International
Russland

Kriegszustand in der Ukraine ausgerufen: Was wir wissen – und was nicht

Kriegszustand in der Ukraine ausgerufen: Was wir wissen – und was nicht

24.02.2022, 14:47
Mehr «International»

Die Ereignisse im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine überschlagen sich: Am Montag hatte Kremlchef Wladimir Putin die Separatistengebiete Luhansk und Donezk in der Ostukraine als unabhängige Staaten anerkannt. Heute, Donnerstag, frühmorgens hat er in einer Fernsehansprache einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet: «Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen». Das kommt einer Kriegserklärung gleich.

Wie Putin seinen Entscheid begründet und wie die Ukraine und die Welt auf die Eskalation reagieren, erfährst du hier:

Was wir wissen

❗️Russlands Präsident Wladimir Putin hat heute Nacht grünes Licht für den Einmarsch in der Ukraine gegeben. Er hat einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet.

Den aktuellen Angriff begründet der russische Präsident damit, den Menschen in den «Volksrepubliken» Luhansk und Donezk, «die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind» beistehen zu müssen. Mit dem Einsatz strebe Putin «die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine» an, wie er erklärte.

❗️Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat als Reaktion auf den russischen Einmarsch im ganzen Land den Kriegszustand ausgerufen.

Russland hat nach Angaben des ukrainischen Aussenministers Dmytro Kuleba mit der Militäroperation in der Ukraine begonnen. Kremlchef Wladimir «Putin hat gerade eine grosse Invasion der Ukraine gestartet. Friedliche ukrainische Städte werden attackiert. Das ist ein Angriffskrieg», teilte der Minister am Donnerstag um 4:58 Uhr (Ortszeit mit) auf Twitter mit.

❗️Die Ukraine hat ihre diplomatischen Beziehungen zu Russland abgebrochen und ihren Luftraum komplett geschlossen.

❗️US-Präsident Joe Biden hat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert.

Biden hatte den von Russland «vorsätzlich» begonnenen «Krieg» zuvor bereits verurteilt und weitere Sanktionen angekündigt. Die USA und ihre Verbündeten würden Russland und Putin entschlossen dafür «zur Rechenschaft ziehen», erklärte er.

❗️Der ukrainische Aussenminister fordert die Weltgemeinschaft zum Handeln auf.

❗️Nato geht in Krisenmodus

«Wir haben beschlossen (...) zusätzliche Schritte zu unternehmen, um die Abschreckung und Verteidigung im gesamten Bündnis weiter zu verstärken», heisst es in einer am Donnerstag verabschiedeten Erklärung der 30 Bündnisstaaten. Alle Massnahmen seien und blieben aber «präventiv, verhältnismässig und nicht eskalierend».

❗️Die EU berät über neue Sanktionen gegen Russland.

Die neuen geplanten EU-Sanktionen gegen Russland werden nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Zugang russischer Banken zu den europäischen Finanzmärkten stoppen. Zudem sollen russische Vermögenswerte in der EU eingefroren werden, und wichtigen Sektoren der russischen Wirtschaft soll der Zugang zu Schlüsseltechnologien und Märkten verwehrt werden. Das Sanktionenpaket werde laut EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell das weitreichendste werden, das die Staatengemeinschaft je beschlossen hat.

Was wir nicht sicher wissen

❗️Die Ukraine hat russische Angriffe aus verschiedenen Richtungen gemeldet. Bis um 12.00 Uhr (MEZ) am Donnerstag habe Russland mehr als 30 Attacken mit Flugzeugen, Artillerie und Marschflugkörpern «auf ukrainische zivile und militärische Infrastruktur» ausgeübt, teilte der ukrainische Generalstab mit.

Unabhängig überprüfen liessen sich diese Angaben zunächst nicht. Im Gebiet Tschernihiw, das im Nordwesten an Belarus grenzt, sei der Feind gestoppt worden, hiess es vom Generalstab weiter. «Heftige Kämpfe gehen in Richtung Charkiw weiter.» Die Grossstadt Charkiw liegt im Osten unweit der russischen Grenze. Mariupol am Asowschen Meer sei «unter volle Kontrolle zurückgebracht worden».

Mit Blick auf den Süden des Landes teilte das Militär mit: «In Cherson ist die Situation schwierig.» Die russische Armee starte auch Offensiven von der 2014 von Russland einverleibten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim in Richtung Cherson und Melitopol. Die Rede war zudem von «Sabotage- und Aufklärungsgruppen» im Schwarzen Meer.

Moskau wiederum hatte betont, keine Flugzeuge, Raketen oder Artillerie gegen ukrainische Städte einzusetzen, sondern lediglich gegen militärische Infrastruktur, Luftverteidigung und Flugplätze der ukrainischen Luftwaffe vorzugehen. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Der Kreml liess die Frage, bis wohin russische Soldaten vorrücken wollten, zunächst unbeantwortet.

❗️Die Separatisten haben nach dem russischen Einmarsch in der Ostukraine die Einnahme von zwei Kleinstädten gemeldet.

Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja, teilten die Separatisten mit. Demnach sind Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete. Die Behörden in Kiew bestätigten zugleich das Vordringen der prorussischen Kräfte auf das von ukrainischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiet.

❗️Raketenangriffe auf Munitionslager

Munitionslager im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj und im südostukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk sind mit Raketen angegriffen worden, teilte das Innenministerium in der Hauptstadt Kiew mit. In der westukrainischen Stadt Luzk sei ein Fernsehturm zerstört worden. Ausserdem wurden den Angaben zufolge Kasernen der ukrainischen Streitkräfte im westukrainischen Gebiet Winnyzja und nahe der Hauptstadt Kiew angegriffen. Die Hintergründe waren zunächst unklar.

❗️ Russische Panzer sind in die Ostukraine eingerückt, berichtet der ukrainische Grenzschutz.

Mehrere Kolonnen hätten im Gebiet Luhansk bei Krasna Taliwka, Milowe und Horodyschtsche von russischem Territorium aus die Grenze überquert, teilte die Behörde am Donnerstag mit

Die internationalen Reaktionen

Der Westen wirft Putin vor, gegen das Völkerrecht zu verstossen und die Separatisten zu einem Konflikt mit Kiew anzustiften.

Deutschland kündigte schwere Konsequenzen gegen Moskau an. «Die russische Aggression wird politisch, wirtschaftlich und moralisch einen beispiellosen Preis haben», sagte die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte den Angriff auf das Schärfste. Der «rücksichtslose und unprovozierte» Angriff bringe «die Leben zahlloser Zivilisten» in Gefahr, erklärte Stoltenberg. «Einmal mehr, trotz unserer wiederholten Warnungen und nimmermüden diplomatischen Bemühungen, hat Russland den Weg der Aggression gegen ein souveränes und unabhängiges Land gewählt.»

UN-Generalsekretär António Guterres appellierte an Moskau: «Präsident Putin, im Namen der Menschlichkeit: Bringen Sie Ihre Truppen zurück nach Russland.»

Frankreich warf Russland vor, einen Krieg in der Ukraine erzwingen zu wollen. «Frankreich verurteilt die Strategie der Kriegsprovokation des russischen Präsidenten aufs Schärfste», sagte der französische UN-Botschafter Nicolas de Rivière.

Trotz der Militäroperation hat China noch Hoffnung auf eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise. «Wir glauben, dass die Tür zu einer friedlichen Lösung der Ukraine-Frage nicht vollständig geschlossen ist», sagte der chinesische UN-Botschafter Zhang. Und weiter: «Chinas Position zur Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität aller Staaten ist konsistent, die Ziele und Prinzipien der UN-Charta sollten allesamt aufrechterhalten werden.»

Putin, Nato und der Zankapfel: Der Ukraine-Konflikt einfach erklärt

Video: watson/Vanessa Hann, Emily Engkent

(yam, mit Material der sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
50 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Yolo
24.02.2022 08:00registriert Mai 2015
Ich hoffe sehr, dass die Russen für dieses aggressive Verhalten auf allen Ebenen eine blutige Nase einfangen und die freie Welt mehr als leere Worte und Versprechungen äussert.
844
Melden
Zum Kommentar
avatar
Snowy
24.02.2022 08:45registriert April 2016
Gerade mit einer Freundin in Kiev geschrieben:

Ihr Bruder hat sich gestern freiwillig zum Dienst gemeldet und wird nun an die Grenze kämpfen gehen.

Ganz Kiev sei wie im Schock aber kampfbereit.
Das Putin nun gleich auch die Hauptstadt bombardiert, hätten die meisten nicht für möglich gehalten.

Sie selber hat riesige Angst um ihre Stadt und vor allem ihren Bruder.
Und ich um sie.
803
Melden
Zum Kommentar
avatar
Blanda
24.02.2022 07:46registriert Mai 2015
Wir müssen endlich auf der ganzen Welt jedwede hardliner von ihren Posten entfernen und gegen Neuheitdenkende austauschen.

Ein Mensch hat nur soviel Macht, wie ihm von Anderen Menschen zugestanden wird. Putin oder anderweitige können sich wie Hampelmännchen gebärden.. ginge keiner los, würden sie beschämt daumenlutschend in der ecke sitzen

Weg vom Posten mit den Trotz/Gier und Machthungrigen Köpfen..
718
Melden
Zum Kommentar
50
Als erster Staat aus Europa: Grossbritannien tritt Handelsallianz CPTPP bei
Grossbritannien ist am Sonntag offiziell dem transpazifischen Freihandelsabkommen CPTPP beigetreten. Grossbritannien ist damit das erste neue und das erste europäische Mitglied seit der Gründung 2018.

Der Freihandelszone gehörten schon zuvor Kanada, Japan, Australien und Neuseeland sowie Brunei, Chile, Malaysia, Mexiko, Peru, Singapur und Vietnam an.

Zur Story