Kim Jong Un ist in Wladiwostok für ein Treffen mit Wladimir Putin. Der Westen vermutet, dass die beiden Despoten um nordkoreanische Waffenlieferungen für die angeschlagene russische Armee dealen könnten.
Ifang Bremer ist Korrespondent für NK News, ein Newsportal mit Sitz in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, das vor allem über Nordkorea berichtet. Gegenüber ZDF heute sagt er:
An diesen Stücken könnte Putin Interesse haben:
Bei der KN-23 handelt es sich um eine ballistische Kurzstreckenrakete (SRBM). Sie stammt aus Nordkorea und wurde oft mit der russischen Iskander-Rakete verglichen. Letztere wurde von der Sowjetunion ab den späteren 80er-Jahren entwickelt und von Russland 2006 das erste Mal getestet und im Krieg gegen Georgien 2008 das erste Mal eingesetzt.
Auch im jetzigen Angriffskrieg gegen die Ukraine setzt Russland immer wieder Iskander-Raketen ein und nimmt dabei unter anderem zivile Einrichtungen ins Visier, was ein Kriegsverbrechen ist. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit könnte Russland die KN-23 ohne viel Aufwand – etwa durch Anpassen der eigenen Waffensysteme – gegen die Ukraine einsetzen.
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— Dr. Jeffrey Lewis (@ArmsControlWonk) October 12, 2021
2019 testete Nordkorea die KN-23 erstmals. Bisher wurde sie jedoch noch nie in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass sie für Sprengköpfe mit einem Gewicht von bis zu 500 Kilogramm ausgelegt ist – diese können nuklear oder konventionell sein. Die Reichweite beträgt wohl 450 Kilometer oder sogar bis zu 690 Kilometer mit reduzierter Sprengladung. Sie soll ihr Ziel mit einer Abweichung von maximal 35 Metern treffen und könne ausserdem während des Flugs Manöver ausführen, um Abfangsysteme zu umgehen. Dies macht sie potenziell schwieriger zu erkennen und zu bekämpfen als herkömmliche ballistische Raketen.
Jahrzehntelang war die Sowjetunion einer der wichtigsten Partner und Unterstützer Nordkoreas. Gerade militärisch drückte sich dies dadurch aus, dass die Sowjets Nordkorea mit Waffen und militärischem Gerät aus sowjetischer Produktion belieferten.
Nordkorea hat einerseits noch Vorräte an sowjetischer Munition, andererseits bauen auch die von Nordkorea entwickelten Waffensysteme auf sowjetischen Vorbildern auf. Da auch Russlands militärisches Waffenarsenal zu grossen Teilen aus Sowjetzeiten stammt und danach passend weiterentwickelt wurde, könnte die russische Armee die von Nordkorea gelieferte Munition verwenden.
«152- bis 122-Millimeter-Geschosse für die Artillerie und 100 bis 150 Millimeter für die Panzer aus Sowjetunion-Zeiten, die Russland zurzeit immer noch in der Ukraine einsetzt», könnten für Lieferungen nach Russland infrage kommen, wird Ifang Bremer bei «ZDF heute» zitiert.
152-Millimeter-Artilleriegeschosse kommen etwa bei der D-20-Haubitze zum Einsatz, die von der Sowjetunion entwickelt wurde und von Russland auch im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt wird. Sie bieten eine erhebliche Feuerkraft und sind dafür bekannt, verheerenden Schaden anzurichten, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. Die 122-Millimeter-Artilleriegeschosse wiederum kommen bei der D-30-Haubitze zum Einsatz. Auch diese stammt aus sowjetischer Produktion und wird von Russland in der Ukraine eingesetzt. Sie ist wegen ihrer Zuverlässigkeit und Robustheit bekannt.
Die 100-Millimeter-Geschosse für Panzer kommen bei den alten sowjetischen T-54- bzw. T-55-Panzern zum Einsatz. Sie wurden in den 50er-Jahren entwickelt und es gibt längst modernere Panzer auch aus sowjetischer bzw. russischer Produktion. Weil aber die russische Armee bereits etliche modernere Panzer in ihrem Angriffskrieg verloren hat, setzt sie seit diesem Jahr auch wieder auf T-54- und T-55-Panzer.
Infrage kommen weiter 115- und 125-Millimeter-Geschosse. Diese kommen bei den moderneren Panzern zum Einsatz. Im Fall der 115-Millimeter-Munition ist dies der T-62-Panzer, den die Sowjetunion in den 60er- und 70er-Jahren produzierte und der von Russland im jetzigen Krieg eingesetzt wird. Die modernste Form ist die 125-Millimeter-Munition, die vom T-64 sowie T-72, T-80 und T-90 eingesetzt wird. Dort ist allerdings fraglich, über wie viel Munition Nordkorea verfügt.
Es gibt zwei Panzer aus nordkoreanischer Produktion, die solche Munition einsetzen: überarbeitete Chonma-ho-Panzer sowie der neuere Pokpung-ho. Letzterer wird nur von der nordkoreanischen Armee verwendet, basiert aber auf den sowjetischen T-62 und T-72.
Ob und welche Waffen tatsächlich geliefert werden, dürfte sich in absehbarer Zeit an der Front in der Ukraine zeigen.