International
Russland

Russen drohen im TV mit Krieg in Europa: «Es wird keine Gnade geben»

Wladimir Solowjow ist einer von Wladimir Putins wichtigsten Propagandisten. Er verflucht nicht nur Wolodymyr Selenskyj, er droht auch mit Krieg in den Nato-Ländern.
Wladimir Solowjow ist einer von Wladimir Putins wichtigsten Propagandisten. Er verflucht nicht nur Wolodymyr Selenskyj, er droht auch mit Krieg in den Nato-Ländern. screenshot: twitter

«Es wird keine Gnade geben» – russische TV-Stars senden düstere Drohung in Richtung Europa

Im russischen Fernsehen drohen die TV-Moderatoren mittlerweile offen mit einem Krieg in den Nato-Ländern. Die folgenden sieben Beispiele zeigen, dass die Kriegspropaganda in Russland auf Hochtouren läuft.
22.04.2022, 06:0623.04.2022, 08:01
Corsin Manser
Mehr «International»

«Um Ukrainer zu töten, braucht Putin unbedingt die Unterstützung des Krieges innerhalb Russlands», schrieb der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny kürzlich auf Twitter. Kritische Stimmen lässt der russische Präsident deswegen nicht mehr zu. «Russland hat in nur anderthalb Monaten alle unabhängigen Medien, auch die eher zurückhaltenden, abgeschaltet und blockiert», konstatierte der inhaftierte Nawalny.

Kremlkritische Medien wie die Zeitung «Nowaja Gaseta» oder der Radiosender «Echo Moskwy» mussten ihren Betrieb einstellen. Übrig bleiben Propaganda-Kanäle, die nach Putins Pfeife tanzen. Für Meinungsvielfalt bleibt nicht mehr viel Platz, wie das Beispiel von Michael Wasiura zeigt.

«Die Experten, die nicht als Cheerleader für Wladimir Putin auftreten, werden nicht mehr in die TV-Shows eingeladen.»
Michael Wasiura

Wasiura, ein amerikanischer Journalist, wurde früher oft in russische Talk-Shows eingeladen. Er sei eine Art «Box-Sack» gewesen, an dem sich die russischen Experten mit ihren anti-amerikanischen Ansichten abarbeiten konnten, sagte Wasiura in einem Interview mit dem Fernsehsender MSNBC. Aber er habe auch andere Ansichten vertreten können.

Nun sei er im russischen Staatsfernsehen nicht mehr willkommen. Anderen Experten, die von der Linie des Kremls abweichen würden, gehe es ähnlich: «Die Experten, die nicht als Cheerleader für Wladimir Putin auftreten, werden nicht mehr in die TV-Shows eingeladen», so Wasiura.

Was die Russinnen und Russen zu sehen bekommen, wenn sie das Staatsfernsehen einschalten, hat Journalistin Julia Davis in den vergangenen Wochen dokumentiert. Nachfolgend sieben Beispiele:

Krieg gegen Europa

«Wladimir Solowjow ist vielleicht der energischste Kreml-Propagandist der Gegenwart», schreibt das US-Aussenministerium. Solowjow ist ein bekannter TV-Moderator, Journalist und Autor. Er ist gemäss US-Aussenministerium sehr aktiv auf Social Media und betreibt nicht weniger als 17 Telegram-Kanäle.

Im russischen Staatsfernsehen sprach Solowjow nun eine deutliche Drohung in Richtung Europa und Nato aus. Die «militärische Spezial-Operation» in der Ukraine sei in eine neue Phase getreten, so Solojow. Man kämpfe jetzt gegen Waffen und Menschen aus den Nato-Ländern. Dann sagte er:

«Wenn diese Operation zu Ende ist, muss sich die Nato fragen: Haben wir, was es braucht, um uns selbst zu verteidigen? Haben wir die Leute, um uns selber zu verteidigen? Es wird keine Gnade geben. Nicht nur die Ukraine muss denazifiziert werden. Der Krieg gegen Europa und die Welt nimmt immer konkretere Konturen an, was bedeutet, dass wir anders und härter handeln müssen.»
Video: watson

Heiliger Krieg

Solowjow ist bei Weitem nicht der Einzige, der im russischen Fernsehen, die Kriegstrommel rührt. Da wäre etwa Wjatscheslaw Nikonow, der von einem «Heiligen Krieg» spricht. Er ist ein russischer Politiker und gehört seit 1993 der Duma an. Vergangene Woche trat er im Fernsehen auf und sagte:

«Das ist ein Kampf zwischen Gut und Böse. Wir sind auf der Seite des Guten. Gegen die Kräfte des absolut Bösen, das durch die ukrainischen Nazi-Bataillone verkörpert wird.»

Sogar der satanistische Tempel von Salem in Massachusetts unterstütze die Ukraine, so Nikonow. «Wir führen wirklich einen Heiligen Krieg und wir müssen ihn gewinnen.»

Video: watson

Experte krebst zurück

Ein Experte wagte es, zu hinterfragen, weshalb der Krieg in der Ukraine so lange dauert. Die Chefin des Senders «Russia Today», Margarita Simonyan, entgegnete ihm:

«Wir führen einen Krieg gegen die Nato. Wir bekämpfen einen riesigen, bewaffneten Gegner. Vielleicht ist es nicht so einfach für Russland, die ganze Nato dort zu bekämpfen. Es muss objektive Gründe geben, weshalb wir bis jetzt noch nicht gewonnen haben.»

Man müsse den Oberbefehlshaber unterstützen und sich nicht beschweren, so Simonyan. Darauf erwiderte der zuvor kritische Experte nur noch: «Ich habe mich nicht beschwert! Ich habe mich nicht beschwert! Es ist sehr wichtig: Ich habe mich nicht beschwert!»

Simonyan fuhr darauf mit der Argumentation fort, dass Russland die ganze Nato bekämpfe: «Das ist ein Test für uns, wie keine andere Prüfung in unserem Leben zuvor.»

Video: watson

Bomben auf Kiew

Vor rund einer Woche sank das russische Kriegsschiff «Moskwa». Die Reaktionen auf dem staatlichen Fernsehsender «Rossija 1» fielen heftig aus. Moderatorin Olga Skabejewa sagte Folgendes:

«Die russische Spezial-Operation ist bereits zum dritten Weltkrieg geworden. Das ist absolut richtig. Momentan kämpfen wir, wenn nicht gegen die Nato selber, mit Sicherheit gegen die Infrastruktur der Nato. Das sollten alle verstehen. Wir kämpfen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie liefern Waffen 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.»

Ein eingeladener «Experte» konnte sich kaum im Zaum halten. Der Abschuss der Moskwa sei ein hundertprozentiger Kriegsgrund, wetterte er. Es brauche dringend eine entschiedene Antwort darauf. Als Videos von westlichen Regierungsmitgliedern in Kiew abgespielt wurden, meinte er:

«Wir sollten Kiew bombardieren. Dann würden sie nicht mehr kommen. [...] Es gibt nur einen Weg, zu antworten. Wir müssen sie bombardieren, das ist es.»
Video: watson

Auslöschung alles Ukrainischen

Anfang April veröffentlichte die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti einen Artikel, in dem der Ukraine jegliches Existenzrecht abgesprochen wurde (hier kannst du das Wichtigste nachlesen). Der Autor des Artikels, Timofey Sergeytsev, steht mit dieser radikalen Ansicht nicht alleine da.

Man müsse die Vorstellung, dass man Ukrainer sein könne, komplett auslöschen, forderte ein «Experte» auf «Rossija 1». Weiter sagte er:

«Diese Vorstellung muss von Anfang bis Ende ausgelöscht werden. Es vergiftet das Leben slawischer Menschen seit 100 Jahren.»

In Wahrheit handle es sich bei den Ukrainern um Russen, so der «Experte». Man müsse diese umerziehen, doch zuerst müsse man sie «überzeugend besiegen».

Video: watson

Mehr Zensur

Simonyan, die Chefin von «Russia Today», schwärmte Mitte April von der Sowjetunion. Damals sei sie «stolz» gewesen, man müsse an diese Zeiten anknüpfen. Die politische Kultur müsse geändert werden, jetzt sei der Wendepunkt gekommen. Dafür müsse der Satz «Zensur ist verboten» aus der russischen Verfassung gestrichen werden. Zensur ist gemäss Simonyan ein probates Instrument. Sie sagte:

«Keine grosse Nation kann ohne Kontrolle über die Information existieren.»

Früher hätten die Putin-Propagandisten immer versucht, ihn zu überzeugen, dass Russland eine Demokratie sei, twitterte Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland. «Nicht mehr. Heute verteidigen und feiern sie die Diktatur.»

Video: watson

Selenskyj wird verflucht

Zum Schluss noch einmal Solowjow. Der russische TV-Star behauptete vor etwa zwei Wochen fälschlicherweise, dass der ukrainische Präsident kein Jude sei. Er verfluchte Wolodymyr Selenskyj mit seltsamer Stimme und sagte:

«Du bist kein Jude. Du bist kein Gläubiger. Du bist der pure, billige Teufel. Du bist der Teufel. Und deine Sklaven sind kleine Teufel. Du musst gejagt werden, mit dir sollte man nicht verhandeln. Du hast den russisch-orthodoxen Kriegern gezeigt, dass sie nicht nur Nazis bekämpfen, sondern Teufel.»
Video: watson

Du fragst dich, ob die Propaganda bei den Leuten ankommt? Dann lies mal diese Geschichte:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Russische Frauen zerschneiden aus Protest ihre Chanel-Handtaschen.
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
220 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Yolo
22.04.2022 06:42registriert Mai 2015
Willkommen im neuen Faschismus und dieser trägt den Namen Putins Russland.
4693
Melden
Zum Kommentar
avatar
Amadeus
22.04.2022 07:53registriert September 2015
Wladimir Solowjow ist wohl frustriert, weil im die Italiener seine beiden Häuser, die er im ach so bösen Westen am Comer See besitzt, kürzlich beschlagnahmt hat.
1460
Melden
Zum Kommentar
avatar
Päule Freundt
22.04.2022 07:06registriert März 2022
Wenn man solch aggressive Äusserungen wahrnimmt, dann sind die westlichen Sanktionen nicht nur richtig, sondern wir sollten auch in Zukunft generell nicht mehr mit Russland geschäften.

Und zwar zumindest genau solange nicht, wie solch wirklich üble Giftmischer und Giftmischerinnen dort das sagen haben.
1391
Melden
Zum Kommentar
220
Neuer Streik gegen Meloni: Verkehrsbehinderungen und Demonstrationen in Rom und Mailand

Mit einem landesweiten Streik haben Gewerkschaften in Italien erneut gegen die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mobil gemacht. Vor allem in Grossstädten wie Rom und Mailand kam es wie bereits Ende November zu grösseren Behinderungen.

Zur Story