Polen-Desaster schlimmer als gedacht: Dieses Haus wurde von eigener Rakete getroffen
Das Bild ging um die Welt: ein Haus in der ostpolnischen Ortschaft Wyryki, unweit der weissrussischen Grenze. Das Dach ist arg zerstört, die Bewohner sind nach eigener Aussage nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Hier war eine der 19 Drohnen heruntergekommen, welche Russland vergangene Woche nach Polen geschickt hat. So zumindest die Annahme.
Jetzt aber stellt sich heraus: Das Haus in Wyryki wurde gar nicht von einer russischen Drohne getroffen. Sondern von einer eigenen, polnischen Rakete. Noch sei die Untersuchung zwar nicht abgeschlossen, aber: «Alles deutet darauf hin, dass das eine Rakete war, die von unserem Flugzeug bei der Verteidigung Polens abgefeuert wurde», sagte der Koordinator der polnischen Geheimdienste, Tomasz Siemoniak, in Warschau.
Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine AIM-120 AMRAAM Luft-Luft-Rakete, die von einem F-16-Kampfjet der polnischen Luftwaffe abgefeuert wurde, berichten polnische Medien. Kostenpunkt der Rakete: je nach Version rund eine Million US-Dollar pro Stück. Die Lenkwaffe habe eine Fehlfunktion im Steuerungssystem gehabt und sei auf das Haus gefallen. Glücklicherweise ist sie nicht detoniert, da das System zur automatischen Entschärfung funktioniert habe, so die Zeitung «Rzeczpospolita».
Tusk verteidigt Armee: «Finger weg von polnischen Soldaten!»
Fest steht: Der Vorfall macht das Desaster bei der Abwehr der Drohnen noch schlimmer. Von den 19 Drohnen, die den polnischen Luftraum verletzt hatten, konnte lediglich deren vier vom Himmel geholt werden. Die anderen flogen teils hunderte Kilometer weiter und stürzten selbstständig ab.
Der Einsatz dermassen teurer Waffen wie der AIM-120 AMRAAM steht in krassem Missverhältnis zu den Kosten, welche die Russen für die Fabrikation ihrer Drohnen haben. Bilder der abgestürzten Fluggeräte zeigen, dass Russland sogenannte «Gerbera»-Billig-Drohnen verwendet hat. Sie kosten nur wenige tausend Franken in der Herstellung. Für zahlreiche Experten ist klar: Schickt Russland wie in der Ukraine zeitgleich ganze Drohnenschwärme, ist die Abwehr mittels Luft-Luft-Raketen heillos überfordert. Erst recht, wenn einige der teuren Hightech-Produkte nicht einmal korrekt funktionieren.
In Polen sorgt der Vorfall um das Haus in Wyryki derweil für eine Kontroverse zwischen dem rechtskonservativen Präsidenten Karol Nawrocki und der Regierung von Premierminister Donald Tusk. Nawrocki zeigte sich empört und forderte sofortige Aufklärung. Nichts dürfe jetzt verheimlicht werden, so Nawrocki.
Tusk reagierte scharf und stellte klar: «Die gesamte Verantwortung für die Schäden am Haus in Wyryki liegt bei den Urhebern der Drohnenprovokation, also bei Russland». Man werde die Öffentlichkeit und den Präsidenten nach Abschluss der Untersuchung über die genauen Umstände informieren. «Finger weg von polnischen Soldaten!», warnte er vorsorglich an die Adresse von Nawrocki.
Den Vorfall politisch auszuschlachten, versucht neben anderen der deutsche AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah. Als Reaktion auf die fehlgeleitete Rakete schrieb er in bestem Kreml-Sprech auf X: «Und deswegen sollte der Nato-Bündnisfall ausgerufen werden.» Nicht Russlands Machthaber Wladimir Putin würde Europa bedrohen, sondern «irre Politiker, die aus dem regionalen Krieg in der Ostukraine einen Weltkrieg machen wollen!»
