Am 23. März kam der russische Soldat Sergey Muraviev bei der Invasion der Ukraine ums Leben. Der 22-Jährige verstarb laut der russischen Armee im Südosten des Landes in der Region Saporischschja. Anschliessend wurde sein Leichnam zurück nach Russland gebracht, in sein Heimatdorf Komary, das nur unweit der Grenze zu Belarus liegt. Dort fand die Beerdigung des Soldaten statt, welche auch Medienschaffende des britischen ITV besuchten.
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Muraviev served in Kaliningrad in the 336th Independent Guards Naval Infantry Brigade before being sent to Ukraine. His mother knew he was going there. She says, ‘the last time he called me, he said “Mum, they’ve promoted me to Able Seaman.”’ pic.twitter.com/QpsFpWTRr9
— Emma Burrows (@EJ_Burrows) April 19, 2022
Ein Bericht des Fernsehsenders zeigt nun, wie effizient die russische Propaganda vor allem in solchen Orten des Landes ist. Komary ist weit weg von den grösseren Städten des Landes. Die nächstgelegene Stadt, Smolensk, liegt vier Autostunden entfernt. Das Dorf ist arm, Zugang zu Medien hat man kaum – so ist praktisch nur das russische Staats-TV verfügbar. In diesem wird seit Beginn der «Spezialoperation», wie der Krieg in Russland genannt wird, immer wieder betont, dass das Ziel der Kampf gegen angebliche Nazis in der Ukraine sei.
Mit diesem Motiv stösst die russische Regierung in Dörfern wie Komary auf einen nährhaften Boden. An kleinen Orten wie diesem im Westen des Landes ist die Erinnerung an den Einmarsch von Nazi-Deutschland noch immer äusserst präsent. Die Armee von Adolf Hitler zog bei ihrem Angriff auf Russland im Jahr 1945 auch durch Komary und liess das Dorf verwüstet zurück – alle Häuser bis auf eines wurden komplett abgebrannt.
It is from this land steeped in blood that Sergey Muraviev made his final journey to Ukraine from the village of Komary. It’s is down a road which is full of potholes, sometimes impassible, and almost entirely off the grid - no gas, limited phone & internet. pic.twitter.com/cEnBM77p5g
— Emma Burrows (@EJ_Burrows) April 19, 2022
Die Angst vor dem Nationalsozialismus ist damit in Komary allgegenwärtig. «Unsere Grossväter und Urgrossväter haben das Land verteidigt», so Svetlana, die Tante des verstorbenen Sergey, «jetzt sind unsere Söhne an der Reihe. Oder auch wir Älteren, falls es uns braucht.»
Putins Krieg befürworte die Familie deshalb trotz der Trauer, so Sergeys Mutter Natalia. Und Tante Svetlana betont, wie gefährlich die Ukrainer gemäss dem, was sie weiss, sein sollen: «Sie sind nicht mal Faschisten. Sie sind Satanisten. Sie terrorisieren friedliche Bürger, Frauen und Kinder. Das muss ein Ende haben.» So habe Putin nur daran Interesse, sein Volk zu schützen, glaubt sie. «Er will helfen – nicht andere Gebiete erobern.»
Der Fall von Sergey zeigt auch, wie hoch der Stellenwert des Militärs in Russland ist. Er habe schon immer davon geträumt, eines Tages Soldat zu werden, erzählt Mutter Natalia. «Wir haben Fotos von ihm zuhause von Fototerminen in der Schule, bei welchen er sagte: ‹Ich will eine Militäruniform tragen!›» Mit 20 Jahren trat er dann der Armee bei. Zuerst diente er in der russischen Exklave Kaliningrad, ehe er in die Ukraine musste. Was genau er dort machte, weiss seine Familie nicht.
Nach seinem Tod im Krieg ist Sergey im vom Nationalsozialismus geprägten Komary nun zu einem Helden geworden. Sein Einsatz und seine Werte sollen deshalb der kommenden Generation weitergegeben werden. Schulkinder schrieben ihm nach seinem Tod Briefe und zeichneten Bilder, die ihn mit Panzern im Krieg zeigen.
These beliefs are already being passed down to the next generation. Russian schoolchildren wrote Sergey Muraviev letters and drew pictures for him after his death: of a tank with a Russian flag under a smiling sky & a ship in Russian colours with missiles & aircraft overhead. pic.twitter.com/GntKZROnFq
— Emma Burrows (@EJ_Burrows) April 19, 2022
Zudem werden die Kinder in der Schule dazu angeregt, den Soldaten in der Ukraine Briefe zu schreiben und sie so bei ihrem «heroischen» Einsatz in der Ukraine zu ermuntern. (dab)
Demokratieverständnis und Freiheit fängt im Kopf an. Dort müsste man ansetzen können.