International
Russland

Russland lässt seine Topgeneräle an der Front sterben

Russland lässt seine Topgeneräle an der Front sterben – das steckt dahinter

Mindestens fünf Topmilitärs sind binnen vier Wochen in der Ukraine getötet worden. Einen solchen Verlust hat es für die russische Führung wohl seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Die Hintergründe.
22.03.2022, 04:0122.03.2022, 09:20
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Es ist ein Verlust von grosser Symbolkraft – und möglicherweise auch die höchste Opferrate unter Generaloffizieren des russischen Militärs seit dem Zweiten Weltkrieg: Die Armee von Wladimir Putin hat bei ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine offenbar schon mindestens fünf Generalmajore verloren.

FILE - Russian President Vladimir Putin, center, Russian Defense Minister Sergei Shoigu, left, and Head of the General Staff of the Armed Forces of Russia and First Deputy Defense Minister Valery Gera ...
Russlands Präsident Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergei Shoigu (links): Moskau muss bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine große Verluste hinnehmen.Bild: keystone

Dass hohe Offiziere und Generäle im Kampf getötet werden, gilt sonst als eher selten. Eine neue Recherche des US-Magazins «Foreign Policy» deckt nun mögliche Gründe für den gefährlichen Frontaufenthalt der Generäle auf: Mangelnde Disziplin unter den russischen Soldaten sowie Kommunikationsprobleme.

>> Alle aktuellen Entwicklungen im Liveticker

Die Generäle scheiterten demnach daran, die grosse Truppe von fast 200'000 Soldaten – viele von ihnen junge Wehrpflichtige – dazu zu bringen, ihre Befehle zu befolgen, wie «Foreign Policy» unter Berufung auf eines anonymen EU-Offiziellen berichtet. «Sie kämpfen selbst ganz vorne an der Frontlinie, um ihre Befehle durchzusetzen», wird der europäische Regierungsvertreter in dem Bericht zitiert. «Sie müssen an die Front gehen, um Dinge in Gang zu bringen, was sie einem viel grösseren Risiko aussetzt, als sie es normalerweise der Fall wäre.»

Ein Fünftel der russischen Kommandanten getötet

Die Zahl der getöteten Topmilitärs beträgt dem Bericht zufolge mittlerweile schon ein Fünftel der Zahl der in der Ukraine stationierten Kommandanten, die westliche Geheimdienstmitarbeiter auf insgesamt 20 Offiziere schätzen.

Es gehe um mangelnde Bereitschaft der Soldaten, wird der Diplomat weiter zitiert. Russische Generäle seien zeitweise ins Feld gegangen, um sich mit Disziplinarproblemen zu befassen, wie zum Beispiel russische Wehrpflichtige, die Geschäfte und Häuser plünderten. «Sie verlangen, dass Dinge passieren, und sie passieren nicht.»

«Kennzeichen einer undisziplinierten Armee»

Auch andere Experten bewerteten die Lage ähnlich. «Das ist das Kennzeichen einer undisziplinierten und unprofessionellen Armee, die schlecht geführt und schlecht ausgebildet ist, und um das auszugleichen, drängen die Generäle ins Feld», sagte der Pensionierte US-Admiral James Foggo zu «Foreign Policy». Die Topmilitärs seien da draussen und «sie improvisieren das irgendwie».

Erst am Sonntag hatte ein hochrangiger Berater der ukrainischen Regierung erklärt, dass sechs russische Generäle getötet worden seien. Demnach wurde am vergangenen Wochenende der stellvertretende Kommandant der russischen Schwarzmeerflotte, Andrey Paliy, der in den Rang eines Ein-Stern-Admirals befördert werden sollte, von ukrainischen Streitkräften ausserhalb der belagerten Stadt Mariupol erschossen. 

Ukraine will mehrere Kommandeure «eliminiert» haben

Insgesamt sind die Verluste der russischen Armee laut ukrainischen Berichten hoch: Nach Angaben der Ukraine habe Russland bislang 14'700 Personen und 476 Panzer verloren. Auch Kommandeure des Fallschirmregiments aus der russischen Stadt Kostroma nordöstlich von Moskau und des Kosakenregiments aus Stawropol im Süden Russlands seien «eliminiert» worden, teilte die ukrainische Armee am Sonntag mit. Der Kommandeur der 346. Brigade der Sondereinsatzkräfte sei zudem verletzt worden.

In über drei Wochen Krieg will die ukrainische Armee zudem mehrere Dutzend hochrangige russische Offiziere getötet haben. Darunter sollen mindestens sechs Generäle von Armee und Nationalgarde gewesen sein.

Russische Zeitung nennt hohe Opferzahl in Ukraine –  und löscht sie

Russland hatte dagegen bisher von deutlich geringeren Verlusten gesprochen:  Die kremlnahe russische Zeitung «Komsomolskaja Prawda» hat hohe Zahlen angeblich in der Ukraine getöteter Russen veröffentlicht – und später wieder gelöscht. In einem Online-Artikel vom Sonntag war unter Berufung auf das Verteidigungsministerium die Rede von 9'861 russischen Soldaten, die seit Beginn des Kriegs gestorben sein sollen, wie aus einer archivierten Version des Textes hervorgeht. Das wären deutlich mehr als die 498 Toten, die Moskau bislang offiziell bestätigt hat.

Einige Stunden später war die entsprechende Passage aus dem Artikel der «Komsomolskaja Prawda» allerdings wieder verschwunden. Eine Stellungnahme der Zeitung gab es zunächst nicht. 

Weder die Angaben Russlands noch die der Ukraine konnten bislang unabhängig überprüft werden.

((aj,t-online ))

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Raketenangriff auf Einkaufszentrum in Kiew
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
121 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Majoras Maske
22.03.2022 06:38registriert Dezember 2016
Wenn die fast 10000 Toten stimmen, dann fehlen nur noch 4500 weitere, damit Russland die gleiche Opferzahl erreicht wie bei 10 Jahren Afghanistenkrieg. Und das war ebenfalls ein Krieg, welche die Sowjetunion nachhaltig schwächte beziehungsweise auch zu ihrer Auflösung beitrug. Und für Putin ist es auch ein ganz schlechtes Zeichen, dass die Armee so undiszipliniert und ohne Moral ist. Und wer weiss, was passiert, wenn sich die russischen Soldaten plötzlich nicht mehr sinnlos opfern wollen? Es wäre nicht die erste Revolution, die so beginnt.
3086
Melden
Zum Kommentar
avatar
kruemelmonstah
22.03.2022 06:43registriert April 2016
Da wird doch auf beiden Seiten gelogen bis sich die Balken biegen.
Auch umgekehrt, Russland propagiert ja auch, tausende ukrainische Soldaten getötet zu haben und aus ukrainischer Sicht sind es deutlich weniger. Schlussendlich gilt doch nur eins: JEDER getötete Mensch, egal ob russisch oder ukrainisch, ist einer zu viel. Dass das auch im 21. Jahrhundert immer noch nicht alle begriffen haben, ist einfach traurig. Make peace, not war.
29420
Melden
Zum Kommentar
avatar
LURCH
22.03.2022 08:17registriert November 2019
Es wäre an der Zeit dass sich Putin mal an der Front zeigt.
1151
Melden
Zum Kommentar
121
UN-Resolution gegen Wettrüsten im All scheitert an russischem Veto
Eine von den Vereinigten Staaten und Japan eingebrachte Uno-Resolution gegen ein Wettrüsten im All ist im Weltsicherheitsrat an einem Veto Russlands gescheitert.

Die Beschlussvorlage erhielt am Mittwoch im mächtigsten Uno-Gremium in New York 13 von 15 Stimmen. China enthielt sich.

Zur Story