In der Hochsaison läuft im Hamburger Hafen jeden Tag mehr als ein Kreuzfahrtschiff ein. Trotz der omnipräsenten Klimaschutzdebatte lassen sich die Touristen nicht beirren: Reisen über die Weltmeere ziehen immer mehr Menschen an. Die Corona-Pandemie bedeutete einen Einbruch, doch schon 2022 war das Passagieraufkommen höher als jemals vor 2018. Der Trend geht klar noch oben.
Die meisten Kreuzfahrtanbieter sprechen von Bemühungen im Klimaschutz, aber nicht alle machen auch etwas. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gibt seit Jahren ein Kreuzfahrtranking heraus. Darin bewertet die Naturschutzorganisation den Fortschritt der Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, Grundlage bilden freiwillige Angaben. Die Unterschiede sind gross. Besser als der Schnitt schneidet die Reederei Hurtigruten ab, zuletzt landete sie zweimal in Folge auf dem Spitzenplatz. Was also macht der norwegische Betreiber besser?
Ortsbesuch auf der «MS Otto Sverdrup» am Kreuzfahrtterminal Steinwerder in Hamburg. Das Schiff startet jeden zweiten Freitag von dort aus Richtung Nordkap, in 14 Tagen geht es entlang der norwegischen Küste und durch schmale Fjorde. Bekannt ist dieser Weg als die Postschiffroute. Die Besonderheit der «Otto Sverdrup»: Das 21 Jahre alte Schiff wurde mit einem Hybridantrieb nachgerüstet.
Das Schiff ist mit grossen Batterien ausgestattet, die Emissionen reduzieren und die Motorleistung unterstützen sollen. Der Hauptantrieb, der auch Energie für den Hotelbereich und das Aufladen der Akkus liefert, läuft jedoch weiterhin mit Marinediesel. Aufgeladen werden können die Batterien auch in Häfen mit passendem Landstromanschluss, was noch keineswegs die Regel ist. In Hamburg etwa können bislang nur viel grössere Kreuzfahrtschiffe Landstrom aus erneuerbaren Quellen nutzen.
Der hybride Antrieb der «MS Otto Sverdrup» funktioniert anders als die aus dem Automobilsektor bekannten Plug-in-Hybride. Von Hurtigruten heisst es, dass die Motoren in der Regel im «optimalen Drehmomentbereich mit dem höchsten Wirkungsgrad» laufen. Bleibt ansonsten ungenutzte Energie übrig, werden die Akkus geladen. Auch bei heiklen Navigationsmanövern in Häfen oder Fjorden brauche es wegen des bereitstehenden E-Motors keinen weiteren Dieselmotor im ineffizienten Stand-by-Modus.
Auch die Gäste profitieren von den Elektromotoren an Bord. Etwa beim Beobachten von Walen kann auf E-Antrieb umgeschaltet werden: So sollen die Tiere angeblich weniger gestört werden – und die Passagiere hören die Stille der norwegischen Küste besser. Ganz lautlos drehen sich die Schrauben der «Otto Sverdrup» natürlich nicht.
Das fast 140 Meter lange und 21.5 Meter breite Schiff ist ein Expeditionsschiff. Hurtigruten will keine Kreuzfahrten mit Tausenden Passagiere anbieten, die jeden Abend ein grosses Entertainment-Programm geniessen können. Passagiere auf der «Otto Sverdrup» sollen auch etwas lernen, so das Versprechen. Es kämen eher Oberstudienräte als klassische Pauschalurlauber an Bord, heisst es. Die Lebensmittel werden zu weiten Teilen in den angelaufenen norwegischen Häfen eingeladen – möglichst frisch und regional solle es sein.
Zur Crew des Schiffes gehören auch Forscherinnen, etwa Meeresbiologen und Ornithologinnen, die Vorträge im «Science Center» halten und Exkursionen mit den Tenderbooten anbieten. Diese grossen Schlauchboote hat die «Otto Sverdrup» genauso wie Kajaks und SUP-Bretter in ihrem Rumpf immer dabei. Eine Tanzfläche oder Wasserrutschen gibt es an Bord hingegen nicht, Fitnessstudio, Saunen und Bar schon. Der besondere Anspruch, der den maximal 530 Gästen geboten wird, hat seinen Preis: Die «Expedition auf den Spuren der Postschiffroute» kostet pro Person ab rund 5'000 Euro in der einfachsten Kabine – Wettbewerber bieten Norwegen-Kreuzfahrten für die Hälfte an.
Aber reicht das alles aus, um eine Kreuzfahrt wirklich umweltverträglich zu gestalten?
Emissionsfrei sind die Kreuzfahrten mit hybriden Antrieben ganz sicher nicht. Der Nabu kritisiert etwa – trotz Platz 1 im Ranking – die fehlenden Russpartikelfilter. Insbesondere in arktischen Gegenden wiege das schwer. Die «MS Otto Sverdrup» punktet aber in anderen Bereichen der Nachhaltigkeit: die regionale Versorgung entlang der Küste Norwegens, der Verzicht auf Plastikflaschen an Bord und die relativ kleine Passagierzahl als Gegenmodell zum Massentourismus anderer Anbieter, die teilweise mit noch dreckigerem Schweröl unterwegs sind.
Klar ist aber auch: Kleiner ist nicht zwangsläufig besser. Zum einen können kleinere Schiffe eher in besonders sensible Lebensräume vordringen – damit wirbt auch Hurtigruten, mit anderen Worten. Zum anderen haben grosse Schiffe womöglich einen geringeren Pro-Kopf-Ausstoss. Hurtigruten hat noch keine eigenen belastbaren Zahlen dazu.
Das Umweltbundesamt gibt an, eine siebentägige Mittelmeerkreuzfahrt, ohne An- und Abreise, bedeute ähnlich hohe Treibhausgasemissionen pro Kopf wie ein Hin- und Rückflug auf die Kanaren: fast zwei Tonnen CO2-Äquivalente. Das sei mehr, als ein durchschnittlicher Deutscher pro Jahr mit Auto, Bus und Bahn verursacht.
Auch der Nabu will sein Ranking nicht als Empfehlung verstanden wissen: «Wir können Kreuzfahrten nicht empfehlen, egal mit welchem Anbieter», heisst es auf Nachfrage von t-online. Es gebe zwar «spannende Ansätze, um emissionsfreie Kreuzfahrten ermöglichen zu können», doch das sei noch Zukunftsmusik. Auch von Hurtigruten heisst es, dass emissionsfreie Kreuzfahrten durch die Nord-West-Passage, nach Patagonien, Spitzbergen oder in die Antarktis noch nicht absehbar seien.
🚢Von #Klima- und Umweltfreundlichkeit ist die #Kreuzfahrt|branche noch weit entfernt, zeigt das große NABU-#Kreuzfahrtranking 2023. 😥Aber es gibt Hoffnung: einige Anbieter treiben den Umweltschutz voran. Bestehende Schiffe bleiben aber schmutzig. 👉https://t.co/2fUI0IX1h8 pic.twitter.com/guLgsC96wc
— NABU (@NABU_de) June 28, 2023
Die Wege zur Klimaneutralität der Schifffahrt sind noch viel zu lang, um sie mit wenigen Schritten gehen zu können. Hurtigruten will möglichst bis 2030 einen grossen Schritt gehen: Dann soll das erste emissionsfreie Postschiff in Dienst gestellt werden. Die Postschiffe verkehren seit 130 Jahren im Linienverkehr zwischen Bergen und Kirkenes an der russischen Grenze, bringen Passagiere, Fahrzeuge und Versorgungsgüter von Süd nach Nord und andersherum. Unterwegs werden 34 Häfen angesteuert. Bis vor wenigen Jahren war die «MS Otto Sverdrup» auch noch auf der traditionellen Postschifflinie unterwegs.
Entlang dieser Linie könnte die für ein emissionsfreies Schiff notwendige Infrastruktur aufgebaut werden. Ausserdem, so die Pläne, soll das neue Postschiff mit einziehbaren Segeln, Solarzellen und KI-optimierten Manövern unterwegs sein. Die extra grossen Batterien sollen auch mit Landstrom gefüttert werden.
Grösse und Kapazität des neuen Schiffs sollen der «Otto Sverdrup» ähneln. Wie genau die technischen Neuerungen zusammenspielen werden, sei noch Gegenstand laufender Forschung. «Einige technologische Lösungen bestehen bereits, müssen aber noch weiterentwickelt werden, um ihren erfolgreichen Einsatz in der Seefahrt zu gewährleisten», erklärte Hurtigruten-Chefin Hedda Felin bei der Vorstellung der Pläne vor wenigen Wochen.
Bis dahin soll die bestehende Flotte der Post- und Expeditionsschiffe auf hybride Antriebe umgerüstet werden. Hurtigruten will Vorreiter sein – in einer Branche, die weit von Sauberkeit entfernt ist. Soll das gelingen, braucht es grosse Investitionen in neue Technologien, auf den Schiffen, aber auch in den Häfen. Die Frage nach dem guten Gewissen bleibt so lange eine persönliche Entscheidung. Und Kreuzfahrten mit rein grünem Gewissen noch eine Vision.
Verwendete Quellen:
Dennoch sollten die Reedereien endlich mehr in die Verantwortung genommen werden, Kreuzfahren sowie Cargo.
Wer jedoch regelmässig fliegt, 1-2 Autos besitzt, evtl. ein EFH hat, 2-4 Kinder und dazu noch regelmässig Billigprodukte shoppt, sollte bei Kreuzfahrten mit Kritik vorsichtig sein, da er ökologisch bereits einen viel grösseren Fussabdruck hinterlässt!
Ich werde nie mehr einen Fuss auf ein Kreuzfahrtschiff setzen, egal wie grün die Schiffe werden.