Man sieht die Motive immer mal wieder: Papa und Tochter flanieren über den Strand, im Hintergrund nichts weiter als eine riesige Rakete, die nur darauf wartet, gen Himmel gejagt zu werden. Oder: Der Alte und die Junge lachen klatschend bei der Eröffnung eines Strandresorts. Und dann: Staatsdiener halten bei einem offiziellen Event nicht nur dem mächtigen Vater einen Regenschirm, sondern auch dessen Tochter. Oder sollte man sagen: dessen Nachfolgerin?
Dieser Eindruck entsteht mittlerweile vermehrt, wenn auf Fotos, die Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA veröffentlicht, nicht nur Diktator Kim Jong-un zu sehen ist, sondern auch Tochter Ju-ae. Dieses Mädchen, vermutlich zwölf oder 13 Jahre alt, ist zuletzt regelmässig auf Bildern wichtiger Anlässe zu sehen. So etwa am 9. Mai in Moskau, als Russland den Sieg im Zweiten Weltkrieg über Nazi-Deutschland feierte, und die Führung Nordkoreas, als strategische Partnerin, vor Ort war – Tochter Kim inklusive.
Ob Kim Ju-ae eines Tages wirklich die Nachfolge des 41-jährigen Kim Jong-un antreten wird, ist bisher nicht bekannt. Es geht um die Kontrolle eines ganzen Ein-Parteienstaats, inklusive Arbeitslager, Raketenprogramme und Entscheidungen über Hinrichtungen. Ziemlich klar ist dagegen, dass sich Ju-aes persönliche Eignung für so einen Job – der viel Lust an Kontrolle erfordert und wenig Skrupel zulässt – bisher kaum prüfen lässt. Auf Fotos schaut sie mal ernst, mal lächelt sie. Das ist alles, was sich sagen lässt.
Seit 2022 taucht dieses Mädchen aber immer wieder an der Seite des autoritären Staatenlenkers auf. Und da öffentliche Auftritte neben dem nordkoreanischen Diktator in der Vergangenheit ein Hinweis darauf waren, wer die nächste Nummer wurde, spekulieren Experten aus aller Welt: Wird es Kim Ju-ae? Wobei: Wie dringend diese Frage überhaupt ist, darüber wird ebenso spekuliert.
Mehrmals wurden dem korpulenten Kim Jong-un schon schlechte Gesundheit nachgesagt. Als er einmal längere Zeit nicht öffentlich gesehen wurde, vermuteten mehrere Beobachter seinen Tod. Zuletzt aber ging der Nachrichtendienst des verfeindeten Bruderstaats Südkorea davon aus, Kim habe «keine grossen Gesundheitsprobleme.» Dennoch gilt Kim Ju-ae mittlerweile als eine der wichtigsten Kandidatinnen auf die Diktatorennachfolge.
Südkoreas Nachrichtendienst NIS glaubt seit Anfang 2024 fest dran: «Basierend auf einer gründlichen Analyse öffentlicher Aktivitäten und dem Niveau des Respekts für Kim Ju-ae seit ihrem ersten öffentlichen Auftritt scheint sie derzeit die wahrscheinlichste Person für die Nachfolge zu sein», heisst es in einem Statement. Kurz zuvor erklärte Südkoreas damaliger Minister für Wiedervereinigung Kim Young-ho sogar: In aktuell «schwierigen Umständen» wolle Nordkoreas Führung «in Eile» den Fortbestand sichern.
Wie «schwierig» und eilig die Umstände wirklich sind, ist umstritten: Choi Eun-ju, Nordkorea-Expertin beim Thinktank Sejong Institute in Südkorea, sieht den Diktator eher fest im Sattel. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Kim Jong-uns Position gefährdet ist», so Choi. Eher scheint Kim seine Tochter behutsam für Führungsaufgaben aufzubauen. Dies zeigt sich auch darin, dass sie in offiziellen Mitteilungen nicht mehr nur «geliebte», sondern «respektierte» oder «besonders geliebte» Tochter des «Obersten Führers» heisst.
Klar ist: Nordkoreas Staatsideologie gibt kaum Raum für Oberhäupter, die nicht aus der Kim-Familie stammen. Staatsgründer Kim Il-sung, unter dessen Ägide Nordkorea kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Japanischen Kolonialreichs ab 1950 Südkorea angriff, prägte eine straffe Quasireligion namens Juche. Zentraler Bestandteil ist die Verehrung der Kim-Familie. Auf Gründervater Kim Il-sung folgte 1994 dessen Sohn Kim Jong-il, den wiederum 2011 Kim Jong-un beerbte. Könnte es nun eine Frau werden?
Die konfuzianische Prägung in Nordkorea, die Männer als Spitze sozialer Hierarchien sieht, lässt dies erstmal nicht vermuten. Andererseits: Wenn es wirklich ein Kim werden muss, dann könnte es an Alternativen mangeln. «Soweit wir wissen, hat Kim Jong-un drei Kinder, darunter einen Sohn», berichtet Edward Howell, Nordkorea-Experte an der Universität Oxford. Im März 2023 erklärte Südkoreas Nachrichtendienst allerdings, dass Kims Sohn wegen einer Behinderung der Öffentlichkeit ferngehalten werde.
Als wahrscheinlichste Alternative zur Tochter wird Kims jüngere Schwester Kim Yo-jong gehandelt. Seit die 37-jährige im Februar 2018 im Zuge der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang ins verfeindete Südkorea reiste, hat sie sich als zweite Stimme im Staat etabliert. «Ihr Aufstieg bis hierher ist meteoritenhaft», urteilt Edward Howell und sieht in der Schwester des Diktators eine ähnlich starke Kandidatin. «Sie hat sich als fähige Politikerin profiliert, die verschiedene Seiten im Regime zusammenbringen kann.»
Ob es wirklich eine dieser beiden Personen werden kann, steht aber trotz allem in den Sternen. «Die Vorbereitung der Nachfolge ist ein langfristiger Prozess», betont Michael Madden. Als Kim Jong-un 2011 zum Chef der nordostasiatischen Diktatur wurde, hatte er über längere Zeit öffentliche Auftritte seines Vaters beigewohnt, nachdem zuerst dessen Brüder als Favoriten gegolten hatten. Je länger Kim Jong-un an der Macht bleibt, desto häufiger könnten die Karten um seine Nachfolge neu gemischt werden. (aargauerzeitung.ch)
Leider scheint ihn seine Zeit in der Schweiz nicht nachhaltig geprägt zu haben.
Ich denke wir können davon ausgehen, dass leider auch seine Tochter so weitermachen will wie ihr Papa.