Plastik ist zu einem weltweiten Gesundheitsrisiko geworden, dessen Ausmass bisher massiv unterschätzt wurde. Die neue «Lancet»-Studie «Countdown on health and plastics» zeigt eindrücklich, wie umfassend und tiefgreifend die Auswirkungen von Kunststoffen auf Mensch und Umwelt sind – und fordert, dass gesundheitliche Risiken künftig im Zentrum der Plastikdebatte stehen.
Plastikkonsum, insbesondere durch Einwegprodukte, nimmt rasant zu: Von rund 2 Millionen Tonnen im Jahr 1950 ist die weltweite Produktion bis 2022 auf 475 Millionen Tonnen gestiegen – und könnte sich ohne Gegenmassnahmen bis 2060 fast verdreifachen. Mit dieser Expansion geht auch ein massives Umwelt- und Gesundheitsproblem einher, das sich über die gesamte Lebensdauer von Plastik erstreckt – von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung und Nutzung bis zur Entsorgung.
Acht Milliarden Tonnen Plastik verschmutzen mittlerweile den gesamten Planeten, so die Studie – vom Gipfel des Mount Everest bis zum tiefsten Meeresgraben. Weltweit werden weniger als zehn Prozent des Plastiks recycelt. Auch in der Schweiz liegt die Recycling-Quote bei lediglich zehn Prozent: Der Grossteil der jährlich anfallenden 780‘000 Tonnen Kunststoffabfälle landet in Kehrichtverbrennungsanlagen.
Die Folgen des übermässigen Plastikverbrauchs sind verheerend: So wurden die gesundheitlichen Belastungen durch Plastik bislang weitgehend unterschätzt. Chemikalien wie Phthalate, Bisphenole, bromierte Flammschutzmittel oder PFAS (sogenannte Ewigkeitschemikalien) werden mit einer Vielzahl chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter Krebs, Diabetes, hormonelle Störungen, Unfruchtbarkeit, Asthma und Entwicklungsstörungen bei Kindern.
Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNPs) wurden mittlerweile in nahezu allen menschlichen Geweben nachgewiesen – einschliesslich Blut, Plazenta, Lunge, Leber, Niere und sogar im Gehirn. Auch Neugeborene sind betroffen, etwa durch in der Schwangerschaft übertragene Substanzen. Besonders alarmierend ist, dass viele dieser Substanzen nicht dauerhaft an das Kunststoffmaterial gebunden sind, sondern sich mit der Zeit lösen und in Nahrung, Wasser, Luft oder über Hautkontakt aufgenommen werden.
Die ökologischen Folgen verschärfen das Problem zusätzlich. Plastikmüll findet sich weltweit in Böden, Flüssen, Meeren und selbst im arktischen Eis. Tiere verenden an verschluckten Plastikteilen oder erleiden hormonelle Schäden durch Weichmacher und andere Zusatzstoffe. Ganze Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht.
Auch die Klimabilanz ist verheerend: Die Herstellung von Kunststoffen ist hochgradig energieintensiv und stösst jährlich rund 2,45 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente aus. Bei ungebremster Entwicklung könnte die Plastikproduktion bis 2050 rund 20 Prozent des weltweiten Erdölverbrauchs ausmachen und damit den Kampf gegen die Klimakrise zusätzlich erschweren.
Die wirtschaftlichen Schäden durch krankheitsbedingte Ausfälle, medizinische Versorgung und Produktivitätsverluste summieren sich laut der «Lancet»-Studie auf mehr als 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr. Besonders betroffen sind dabei ärmere Länder und benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die oft in der Nähe von Produktionsstätten, Deponien oder Verbrennungsanlagen leben. Der Plastikmüll begünstigt zudem die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue, Zika oder Malaria, da stehende Wasserreste in Plastikabfällen ideale Brutstätten für Mücken bieten.
Als Reaktion auf diese dramatische Lage haben 175 UN-Mitgliedstaaten 2022 beschlossen, ein globales Plastikabkommen («Global Plastics Treaty») zu verhandeln. Dieser Vertrag soll erstmals den gesamten Lebenszyklus von Plastik regulieren – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung.
Die «Lancet»-Studie zieht ausserdem Lehren aus anderen erfolgreich gelösten Umweltproblemen – etwa dem Bleiverbot in Benzin oder dem Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Dabei zeigen die Forschenden auf: Auch die Plastik-Krise ist politisch lösbar, wenn sie als Gesundheitskrise verstanden und entschieden adressiert wird.
Dafür braucht es klare gesetzliche Vorgaben, transparente Daten, unabhängige Forschung, faire Durchsetzung und ausreichende Finanzierung. Schon jetzt zeigen erste Modellrechnungen, dass jeder investierte Dollar in Luftreinhaltung oder Giftstoffregulierung das 30-fache an gesellschaftlichem Nutzen bringen kann.
Und trotzdem werde ich belächelt, wenn ich versuche, für so vieles wie möglich eine Alternative zu finden. Und die gibt es durchaus! Wir alle könnten mit 10% Umgewöhnung so einiges an Plastik einsparen. Aber selbst das ist wohl zuviel verlangt.