Ermittlern ist nach jahrelanger Suche ein Erfolg gelungen: Sie konnten den Niederländer Jos Leijdekkers – auch «Bolle Jos» (zu Deutsch: «Dicker Jos») genannt – ausfindig machen. Er ist einer der meistgesuchten Drogenbosse Europas. Leijdekkers ist eine Schlüsselfigur des internationalen Kokainhandels und müsste eigentlich eine lange Haftstrafe absitzen.
Doch nun stehen die Fahnder vor einem Problem. Denn der 33-Jährige befindet sich mit grosser Sicherheit in dem westafrikanischen Land Sierra Leone. Das teilte die niederländische Polizei mit. Es sei allerdings schwierig, den Gesuchten in die Niederlande zu schaffen, da es mit Sierra Leone kein Auslieferungsabkommen gebe und Leijdekkers möglicherweise die Staatsangehörigkeit des Landes angenommen habe, berichtete der öffentlich-rechtliche Sender NOS in den Abendnachrichten «Een Vandaag» am Samstag.
Wie NOS weiter berichtete, sei der Drogenboss auf Bildern gemeinsam mit dem Präsidenten des westafrikanischen Landes gesichtet worden. Der niederländische Sender zeigte eine Videosequenz, die den Kriminellen neben der Tochter des Präsidenten in einer Kirche zeigen soll. Sierra Leone habe eine Scharnierfunktion im Kokainhandel zwischen Südamerika und Europa.
Der Gesuchte steht auf der EU-Liste der meistgesuchten Kriminellen. Er wurde im vergangenen Jahr in den Niederlanden in Abwesenheit wegen des Schmuggels von knapp sieben Tonnen Kokain und der Anordnung eines Mordes zu 24 Jahren Haft verurteilt. Ein belgisches Gericht verurteilte ihn im September wegen Drogenhandels und Körperverletzung zu zehn Jahren Gefängnis. Zuletzt hatten die Fahnder ihn in der Türkei vermutet.
Leijdekkers soll in dem Fall um das Verschwinden und den Tod von Naima Jillal verwickelt sein. Jillal, eine Kokainschmugglerin, verschwand am 20. Oktober 2019, nachdem sie in Amsterdam in ein Auto gestiegen war. Abgefangene Nachrichten enthüllten, dass Leijdekkers eine wichtige Rolle bei Jillals Verschwinden spielte. Lange Zeit fehlte von der Frau mit marokkanischen Wurzeln jede Spur, bis auf einem beschlagnahmten Telefon Fotos gefunden wurden. Die Fotos zeigen, dass sie höchstwahrscheinlich gefoltert wurde und wohl nicht mehr lebt.
Die Behörden gehen davon aus, dass der 33-Jährige mit dem Kokainschmuggel insbesondere über die Häfen Rotterdam und Antwerpen Dutzende Millionen Euro verdient hat. Für Hinweise, die zu Leijdekkers Festnahme führen, wurde eine Belohnung von 200'000 Euro ausgelobt.
Leijdekkers gilt auch als ein Nachfolger des ehemaligen Bosses der sogenannten Mocro Mafia, Ridouan Taghi. Taghi soll neben Kokain-Schmuggel für 70 Morde verantwortlich sein. In den Niederlanden wurden im vergangenen Jahr mehrere führende Köpfe des Netzwerks zu hohen Haftstrafen verurteilt. Der 46-jährige Taghi erhielt im Februar 2024 nach jahrelangem Prozess lebenslang, zwei weitere Hauptdrahtzieher des Bandennetzwerks wurden ebenfalls zur Höchststrafe verurteilt, 14 weitere Angeklagte müssen für bis zu 29 Jahre ins Gefängnis. Nur wenige Monate später sprach ein Gericht auch Delano G., den Mörder des niederländischen Journalisten Peter R. de Vries, schuldig. Er war auf offener Strasse erschossen worden. Er kassierte 28 Jahre hinter Gittern.
Europol spricht im Fall der niederländischen und belgischen Banden nicht von einer Mafia, sondern von zahlreichen kriminellen Netzwerken, die sich um diverse Schlüsselfiguren gebildet hätten. «Diese Netzwerke sind hauptsächlich im Kokainhandel und in geringerem Umfang im Cannabishandel sowie in der Geldwäsche tätig», heisst es in einem im April 2024 vorgestellten Report.
Sierra Leones Regierung teilte mit, dass der Präsident während der Feiertage an zahlreichen Veranstaltungen teilgenommen habe, bei denen Fotos mit verschiedenen Personen gemacht worden seien. Er habe jedoch keine Kenntnis von der Identität Leijdekkers oder der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Die Regierung kündigte eine Untersuchung an. Die Polizei des Landes sei bereit, mit den niederländischen Behörden, Interpol und anderen internationalen Partnern zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig bekräftigte sie ihre Entschlossenheit, transnationale Kriminalität konsequent zu bekämpfen.
Das westafrikanische Sierra Leone gehört trotz reicher Bodenschätze wie Diamanten, Gold und Bauxit zu den zehn am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Auf dem Korruptionsranking der NGO Transparency International landet das Land mit rund 8,5 Millionen Einwohnern und regelmässigen demokratischen Wahlen auf Platz 108 von 180 der korruptesten Staaten. Wie in anderen Küstenstaaten in Westafrika dienen die Häfen als wichtige Anlaufstelle für Drogen aus Südamerika auf dem weiteren Weg nach Europa.
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