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Polen übernimmt EU-Ratsvorsitz

epa11744096 Polish Prime Minister Donald Tusk attends a press conference following a meeting the Nordic and Baltic countries' leaders at the Swedish Prime Minister summer residence, Harpsund, sou ...
Donald Tusk will während Polens Amtszeit die Verteidigungskraft Europas erhöhen.Bild: keystone

Polen übernimmt EU-Ratsvorsitz – und will Europa für den Konflikt mit Russland aufrüsten

Polen hat zum Jahreswechsel den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz übernommen. Die Ziele der Osteuropäer in ihrer Amtszeit sind klar.
01.01.2025, 08:2901.01.2025, 14:07
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Regierungsvertreter des Landes werden damit bis Ende Juni die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln. Dabei geht es vor allem darum, einen möglichst reibungslosen Ablauf der EU-Gesetzgebungsverfahren zu garantieren.

Hoffnung in Brüssel ist, dass die polnische Regierung ihre herausgehobene Rolle nicht so für eigene Zwecke instrumentalisiert wie in den vergangenen sechs Monaten die ungarische. So war der ungarische Regierungschef Viktor Orban im vergangenen Sommer kurz nach Übernahme der Ratspräsidentschaft durch sein Land unabgesprochen nach Moskau und Peking gereist und hatte damit für erheblichen Unmut in den meisten anderen EU-Staaten gesorgt.

Von Polen werden diplomatische Alleingänge dieser Art nicht erwartet – auch weil Regierungschef Donald Tusk das Maschinenwerk der EU besser kennt als viele andere. Tusk hatte 2014 bis 2019 den Posten des hauptamtlichen EU-Ratschefs inne und leitete in dieser Funktion das Gremium der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten.

Motto: «Es geht um Sicherheit, Europa!»

In den sechs Monaten seines Ratsvorsitzes will Polen vor allem Akzente in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik setzen. «Es geht um Sicherheit, Europa!», lautet frei übersetzt das Motto, das die Regierung in Warschau ausgegeben hat. «Wir wollen uns auf sieben Aspekte von Sicherheit konzentrieren: die äussere sowie die innere Sicherheit, aber auch die Sicherheit von Informationen, Wirtschaft, Energie, Gesundheit und Lebensmitteln», sagte Europaminister Adam Szlapka Anfang Dezember bei der Vorstellung des Programms.

Was die äussere Sicherheit angeht, so hat sich die polnische Präsidentschaft vor allem vorgenommen, die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken. Das EU- und NATO-Land will sich ausserdem für «maximale Unterstützung» der EU für die von Russland angegriffene Ukraine einsetzen, wie Aussenminister Radoslaw Sikorski ankündigte. Hier werde man eng mit der neuen EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas und dem für Verteidigung zuständigen EU-Kommissar Andrius Kubilius zusammenarbeiten. Klare Kante will Polen dagegen Russland und seinem Verbündeten Belarus zeigen und für verschärfte Sanktionen kämpfen.

Bei der inneren Sicherheit hat Polen vor allem das Thema Migration und den Kampf gegen Sabotage im Blick. Polen und die EU beschuldigen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Aussengrenze gebracht zu haben, um Druck auf den Westen auszuüben. Im Sommer 2022 hatte Polen die Grenze zu Belarus mit einem 5,5 Meter hohen Zaun und einem elektronischen Überwachungssystem gesichert. Diese ist auch eine EU-Aussengrenze.

«Schutzschild Ost»

Zum Schutz gegen mögliche Bedrohungen investiert Polen derzeit Milliarden in das sogenannte «Schutzschild Ost», eine befestigte Verteidigungslinie an seiner Grenze zu Belarus und zur russischen Exklave Kaliningrad. Es hofft, dass sich europäische Partner an der Finanzierung beteiligen werden.

Regierungschef Tusk schliesst Ukraine-Verhandlungen noch in diesem Winter nicht aus. «Unsere EU-Ratspräsidentschaft wird unter anderem mitverantwortlich dafür sein, wie die Situation in den Verhandlungen aussieht, die im Winter dieses Jahres beginnen könnten», sagte er Anfang Dezember. Kurz darauf machte er bei einem Besuch von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron deutlich: Die Ukraine müsse bei allen Gesprächen anwesend sein.

Präsidentschaft im Wahlkampf

Deutschland und Frankreich, die in der Vergangenheit meist tonangebend innerhalb der EU waren, sind derzeit wegen innenpolitischer Krisen gehemmt. Polen könnte daher seine Ratspräsidentschaft theoretisch nutzen, um sein politisches Gewicht zu steigern. In Brüssel warnten Diplomaten zuletzt aber vor allzu grossen Hoffnungen.

Hintergrund ist die im Mai anstehende Präsidentenwahl in Polen und die damit verbundene Befürchtung, dass Tusks Regierung vor allem diejenigen EU-Projekte fördern könnte, die einem Wahlsieg ihres Lagers dienlich sind. Dazu gehören solche aus den Bereichen der Massnahmen gegen irreguläre Migration sowie Sicherheit und Verteidigung.

Andere, in Polen umstrittene Vorhaben könnten nach diesem Szenario bis nach der Wahl verschleppt oder zumindest wenig engagiert angepackt werden. Dazu werden etwa Umwelt- und Klimaschutzprojekte gezählt. (sda/dpa)

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Quaerentius
01.01.2025 09:06registriert Mai 2022
Das polnische Programm klingt deutlich durchdachter und konkreter als das ungarische! Hoffen wir, sie können in den 6 Monaten ein paar Pflöcke einschlagen!
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Dave Hawtin
01.01.2025 13:18registriert Dezember 2021
Ich bin von Polen echt beeindruckt, die haben mit den EU Geldern und den Kohäsionsmrd wirklich ihr Land modernisiert und Wohlstand entwickelt. Da ist nichts in Korruptionskanälen verschwunden. Ich prognostiziere Polen wird bald eine der grössten Wirtschaftsmächte in Europa. Und sehr gut ist auch, dass sie sich nicht reinreden öassen haben in de Flüchtlingspolitik. Sie haben über 2 Mio UA aufgenommen aber sich all die Probleme aus Afrika und dem nahen Osten fernbehalten. Ein prosperierendes offenes christlich geprägtes Land. Well done Poland. 👍🏻 nach meinem Urlaub dort, positiver Kulturschock
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