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Russland schickt Soldaten ohne Arme und Beine zurück an die Front

Für russische Soldaten, die Beine oder Arme im Gefecht verlieren, geht der Krieg weiter.
Für russische Soldaten, die Beine oder Arme im Gefecht verlieren, geht der Krieg weiter.Bild: imago images / Alexander Polegenko

Russland schickt Soldaten ohne Arme und Beine zurück an die Front

29.10.2024, 09:5830.10.2024, 11:07
Anne-Kathrin Hamilton / watson.de
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Triggerwarnung: Im folgenden Text werden Gewalthandlungen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.

Seit mehr als zwei Jahren schickt Kreml-Chef Wladimir Putin russische Männer in die Ukraine – meist zum Sterben. Russland ist für seine sogenannte «Fleischwolf-Taktik» bekannt. Sprich, Geländegewinne werden durch hohe Verluste erkämpft; Soldaten oftmals in den sicheren Tod geschickt.

Immer mehr Söhne, Väter und Brüder kehren von Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine nicht lebend zurück. Die Nato schätzt die russischen Verluste derzeit auf 600'000 Soldaten ein. Putin will laut Expertinnen und Experten eine Mobilisierungswelle vermeiden, um die Russinnen und Russen bei Kriegslaune zu halten.

Ein russischer Soldat beschießt eine ukrainische Stellung.
Ein russischer Soldat beschießt eine ukrainische Stellung.Bild: Rusian Defense Ministry Press Se / Uncredited

Stattdessen setzt er vermehrt auf Söldner aus dem Ausland oder lockt Vertragssoldaten mit Geld an die Front.

Russland: Verbrannte Leiche wird als «vermisst» angegeben

In manchen Regionen soll sich die Einmalzahlung bereits auf mehrere Millionen Rubel belaufen, schreibt das Kreml-kritische Onlinemedium «Meduza». Die monatliche Zahlung übersteige das Durchschnittsgehalt deutlich.

Doch solch ein Vertrag ähnelt einem Deal mit dem Teufel. Denn: Laut dem Bericht lässt Russland jene Männer nicht mehr so schnell «frei», befinden sie sich erst einmal im Krieg. Das gilt auch für die schwer Verwundeten, die dem Tod nur knapp entkommen sind. Erbarmen gibt es nicht, wie die Berichte von russischen Deserteuren zeigen.

Laut Nato soll Russland bisher 600.000 russische Soldaten verloren haben.
Laut Nato soll Russland bisher 600.000 russische Soldaten verloren haben.Bild: ap

Der Russe Andrey war seit August 2024 als Vertragssoldat an der Front. Am meisten habe er sich vor den ukrainischen Drohnenangriffen gefürchtet, schreibt «Meduza». Es bezieht sich dabei auf die Berichte der «Bereg-Kooperative» unabhängiger Journalistinnen und Journalisten, die sich mit Betroffenen ausgetauscht habe. Die Aussagen können derzeit nicht unabhängig überprüft werden.

Der Russe Andrey erinnert sich an einen verletzten Kameraden, den er nicht retten konnte.

Krieg forever: Russland-Soldaten kommen nicht mehr aus Verträgen

«Er hat mich gebeten, bei ihm zu bleiben. Das Mitleid trieb mir Tränen in die Augen, aber ich konnte nichts tun. Sobald ich heraussprang, ging der gesamte Graben in Flammen auf», berichtet der Russe. Am nächsten Tage habe man die verbrannte Leiche geborgen und der Einheit übergeben. Dort lautete der Befehl, ihn als «vermisst» einzustufen.

Andreys Zweifel an der russischen Invasion wuchsen, er habe darüber nachgedacht, den Vertrag mit dem Verteidigungsministerium aufzulösen. Doch das war ihm zufolge unmöglich.

Zum Hintergrund: Nach der Ankündigung der Mobilmachung im Herbst 2022 wurden alle Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium formell unbefristet.

Laut «Meduza» sieht das Gesetz für russische Vertragssoldaten nur drei rechtliche Gründe für die Entlassung vor:

  1. wenn sie schwer verletzt und für dienstuntauglich erklärt werden,
  2. die Altersgrenze erreicht haben oder
  3. wegen einer Straftat inhaftiert sind

Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Vorgehensweise des russischen Militärs. Die 2022 mobilisierten Russen seien in der Position von «Leibeigenen». Keiner von ihnen, kann dem Krieg den Rücken kehren, ohne im Gefängnis zu landen – selbst wenn sie verletzt sind.

Ukraine-Krieg: Russland-Soldat mit blindem Auge dient als Granatwerfer

Andrey kämpfe seit Monaten mit einem blinden Auge. «In der Nähe von Bachmut gerieten wir in einen Ansturm, ein Panzer schoss auf uns und ein Granatsplitter brach mir das Schlüsselbein», erinnert er sich laut «Meduza». Ein Schrappnel hatte sich dabei verirrt, «flog in mein rechtes Auge und verbrannte die Netzhaut – jetzt kann ich damit nur noch einen schwarzen Fleck sehen.»

Den russischen Offizieren sei das aber egal gewesen. Eine medizinische Untersuchung habe Andrey nie erhalten. Er bat darum, als Fahrer tätig zu sein, doch sie machten aus ihm einen Granatwerfer. «Du wirst es herausfinden, du wirst lernen, mit dem linken Auge zu schiessen», erzählt er. Mit einem Problem: Die Halterungen der Waffe ist für die rechte Hand gemacht, das Visier für das rechte Auge.

Wenn er und seine Kameraden keine Geländegewinne erzielten, zogen die Vorgesetzten brutal über sie her. «Sie sagten, was für verdammte Trottel wir doch sind, dass wir nicht vorankommen, warum zum Teufel tun wir das? Wir werden überhaupt nicht gebraucht und es wäre besser, wenn wir dort sterben würden», sagt der Vertragssoldat.

Wer sich mit den Kommandeuren anlegte, erhielt harte Strafen.

Einige wurden ohne Nahrung oder Wasser im Wald mit Handschellen an einen Baum gefesselt. «Fünf Tage lang. Nur unsere Leute gaben uns Essen, diejenigen, die es verstanden. Und als die Kommission eintraf – die grossen Militärbosse – versteckten sie uns», sagt Andrey.

Auch der Vertragssoldat Sergej berichtet von ähnlichen Vorfällen. Obwohl er im Krieg ein Bein verloren hat, durfte er die Armee nicht verlassen – im Gegenteil.

Putins Genesungsregiment aus verletzten Soldaten

Im Oktober 2023 landete Sergej laut «Meduza» in Richtung Kupjansk in der Einheit Nr. 29760 der 25. motorisierten Schützenbrigade. Er wurde schwer am Bein verletzt und harrte sechs Tage im Graben mit Wasser, Zigaretten, Schmerzmittel Tramadol aus. Seine Kommandeure wollten nicht einmal seine Evakuierung koordinieren. «Scheiss drauf, ihn rauszuziehen – lass ihn verrotten», zitiert Sergej sie.

Dennoch übten seine Kollegen Druck auf das Kommando aus und Sergej landete im Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt war es zu spät für sein Bein, es musste amputiert werde.

Aber der Krieg war für ihn damit nicht vorbei.

Nach dem Krankenhausaufenthalt wurde Sergej einem sogenannten Genesungsregiment zugeteilt, das speziell für verwundete Militärangehörige geschaffen wurde. Statt einer Entlassung wird der Vertragssoldat weiterhin auf dem Truppenübungsplatz in Nischni Nowgorod Mulino festgehalten, wo die Division stationiert sei, heisst es.

Sergejs Dokumente gehen oft «verloren» und in jedem neuen Bericht über die Entlassung des Soldaten wird gebeten, zu erwähnen, dass er angeblich auf Kosten des russischen Verteidigungsministeriums Prothesen ablehnt. «Sie sagen, dass sie mich dann schneller entlassen», erklärt Sergej.

Oftmals werden die Verwundeten «zurück an die Front geschickt – wie lebendes Fleisch», behauptet er weiter.

Russland: «Mit Splitter im Kopf» zurück an die Front

«Die Menschen werden mit dem Versprechen hierher geschickt, dass sie jetzt eine Therapie erhalten. Aber in der Regel warten sie nicht auf eine Behandlung, sondern kehren einfach zurück», zitiert der Bericht einen weiteren Vertragssoldat. Mit Hepatitis, mit HIV, ohne Armoder Bein, mit Splitter im Kopf.

Russian President Vladimir Putin holds a meeting on economic issues via videoconference at the Kremlin in Moscow, Russia, Monday, Oct. 28, 2024. (Mikhail Metzel, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)w
Wladimir Putin zeigt offenbar wenig Erbarmen mit seinen verletzten Soldaten.Bild: keystone

Er habe einen Freund gehabt, dem drei Finger an der Hand abgerissen wurden. Eine Woche später wurde ihm der halbe rechte Arm abgerissen. «Jetzt setzen sie ihm eine Prothese ein – er wird wieder zurückgehen. Bis jeder wie ein Terminator läuft, Prothesen trägt und kämpft», heisst es.

Berichte über «behinderte» Angriffseinheiten sind nichts Neues. «Important Stories» berichtete bereits 2023 darüber. Wer sich über die Zustände beschwere oder mit dem Kommando streite, der wird laut des Berichts schneller als andere an die Front zurückgebracht. Einen Weg aus dem Vertrag gibt es kaum.

«Jetzt kann man nur noch kündigen, wenn man keine zwei Arme, zwei Beine oder einfach keinen Kopf mehr hat», meint ein Vertragssoldat.

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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lumpensammlerin
29.10.2024 11:03registriert Mai 2019
Wie krass muss ein Volk, müssen Soldaten, indoktriniert sein, um das alles mitzumachen? Damit es trotz allem keine Aufstände gibt?

Unvorstellbar für mich.
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Voraus denken!
29.10.2024 11:31registriert März 2022
Das positive daran ist, dass verwundete und wieder im Kampf eingesetzte Soldaten gleichzeitig auch eine Beeinträchtigung für den gesamten ruzzischen Kampf darstellen. Alles wird langsamer, alles wird ungenauer.

Ruzzland ist ein Drecksstaat und muss vollständig isoliert werden. Wer diesem Terrorregime als Steigbügelhalter dient, gehört ebenso geächtet!
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Dante&Lupus
29.10.2024 10:58registriert August 2024
Eigentlich bräuchte ja Russland einen Vormund aber das russische Volk oder zumindest der grösste Teil der russischen Bevölkerung heisst es ja für ok.
Für uns sollte es aber dringenst jetzt die Firmenzelte abbrechen,es kann nur noch gefährlicher werden,wer mit Russland geschäfte machen will.
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18
    Wie sich die Ukraine ohne Amerika verteidigen kann
    Donald Trumps Verrat ist nicht Wladimir Putins Triumph. In Europa werden bisher ungeahnte Kräfte wach.

    Zuerst kappte er die Militärhilfe, jetzt verbietet er auch seinen Geheimdiensten, der Ukraine wichtige Informationen zukommen zu lassen. Donald Trump lässt im Verrat an der Ukraine nichts aus. Trotzdem sieht es nicht so aus, als ob der US-Präsident das geschundene Land in die Knie zwingen könnte. Andriy Zagorodnyuk, der ehemalige Verteidigungsminister, stellt in einem Essay in «Foreign Affairs» klar: «Die Führung der Ukraine hat mit überwältigender Unterstützung der Menschen in der Ukraine entschieden, dass Aufgeben keine Option ist.»

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