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Bericht: So zieht Putin den Krieg in die Länge

FILE - People watch as Russian President Vladimir Putin delivers his speech after a ceremony to sign the treaties for four regions of Ukraine to join Russia in the Moscow's Kremlin, during a meet ...
Menschen schauen eine Rede Putins und schwenken Fahnen, 30. September 2022.Bild: keystone

Bericht: So zieht Putin den Krieg in die Länge

Im Westen und in Kiew dringt man auf ein siegreiches Kriegsende für die Ukraine – möglichst bald. Doch der Kreml habe andere Pläne, meint ein Experte aus Russland.
01.08.2023, 12:2201.08.2023, 12:30
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Ein Artikel von
t-online

Entgegen aller Hoffnung im Westen und in Kiew stellt sich der Kreml wohl auf einen noch längeren, grösseren Krieg in der Ukraine ein – dieser Meinung ist zumindest Russlandexperte Alexander Gabujew, Direktor des renommierten Carnegie Russia Eurasia Centers in Berlin. Forschte er einst in Russland, arbeitet er nun von Deutschland aus. In einem Gastbeitrag für die US-amerikanische «Financial Times» erklärt er seine Prognose.

Der Kreml - beziehungsweise Wladimir Putin - gehe im Krieg mit der Ukraine jetzt «aufs Ganze», schreibt Gabujew. Das eindeutige Zeichen für ihn: Erst vergangene Woche hatte das russische Parlament, die Duma, ein neues Gesetz verabschiedet, das es dem Kreml ermöglicht, Hunderttausende weitere wehrdienstfähige Männer an die Front in der Ukraine zu schicken. Die Novelle kommentierte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Andrej Kartapolow, mit den Worten: «Diese Änderungsanträge sind für einen grösseren Krieg und eine allgemeine Mobilisierung geschrieben worden. Der Geruch dieses grossen Krieges liegt bereits in der Luft».

Der Kreml glaubt, sich den Krieg leisten zu können

Entscheidend für das Kalkül des Machthabers im Kreml sei, so Gabujew, auch das prognostizierte Wachstum der russischen Wirtschaft um zwei Prozent. Dieser Aufschwung sei in grossen Teilen darauf zurückzuführen, dass die Militärfabriken im Land rund um die Uhr arbeiteten. Trotz der recht einheitlichen westlichen Sanktionen und der zunehmenden ukrainischen Gebietsgewinne durch die Gegenoffensive: In Moskau gehe man davon aus, sich einen längeren Krieg auch finanziell leisten zu können.

Auch die enge Kooperation mit China führt Gabujew als Grund dafür an, dass der Krieg sich ziehen werde. Mikrochips und andere Komponenten für Kriegsgerät werde inzwischen aus China und anderen Ländern geliefert, um sanktionsbedingt ausbleibende Lieferungen aus dem Westen zu kompensieren.

Auch sei der Kreml bei seinen Verteidigungsausgaben handlungsfähiger als angenommen. Die Kriegskasse laufe «vor Bargeld über», schreibt Gabujew – dank unvorhergesehener Gewinne im Energiesektor 2022 sowie der Anpassungsfähigkeit russischer Rohstoffexporteure. Dort habe man es geschafft, immer wieder neue Abnehmer zu finden.

epa10776886 Russian President Vladimir Putin looks on as he attends the Navy Day parade, in St. Petersburg, Russia, 30 July 2023. President Putin announced that the Russian navy will get 30 new ships  ...
Der russische Präsident während einer Parade der Marine.Bild: keystone

Rubel auf Crashkurs ist kein Hindernis

Trotz des jüngsten Absturzes des russischen Rubels könne die russische Zentralbank gegensteuern, indem sie den Rubel bewusst weiter abwerte. Damit sei es möglich, die Bezahlung von Soldaten, inneren Sicherheitskräften und Arbeitern in der Verteidigungsindustrie zu erleichtern. Die Kriegshandlungen liessen sich so weiterführen und die – teils kritisch eingestellten – russischen Eliten auf Linie halten.

Laut Gabujew zeigt sich Putin von der ukrainischen Gegenoffensive weitgehend unbeeindruckt. Im Kreml setze man auf massive Truppenstärke um gegenüber der Ukraine den längeren Atem zu beweisen und letztlich als Sieger aus dem Krieg hervorzugehen. Zum Vergleich: Moskau befehligt drei- bis viermal so viele wehrdienstfähige Männer wie die Ukraine und erweckt öfters den Eindruck, durchaus bereit zu sein, diese als Kanonenfutter einzusetzen.

Durch die neuste Gesetzesänderung soll es einberufenen Russen von nun an zudem nicht mehr möglich sein, die Grenzen zu passieren. So wolle man einen massiven Exodus von Männern im wehrfähigen Alter verhindern, erläutert Gabujew. Gleichzeitig habe man die Strafen für Dienstverweigerung verschärft.

Der letzte Schritt

In letzter Konsequenz sei der Kreml darauf aus, der Ukraine die wirtschaftliche Grundlage für ihre Verteidigung zu entziehen, ist der Forscher überzeugt. Man wolle Kiew jegliche Einnahmequellen nehmen – nicht zuletzt auch durch die Aufkündigung des Getreideabkommens. Zusätzlich führe man gezielt Luftschläge gegen die ukrainische Infrastruktur durch, um ukrainische Städte unbewohnbar zu machen, die Moral der Bevölkerung zu brechen und jede Art von Wiederaufbaubemühungen zu verhindern.

Putin hoffe darauf, mit dieser Strategie auch den Westen zu frustrieren. Sein Ziel laut Gabujew: Eine desillusionierte westliche Allianz schränkt ihre Waffenlieferungen und anderen Hilfe für die Ukraine zunehmend ein. Zwar begehe der Kremlchef weiterhin teils gravierende Fehler, doch sei wie besessen. Bevor die Ukraine nicht zerstört und unterworfen ist, wird Putin nicht lockerlassen. Davon ist Gabujew überzeugt.

(t-online, lec, cli)

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124 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ingmarbergman
01.08.2023 13:03registriert August 2017
Schon die Sowjetunion meinte in den 1980er Jahren, sich ein Wettrüsten mit dem Westen leisten zu können. Putin hat nichts gelernt und begeht den gleichen Fehler gleich noch einmal.
Während die russische Kriegswirtschaft bald 80% des gesamten BIP (das kleiner ist als das von Italien) ausmacht, ist die wirtschaftliche und militärische Hilfe ein tiefer einstelliger Betrage der US-Wirtschaft. Und die USA haben sogar ein strategisches Interesse daran, Waffen in der Ukraine zu testen.

Nun darf der Westen nur nicht den Fehler wiederholen, Russland nach dem Zusammenbruch die Atomwaffen zu lassen.
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butlerparker
01.08.2023 13:11registriert März 2022
Ob RUS gedemütigt oder sich erniedrigt fühlen könnte,sollte von wenig Relevanz sein.Vor allem vor dem Hintergrund der immer weitergehenden Angriffe auf die Zivilbevölkerung.Weiter Rücksicht auf die RUS Befindlichkeiten angesichts von 700.000 verschleppten Kindern (nur einige davon freiwillig mit ihren RUS Eltern), von Folter+Vergewaltigung,von Kastration Kriegsgefangerne vor lfd. Kamera+Morden an Zivilisten tönt wie eine Verhöhnung der Opfer.Dieser Krieg wird erst zu Ende sein,wenn RUS militärisch+ökonomisch am Ende ist,denn der RUS Chauvinismus wird nicht einfach so mit Putin verschwinden
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Chris VoGu
01.08.2023 13:00registriert Juni 2016
Es kocht schon heftig unter dem russischen Pfannendeckel. Das der gesamte Westen mit den USA vom ökonomisch und und technologischen Potential her Russland massivst überlegen ist, ist wohl für jedermann offensichtlich. Militärisch betrachtet hat der Westen ebenfalls noch vieles im Petto an potenteren konventionellen Waffen, die er aus eskalatorischen Gründen in der Hoffnung Putin kommt vorher zur Besinnung, noch zurückhält. Um es bildlichvtu sagen, Putin ist bereits mit "all in" im Spiel, aber der Bluff wird schon sehr bald auffliegen.
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