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Putins Arbeiter-Armee in Ukraine: Hungerlöhne und falsche Versprechen

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Russland lockt Arbeiter für den Wiederaufbau in die Ukraine – oft unter falschen Versprechungen.Bild: keystone

Putins Arbeiter-Armee in der Ukraine: Hungerlöhne und falsche Versprechen

24.09.2024, 14:1324.09.2024, 16:28
Sebastian Kohler /
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Russlands Präsident Putin ist mit zahlreichen Problemen konfrontiert, die er sich mit dem Einmarsch in der Ukraine vor zweieinhalb Jahren selbst eingebrockt hat. Westliche Sanktionen bremsen die Wirtschaft, Embargos sorgen für Materialengpässe und in der Bevölkerung schwindet die Unterstützung für den brutalen Angriff auf den Nachbarn.

Um die Ukraine in einem erschöpfenden Krieg doch noch in die Knie zu zwingen, hat Putin deshalb per Dekret angeordnet, die Grösse der Armee auf 1,5 Millionen Soldaten aufzublähen. Dabei hat die russische Streitmacht bereits jetzt Hunderttausende Quadratkilometer verbrannte Erde hinterlassen.

Doch der Kreml will sich keinen Trümmerhaufen einverleiben. Stattdessen sollen den Bewohnerinnen und Bewohnern der eroberten Gebiete lebenswerte Städte geboten werden. Russische Agenturen rekrutieren daher Tausende Arbeiter. Die werden meist unter falschen Versprechungen angelockt und arbeiten unter Lebensgefahr.

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Mariupol ist seit zwei Jahren ein Trümmerhaufen.Bild: keystone

Arbeiter in der Ostukraine zwischen Wiederaufbau und Bombenhagel

Das freie russische Recherchenetzwerk Meduza hat dazu eine Recherche veröffentlicht – mit erschreckenden Details. Der Bericht zeugt von falschen Versprechungen, verschleppten Bauprojekten und Hungerlöhnen. Und von explodierenden Gewinnen bei den Firmen.

Demnach suchen Arbeitsvermittler in Russland händeringend nach Personal für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in der Ostukraine. Während die Agenturen zu Beginn der Besetzung noch regelmässig Updates über den Baufortschritt veröffentlichten, stockt die Arbeit spätestens seit März 2023.

Aus den 1000 Wohnungen und Häusern, die bis dahin fertiggestellt wurden, wichen die staatlich beauftragten Baufirmen zu einer vagen Angabe von «mehreren Hundert» neuen Bauabschlüssen ab. Ob diese bewohnbar sind, ist allerdings fraglich.

Ukraine-Geisterstädte: Lügen über Umstände und Baufortschritte

Ein Arbeiter, der mehrere Monate in verschiedenen ostukrainischen Städten schuftete, weckt daran Zweifel. Der Mann, der sich in dem Artikel Igor nennt, erzählt von rudimentären Arbeiten und unbewohnbaren Verhältnissen.

Demnach beschränkte sich seine Arbeit darauf, Hausfassaden zu errichten. «Im besten Fall bereiten sie die Innenräume für Reparaturarbeiten vor», erklärte der Arbeiter aus St.Petersburg.

Auch Stahl- und Waffenfabrikanten, Callcenter, Brauereien und sogar Reiseunternehmen expandieren von Russland in die besetzten Gebiete. Dabei berichten verschiedene Quellen von niedrigen Löhnen und gefährlichen Arbeitsbedingungen. Für weniger als 1100 Euro im Monat riskierte Igor täglich sein Leben in Donezk.

In der Hauptstadt des ressourcenreichen Donbass, berichtet Igor, schlugen mehrmals täglich Raketen, Drohnen und Bomben ein. «Donezk ist eine absolute Shitshow – ständige Explosionen», erinnert sich Igor. Mindestens 23 Arbeiter wurden während ihres Dienstes getötet. Zwölf davon stattete Wladimir Putin posthum mit einer Auszeichnung für ihren Mut aus.

Russland: Konzern hinterzieht Löhne für Knochenjob

Ganz andere Umstände herrschen in einer anderen Metropole. «In Mariupol ist es sicher, obwohl nicht alle Strassenlaternen funktionieren», erklärt Igor. 25'000 Menschen starben dort bei den russischen Angriffen im Bombenhagel, 95 Prozent der Gebäude wurden zerstört. Dementsprechend spricht Igor von einer «Geisterstadt», in der lediglich volltrunkene Alkoholiker zurückgeblieben seien.

Meduza berichtet über 121 Stelleninserate, die Arbeiter unter falschen Vorzeichen in den Donbass locken. Dabei würden die Unternehmer die schwierigen bis lebensbedrohlichen Umstände verschweigen. Oft blieben Lohnzahlungen für die Arbeitnehmer ganz aus. Davon berichteten selbst die Rekrutierer in Russland.

Gleichzeitig streichen die Leiharbeitsfirmen grosse Gewinne ein. Der Konzern SPK Zeleny Gorod, der in der Ukraine Bauprojekte für Wohnungen, Infrastruktur und Landschaftsarbeiten leitet, konnte seinen Umsatz um 56 Prozent steigern.

Weil immer wieder Arbeiter verletzt werden oder aufgrund der niedrigen Gehälter und gefährlichen Arbeitsbedingungen kündigen, laufen die Online-Inserate für ungelernte Arbeitskräfte in Endlosschleife weiter.

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8 Kommentare
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Lausannois86
24.09.2024 16:16registriert November 2018
"Doch der Kreml will sich keinen Trümmerhaufen einverleiben. Stattdessen sollen den Bewohnerinnen und Bewohnern der eroberten Gebiete lebenswerte Städte geboten werden"
Sagt wer? Die _ussische Propaganda? In Mariupol gibts eine Handvoll neue Bauten, die teilweise mit groben Baufehlern existieren. Die werden noch und nöcher gepusht als Wiederaufbau. Ca 200 Wohnungen für eine Stadt, die mal so gross wie Zürich war? In erster Linie kassieren da ein paar wenige und Arbeiter sowie Bewohner, insbesondere die Ukrainischen Überlebenden, werden ausgenommen und verarscht wies nur geht.
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_andreas
24.09.2024 15:58registriert April 2020
Wie wär es mal nachzuforschen wem diese Unternehmen gehören und welche Personen hauptsächlich davon profitieren?
Warum wurde wohl Schoigu abgesetzt? Weil seine Freunde die Korruption mittels bauten für die russische Armee aufs äusserste getrieben haben. Wird hier wohl nicht viel anderst ablaufen...

Irgendwann gibts in Russland riesen einen Knall und das ganze Land wird zusammenfallen.
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Chrisbe
24.09.2024 18:05registriert Oktober 2019
Ist doch egal, was zählt in Russland schon ein Menschenleben...
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