide nach unten. 2017 erreichte sie mit 23 Menschen einen Tiefstand.
Im gleichen Zeitraum landeten an Italiens Küsten unter Anweisung der zentralen Seenotrettungsleitstelle in Rom 119'310 Menschen an - und das, obwohl Malta näher an der Such- und Rettungszone vor Libyen liegt als Sizilien.
2016 flammten Spekulationen über einen «Geheimdeal» zwischen Rom und Valletta auf, wonach Italien vor Malta nach Öl bohren dürfe und im Gegenzug Migranten ins eigene Land bringe. Offiziell wurde nie erklärt, warum mittlerweile so gut wie keine Geretteten mehr nach Malta gebracht werden.
Allerdings ist die Insel weniger als halb so gross wie Berlin. Hilfsorganisationen fürchten, dass Aufnahmezentren nicht ausreichend ausgestattet sind für eine Ankunftswelle.
Spanien wird die 629 Flüchtlinge an Bord des von Italien abgewiesenen Rettungsschiffs «Aquarius» aufnehmen. Das teilte die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Montag in Madrid mit.
«Es ist unsere Pflicht, dabei zu helfen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern», sagte der Spanier weiter. Den Flüchtlingen auf dem Schiff «Aquarius» solle ein «sicherer Hafen» angeboten werden, teilte die Regierung in Madrid in einer Erklärung weiter mit. Regierungschef Sánchez habe den Hafen der Stadt Valencia im Osten des Landes für die Aufnahme der Menschen bestimmt.
Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die EU-Kommission hatten Italien und Malta zuvor eindringlich aufgerufen, die auf dem Schiff ausharrenden Menschen rasch aufzunehmen.
Italien und Malta stritten seit Samstag über die Aufnahme der Flüchtlinge und Migranten an Bord des Schiffes, beide Länder sahen jeweils die andere Seite in der Verantwortung.
Unter dem neuen italienischen Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei fährt Italien einen härteren Abschottungskurs.
Die von den Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée betriebene «Aquarius» harrte deshalb seit dem Wochenende im Mittelmeer zwischen Italien und Malta aus. SOS Méditerranée zufolge sind an Bord auch 123 unbegleitete Minderjährige, elf kleine Kinder sowie sieben Schwangere.
Rettungsaktionen gab es am Wochenende auch andernorts im Mittelmeer: Die libysche Küstenwache fing nach eigenen Angaben am Samstag 152 Migranten auf zwei Booten vor der westlichen Küsten des Landes ab. Der Westen des chaotischen Bürgerkriegslandes Libyen ist bereits seit Jahren Startpunkt vieler Flüchtlinge auf ihrem Weg Richtung Italien.
Spanische Rettungskräfte brachten 300 Menschen in Sicherheit, die auf acht Booten von Marokko nach Spanien unterwegs waren. In einem Boot im Alborán-Meer wurden vier Leichen gefunden. (sda/dpa/afp)