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Europa will Drohnen-Killer Skyranger von Rheinmetall aus der Schweiz

Ganz Europa will diesen Drohnen-Killer aus Zürich – nur die Schweiz hat keine Eile

Der in der Schweiz entwickelte «Skyranger» gilt als effiziente Waffe gegen Angriffsdrohnen. Der Mutterfirma Rheinmetall fliegen die Aufträge nur so zu. In der Schweiz wird eine Beschaffung jedoch höchstens ab dem Jahr 2030 ein Thema – obwohl man in der Drohnenabwehr blank dasteht.
18.09.2025, 22:0518.09.2025, 22:05
Remo Hess, Brüssel / ch media

Vergangene Woche schreckte Russland die Nato auf: Mindestens 19 russische Angriffsdrohnen flogen teilweise hunderte Kilometer nach Polen hinein. Nur eine Handvoll konnte abgeschossen werden. Seitdem ist nicht nur für Russlands Machthaber Wladimir Putin, sondern für alle Welt offensichtlich: Es gibt massive Lücken in der Ostflanke der westlichen Verteidigungsallianz.

ILA Berlin 2024 - Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Rheinmetall Boxer Skyranger 30. Ein Luftverteidigungsturmsystem mit kurzer Reichweite, das von der Rheinmetall Air Defence AG und Oerlik ...
Heiss begehrt: Der «Skyranger Oerlikon» der Firma Rheinmetall hat den Ruf des bis dato modernsten Drohnen-Jägers.Bild: www.imago-images.de

Das Gleiche gilt auch für die Schweiz. Verteidigungsminister Martin Pfister sagte gegenüber dieser Zeitung, die Armee habe derzeit keine Möglichkeiten, auf Drohnenattacken wie jene in Polen angemessen zu reagieren. Gegen Drohnen steht die Schweiz wehrlos da.

Dabei gäbe es eine Verteidigungswaffe, die man als «Drohnen-Killer» beschreiben kann. Sie wird in Zürich entwickelt und gefertigt.

Trefferquote 100 Prozent dank «Schrotwolke»

Der «Skyranger» der Firma Rheinmetall ist eines der im Moment begehrtesten Waffensysteme in Europa. Herzstück ist die 30-Millimeter «Oerlikon»-Kanone, benannt nach der althergebrachten Waffenschmiede «Oerlikon-Bührle» in Zürich, die seit 1999 zu Rheinmetall gehört.

Die sogenannte «Revolverkanone» wird von einem Hochleistungs-Radar gesteuert und kann bis zu 1250 Schuss pro Minute abfeuern. Die 35-Millimeter-Variante bringt es auf gut 1000 Schuss, wobei üblicherweise in 20er-Salven auf anfliegende Ziele gefeuert wird. Die «Airbust Munition» ist programmierbar. Das bedeutet, dass sie in unmittelbarer Nähe ihres Ziels explodiert und sich in ungefähr 150 Projektile zerteilt. Mit dieser «Schrotwolke» ist der Skyranger hocheffektiv. Rheinmetall-Chef Armin Papperger sagt, dass jedes dieser Systeme «ein Gebiet von vier mal vier Kilometer komplett drohnenfrei» halten könne. Trefferquote 100 Prozent also laut Hersteller.

Zudem ist der Skyranger hochmobil: Er kann auf etliche Plattformen montiert werden. Zum Beispiel auf einem Piranha- oder Boxer-Radpanzer.

Aktuell produziert Rheinmetall laut Papperger 70 bis 100 Exemplare pro Jahr und plant, die Produktion auf 200 Stück auszubauen. In Zürich will Rheinmetall die Mitarbeiterzahl verdoppeln und rund 600 neue Stellen schaffen.

Als erstes Land überhaupt wird die Ukraine noch dieses Jahr den Skyranger erhalten. Wegen des Kriegsmaterialgesetzes aber mutmasslich nicht aus Schweizer Produktion.

Die deutsche Bundeswehr hat erst einmal 19 Systeme mit der Option auf 30 weitere bestellt. Bis zum Jahresende rechnet Rheinmetall gar damit, dass Deutschland rund 600 Exemplare bestellen wird. Kosten des Grossauftrags: rund acht Milliarden Euro. Aber auch Österreich, Dänemark, Ungarn und die Niederlande haben Aufträge platziert. Polen soll nach der Drohnenattacke laut Medienberichten ebenfalls bei Rheinmetall angeklopft haben.

Schweiz: Kein Geld für schnellen Ersatz von veralteter Fliegerabwehr?

Und die Schweiz? Urs Loher, Chef des Bundesamts für Rüstung Armasuisse, sagte im Oktober vergangenen Jahres, dass man den Skyranger auch für die Schweiz ins Auge fasse. Allerdings dürfte eine Beschaffung erst ab 2030 spruchreif werden, so Loher. Das Problem: Wegen der Lieferfristen wird es locker noch einige Jahre dauern, bis der erste Skyranger den Schweizer Himmel überwacht. Wenn halb Europa heute bei Rheinmetall bestellt, muss sich die Schweiz 2030 ganz hinten in der Warteliste anstellen.

epa11387662 A launcher of the IRIS-T SLM air defense system is on display at the area of Diehl Defence at the ILA Berlin Air Show 2024 in Schoenefeld near Berlin, Germany, 03 June 2024. The aerospace  ...
Eine Rakete kostet ungefähr 400'000 Franken: Das Iris-T-Luftabwehrsystem für mittlere Reichweite ist gegen Drohnen und Drohnenschwärme ungeeignet.Bild: keystone

Müsste die Beschaffung deshalb nicht rascher vorangetrieben werden? Zumal die Schweiz heute bei der Drohnenabwehr blank dasteht, wie Verteidigungsminister Pfister selbst sagt?

Armasuisse verweist auf die Armee, welche für die Rüstungsplanung verantwortlich sei. Dort wiederum teilt ein Sprecher mit, dass die Armee «als Gesamtsystem» weiterentwickelt werde.

Das klingt bürokratisch, heisst bei der Boden-Luft-Verteidigung aber: zuerst die in den USA bestellten Patriot-Luftabwehrsysteme für grosse Reichweiten. Dann die im Rüstungsprogramm 2024 enthaltenen IRIS-T-Abwehrbatterien für Bedrohungen aus mittlerer Entfernung. Und bei der Abwehr für kurze Distanzen, also unter anderem Drohnen, ist eine Beschaffung ab 2032 geplant. Weil erst dann die aktuellen Systeme an ihr Nutzungsende kommen.

Nur: Sowohl die schultergestützten Stinger-Luftabwehrraketen als auch die aus den 1960er-Jahren stammende «M Flab» mit einer 35-Millimeter-Oerlikon-Zwillingskanone sind für die moderne Drohnenabwehr ungeeignet. Das räumt Verteidigungsminister Pfister selbst ein.

Pro Militia, die Vereinigung ehemaliger und eingeteilter Angehöriger der Schweizer Armee, fordert deshalb, dass man jetzt nachjustiert. Die Armee müsse umgehend die Mittel erhalten, um ein neues Luftabwehrsystem für kurze Distanzen zu beschaffen. Das habe das Beispiel Polen gezeigt. Pro Militia empfiehlt in einer Stellungnahme vom Dienstag explizit den Skyranger.

Dafür aber bräuchte es zusätzliches Geld. Deutschland zum Beispiel bezahlt bei einem Stückpreis von 30 Millionen Euro für seine ersten 19 Skyranger knapp 600 Millionen Euro.

Die Skyranger Oerlikon Kanone kann auf allen möglichen Plattformen montiert werden. Hier auf dem Chassis eines Leopard-1-Panzers.
Die Skyranger Oerlikon Kanone kann auf allen möglichen Plattformen montiert werden. Hier auf dem Chassis eines Leopard-1-Panzers.Bild: Angela Micheletto/Rheinmetall

Will die Schweiz sich das kurzfristig leisten? Die Antwort lautet: Wohl kaum. Am Mittwoch versenkte nach dem Nationalrat auch der Ständerat den Antrag für eine zusätzliche Milliarde Franken für die Armee. Die Befürworter wollten damit Munition für die Abwehr von Lenkwaffen beschaffen. Die Argumentation der Gegner lautete: Es wäre zwar nötig, aber die Finanzlage des Bundes lässt es nicht zu.

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259 Kommentare
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Mulumbi
18.09.2025 22:32registriert April 2024
Die Dinger bringen in der CH auch im Moment noch nichts. Die müssen in der Ukraine und an der NATO Ostgrenze stehen. Der beste Schutz für uns und ganz Europa ist eine starke Ukraine und mittelfristig ein militärisch besiegtes RuZZland.
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Tobias W.
18.09.2025 22:49registriert Januar 2017
Ich frage mich, ob ich den Tag noch erleben werde, wenn Europa -und vor allem die Schweiz!! - einsehen, dass wir uns ZUSAMMEN verteidigen müssen. Es würde einen Bruchteil kosten und wir wären alle viel stärker.
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Harry Zimm
18.09.2025 22:14registriert Juli 2016
Man ist einfach nur noch fassungslos über die Naivität, den Dilettantismus und die Ahnungslosigkeit derer in diesem Land, welche eigentlich die Grundpfeiler unserer Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit planen und organisieren sollten. Einfach nur fassungslos…
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