Ein militärischer Zwischenfall über dem Schwarzen Meer sorgt für neue Spannungen zwischen den USA und Russland. Eine unbemannte US-Militärdrohne stiess am Dienstag laut dem US-Militär über internationalem Gewässer mit einem russischen Kampfjet zusammen. US-Kräfte hätten die Drohne nach der Kollision zum Absturz bringen müssen.
Vom US-Militär hiess es zum Ablauf des Vorfalls, zwei russische Kampfjets hätten ein Abfangmanöver mit der amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 Reaper – zu Deutsch «Sensenmann» – betrieben, die im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer geflogen sei.
Einer der Kampfjets habe dabei den Propeller der US-Drohne getroffen und sei im Grunde in die Drohne reingeflogen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, US-Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen. Durch den Crash habe man die Drohne komplett verloren. Russland weist die Darstellung zurück und verneint, dass es zu einer Kollision kam.
Pentagon-Sprecher Pat Ryder erklärte, der Vorfall habe vermutlich auch an dem russischen Kampfjet einen Schaden verursacht. Die beiden russischen Jets hätten sich etwa 30 bis 40 Minuten in der Nähe der US-Drohne aufgehalten, bevor es zur Kollision gekommen sei. Das US-Militär gab an, vor dem Zusammenstoss hätten die russischen Flieger Treibstoff über der US-Drohne abgelassen und seien mehrfach vor dieser hergeflogen – in rücksichtsloser, umweltschädlicher und unprofessioneller Weise. Dies zeuge von einem »Mangel an Kompetenz«.
Die Amerikaner kritisierten Russland insbesondere dafür, dass der Jet offenbar «unsicher und unprofessionell» gehandelt habe und so für den Vorfall verantwortlich sei. Gleichzeitig bemühte sich die Regierung auffallend, nicht in eine Eskalationsspirale einzusteigen.
So betonte John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, Abfangmanöver dieser Art an sich seien nicht unüblich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite, das zu einem kompletten Verlust der Drohne geführt habe. US-Präsident Joe Biden sei über den Vorfall informiert worden.
Kirby warnte Russland ebenfalls davor, den Vorfall zu eskalieren. Er mahnte den geopolitischen Gegenspieler, dass ein derart unangemessenes Vorgehen russischer Piloten zu «Fehleinschätzungen» zwischen den Streitkräften beider Länder führen könnte. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: «Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat.»
Das russische Verteidigungsministerium hat jede Verantwortung im Zusammenhang mit dem Absturz zurückgewiesen. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, heisst es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung.
Eine Alarmrotte der russischen Luftwaffe sei aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei in das Meer gestürzt, lautete die Darstellung des russischen Militärs. «Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück.»
Später äusserte der russische Botschafter in Washington dann deutliche Vorwürfe an die USA. Es sei offensichtlich, was die USA mit den Drohnen in der Nähe Russlands und der Ukraine bezwecken wollen: «Was machen sie Tausende Meilen entfernt von den Vereinigten Staaten? Die Antwort ist offensichtlich – sie sammeln Geheimdienstinformationen, die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen», so Anatoli Antonow.
Russland gehe davon aus, dass die USA nun einen Schritt zurück machen würden und «die Einsätze in der Nähe der russischen Grenzen einstellen».
Die MQ-9-Reaper-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, sie kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie kann lange in der Luft bleiben und verfügt über Sensoren, die einen weiten Bereich abdecken. Die Drohne wird aus der Ferne gesteuert.
Sie habe einen Routineeinsatz im internationalen Luftraum durchgeführt, «als es von einem russischen Flugzeug abgefangen und getroffen wurde, was zu einem Absturz und dem vollständigen Verlust des MQ-9-Flugzeugs führte», erklärte James Hecker, Kommandeur der US-Luftwaffe in Europa und Afrika. «Die Flugzeuge der USA und der Alliierten werden weiterhin im internationalen Luftraum operieren, und wir fordern die Russen auf, sich professionell und sicher zu verhalten.»
Auf die Frage, ob es Videoaufnahmen von dem Vorfall gebe und ob diese womöglich veröffentlicht werden könnten, verwies Pentagon-Sprecher Ryder darauf, dass dafür ein Freigabeprozess durchlaufen werden müsste, um die Geheimhaltung solcher Bilder aufzuheben. Das Ministerium werde die Öffentlichkeit hierzu auf dem Laufenden halten.
Der Vorfall vom Dienstag ist nicht der erste dieser Art. Er reihe sich ein in eine Serie von gefährlichen Aktionen russischer Piloten mit Flugzeugen der USA und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer, beklagte das US-Militär weiter.
Für die USA ist es dennoch kein Grund, sich aus dem Luftraum dieser Region zurückzuziehen. «Denn das wird nicht geschehen», betonte Kirby. «Wir werden weiterhin im internationalen Luftraum über internationalen Gewässern fliegen und operieren. Das Schwarze Meer gehört nicht einer einzelnen Nation.»
(dab/con/sda)
Das Schweigen Russlands zeigt meiner Meinung auch, dass es nicht geplant war, die Drohne zu beschädigen/zerstören. Sonst würden wir jetzt entsprechende Propaganda/„Siegesmeldungen“ hören. Das Schweigen ist wohl jetzt der nicht-öffentlichen diplomatischen Schadensbegrenzung geschuldet.