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Russland-Ukraine-Krieg: Militärisches Update aus der Ukraine

«Modernes militärisches Debakel»: Hier steckt der russische Angriff in der Ukraine fest

Der Angriffskrieg Russlands stockt an den meisten Fronten. Ein Überblick.
25.03.2022, 18:20
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Einen Monat nach dem Beginn der Invasion in der Ukraine haben die russischen Streitkräfte die wichtigsten Ziele, die sie sich für ihren Krieg gesetzt haben, noch nicht erreicht. Der Militärstratege Mick Ryan schreibt darum im «The Sydney Morning Herald»: «In vielerlei Hinsicht ist dies das Musterbeispiel für ein modernes militärisches Debakel.»

Flames and smoke rise from a fire following a Russian attack in Kharkiv, Ukraine, Friday, March 25, 2022. (AP Photo/Felipe Dana)
Brände nach einem russischen Angriff in Charkiw, aufgenommen am 25. März 2022.Bild: keystone

Eine Visualisierung dieses militärischen Debakels liefert zum Beispiel die US-Denkfabrik «Institute for the Study of War». Dieses hat militärische Gebietseroberungen der russischen Truppen seit Ausbruch des Krieges in einem Zeitraffer dokumentiert.

>>> Alle Entwicklungen zum Ukraine-Krieg

Zu erkennen ist da: Die Russen sind von mehreren Seiten gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew vorgerückt – zwar nur langsam, aber dennoch stetig. In den letzten Tagen zeigt sich aber: Die ukrainischen Truppen sind fähig, durch Russen besetzte Gebiete zurückzuerobern.

Eine Karte des auf Satellitendaten spezialisierte Forscher Nathan Ruser, der bei der Denkfabrik «Australian Strategic Policy Institute» (ASPI) arbeitet, zeigt das Vorrücken der russischen Truppen in Etappen sowie den Stand der eroberten und zurückeroberten Gebiete am 24. März 2022. Auch hier wird klar: Die russischen Truppen haben zwar stetig Boden gutgemacht, stecken aber an verschiedenen Fronten fest:

Das passierte in den letzten Tagen

Die russische Offensive im Süden und Norden stockt. Seit Tagen sind die Streitkräfte in diesen Gebieten fast nicht mehr vorgerückt. Ryan schreibt, die russische Armee hätte in den letzten Tagen einige Fortschritte erzielt, aber auch diese seien «hart umkämpft und mit hohen Kosten verbunden» gewesen.

Und so würden die russischen Truppen aktuell vor allem Artillerie- und Raketenangriffen auf städtische Gebiete durchführen, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren.

In den letzten 48 Stunden gab es vermehrt Berichte, wonach die ukrainische Armee in offensiven Operationen die russischen Streitkräfte angegriffen hätten. Unter anderem meldete die ukrainische Armee, dass es gelungen sei, eine grosse Zahl russischer Soldaten westlich von Kiew einzukesseln oder den Kiewer Stadtteil Lukyanivka zurückzuerobern.

Auch Irpin soll (in Teilen) zurückerobert worden sein, diese Information ist aber noch nicht verifiziert.

In this satellite photo from Planet Labs PBC, smoke rises after an attack that Ukraine's navy said sank a large Russian landing ship in the port city of Berdyansk, Ukraine, Thursday, March 24, 20 ...
Satellitenbild von 24. März 2022 vom Hafen in Berdyansk. Ein russisches Landungsschiff soll explodiert sein und zwei sollen brennenBild: keystone

Ryan ordnet dieses Vorgehen so ein:

«Wenn die Offensivkapazitäten des Gegners erschöpft sind, die logistische Unterstützung an ihre Grenzen stösst und er aus der Luft verwundbar ist, könnte sich den Ukrainern ein kleines Zeitfenster für Operationen bieten, um einen Teil ihres Territoriums zurückzuerobern.»

Die Planung und Koordinierung solcher Offensivoperationen sei jedoch ein sehr komplexes Unterfangen. Zudem sei nicht bekannt, ob die ukrainische Armee genügend Kapazitäten habe, um die Stellung zu halten.

Überrascht hat am Donnerstag die Explosion eines russischen Landungsschiffes der Alligator-Klasse im Hafen in Berdyansk. Denn Berdyansk galt als von den Russen bereits eingenommen. Zudem sollen zwei weitere russische Landungsschiffe in Flammen gestanden haben. Ob die Schiffe von einer ukrainischen Toschka-U Boden-Boden-Rakete getroffen wurde oder sonstige Einflüsse zu dieser Explosion führte, ist nicht geklärt.

Die Situation in Kiew und im Norden

Der Twitter-Account «Jomini of the West» dokumentiert den russischen Einmarsch in der Ukraine mit detaillierten Karten. Im Norden werden seit dem 22. März vermehrt Gegenangriffen der ukrainischen Armee gemeldet.

Die Autorenschaft hinter dem Twitteraccount geht davon aus, dass die russischen Streitkräfte sich nun darauf konzentrieren würden, ukrainische Angriffe abzuwehren, um Butscha und Hostomel zu halten. Zudem würden sie wohl ihre Verteidigungslinien verstärken und Artillerie sowie Raketensystem so verlegen, dass die Bombardierung von Kiew intensiviert werden könne.

Die Situation im Süden

Auch im Süden scheinen die Russen nicht wie geplant voranzukommen: Der russische Vorstoss auf die Stadt Mykolaiyw wurde zurückgeschlagen. Und auch der Vorstoss nach Odessa scheint erfolgreich gebrochen worden zu sein.

«Jomini of the West» vermutet, dass sich die russischen Streitkräfte in den nächsten Tagen darauf konzentrieren werden, Cherson zu verteidigen. Sowie vereinzelte Angriffe auf Kryvyi Rih durchzuführen.

Die Situation in Charkiw und Mariupol

Die Frontlinie zu den Separatistengebieten im Osten ist die einzige Front, an der in den letzten Tage durch die russische Armee militärische Erfolge erzielt wurden.

«Jomini of the West» vermutet, dass die russischen Streitkräfte in den nächsten Tagen weiterhin versuchen würden, Sjewjerodonezk einzukreisen, Isjum einzunehmen und Mariupol anzugreifen.

(yam)

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20 Kommentare
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Salvatore_M
25.03.2022 19:46registriert Januar 2022
Sich nie zu früh freuen. Sowohl für die ukrainischen Truppen wie für den Westen mit seinen Sanktionen gilt: immer feste druff. Immer nachsetzen. Wenn eine Mauer Risse hat, ist sie noch nicht durchbrochen. Erst wenn die Mauer durchbrochen ist, ist sie auch tatsächlich durchbrochen.

Man soll die Russen ja nicht unterschätzen. Der Westen hat Putin 20 Jahre lang unterschätzt!

Auch über ein angebliches Debakel zu sprechen, ist nicht zielführend. Das Ziel muss sein, dass die russischen Truppen gefälligst auf ihr Territorium zurückgeprügelt werden. Da wo sie hergekommen sind und hingehören.
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El Vals del Obrero
25.03.2022 18:59registriert Mai 2016
Zu befürchten ist leider einfach, dass man dieses Debakel durch mehr Terror gegen Zivilbevölkerung ausgleichen wird. Städte von weitem zu bombardieren oder mit Raketen zu bewerfen ist wohl einfacher als ein Kampf "Mann-gegen-Mann".
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