Am 18. Januar 1944 begannen die Nazis nach über zwei Jahren ihre Belagerung Leningrads – heute St. Petersburg – aufzuheben. Das wird in Russland heute gefeiert. Auch Wladimir Putin nimmt deshalb am Mittwoch an Feierlichkeiten in der westrussischen Metropole teil. Am Nachmittag hat er eine Rüstungsfabrik besucht und zu den Arbeitern gesprochen. Später soll er noch eine Rede halten.
Diese wird bereits mit grosser Spannung erwartet. Experten und Journalistinnen vermuten nämlich, dass der Kreml-Chef den heutigen Gedenktag für eine grosse Ankündigung nutzen könnte.
Am Nachmittag besuchte Putin in seiner Heimatstadt St. Petersburg eine Rüstungsfabrik und wandte sich selbstbewusst an dessen Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Gesamtproduktion an Rüstungsgütern nehme zu, obwohl die Nachfrage aufgrund der «militärischen Spezialoperation in der Ukraine» steige, so Putin in seiner Ansprache. Dies werde Russland zum Sieg inspirieren, welcher zweifellos ihm gehören werde. Mit viel Pathos versuchte er die Moral aller Zuhörenden zu steigern:
Davor hatte Putin an einem Anlass mit Veteranen teilgenommen. Auch dort wiederholte er altbekannte Behauptungen:
"Everything we do today, including the special military operation, is to stop this war" - Putin pic.twitter.com/7VjIlX5A92
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) January 18, 2023
Der Kremlchef sprach also nach wie vor von einer Spezialoperation. Noch ist unklar, wann und wo er eine weitere Rede halten wird.
Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) glaubt, dass Putin in den kommenden Tagen eine zweite Mobilisierungswelle für den Krieg gegen die Ukraine ankündigen könnte. Möglicherweise könnte er dies bei dem für den heutigen Mittwoch geplanten Auftritt in St. Petersburg tun, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Dienstagabend (Ortszeit).
Russian Defense Minister Sergey #Shoigu announced on January 17 that he will implement Russian President Vladimir #Putin’s directive to conduct large-scale military reforms between 2023-2026 to expand #Russia’s conventional armed forces.https://t.co/nGf4QZDRhc pic.twitter.com/uocwUZCzMh
— ISW (@TheStudyofWar) January 18, 2023
Putin könnte die Gelegenheit auch nutzen, um der Ukraine den Krieg zu erklären, hiess es weiter. Damit müsste die Invasion in der Ukraine, die Ende Februar 2022 begann, im offiziellen Sprachgebrauch nicht mehr «militärische Spezialoperation» genannt werden. Bisher wird die öffentliche Verwendung des Begriffs «Krieg» strafrechtlich geahndet.
Die Denkfabrik ISW beruft sich unter anderem auf russische Militärblogger. Auch ukrainische und westliche Geheimdienste warnten wiederholt vor Putins Mobilisierungsvorbereitungen für Mitte Januar, hiess es weiter.
Russian non-official mil. reporter channels, ahead of Putin's suspected special announcement tomorrow (not confirmed), are spreading this message that "tomorrow the SMO will officially end". They suspect it could mean a change of status of the war, though this is pure speculation pic.twitter.com/F4h19iDc0R
— Dmitri (@wartranslated) January 17, 2023
Das russische Medium Volya Media, welches auf Telegram aktiv ist, hat sich im Umfeld des Präsidenten umgehört, um Anhaltspunkte für die anstehende Rede zu gewinnen.
Gemäss Quellen in der Präsidialverwaltung soll Putins Rede Militärangehörigen und allen Unterstützern des Krieges gewidmet werden. Zudem wolle er sich an diejenigen wenden, die sich vor der Mobilisierung drücken, es vorhaben oder es bereits getan haben. Es sei Zeit, sich zu entscheiden, ob man für die Russische Föderation sei oder nicht.
Sie fügen jedoch an, dass Putin eine Generalmobilmachung wohl nicht auf diesem Wege verkünden würde.
Laut Quellen des Sicherheitsrates wird Putin betonen, dass er sich nicht im Krieg mit der Ukraine, sondern mit der NATO und den USA befinde. Demnach benützten die NATO und die USA die Ukraine bloss als Deckung und hätten damit begonnen, russische Territorien zu beschiessen. Sollte diese Situation weiter eskalieren, werde Russland mit dem Kriegsrecht und einem umfassenden Vergeltungsschlag reagieren.
Die Quelle im Sicherheitsrat erwartet grosse Worte von Putin:
Gemäss zweier Quellen ist es möglich, dass Putin zwischen dem 1. und 10. Februar das Kriegsrecht verhängen wird. Möglicherweise werde er auch sagen, dass Russland seine Armee im Falle einer Eskalation ausbauen müsse. Sie glauben aber, dass Putin vor konkreten Erklärungen zum Kriegsrecht und einer neuen Mobilisierungswelle zurückschrecken wird.
Wie auch die Quellen in der Präsidialverwaltung vermuten auch die Quellen im Sicherheitsrat, dass sich Putin an Desertierende wenden wird. Er werde ihnen eine klare Nachricht zukommen lassen, dass ein solches Verhalten in Russland inakzeptabel sei.
Die Zeiten für Putin-Kritiker dürften im Land tatsächlich bald noch härter werden: Der russische Präsident hat der Staatsduma am Dienstag Gesetzesentwürfe zum Austritt aus den Europäischen Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und zur Bekämpfung des Terrorismus vorgelegt.
Auch Volya Media gibt eine Einschätzung zu Putins anstehender Rede ab. Putin versuche fast immer, sich vor der Verantwortung für seine öffentlichen Äusserungen zu drücken. Aus diesem Grund schiebe er diese häufig auf seine Untergebenen ab. So seien die Details der Mobilisierung beispielsweise vom russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu und nicht von Putin verkündet worden.
Volya Media verweist auch auf Putins Neigung, seine Entscheidungen im letzten Moment zu ändern. Dies geschehe immer wieder bei Ernennungen und Rücktritten von Gouverneuren, Ministern und anderen Funktionsträgern. Putin werde eine Liste vorgelegt, er nicke, nenne schlussendlich aber ganz andere Namen. Was Putin auch immer im Vorfeld mit seinen Untergebenen besprochen haben mag: Es heisst noch lange nicht, dass das auch so eintreten wird.
Volya fasst zusammen:
Zu guter Letzt werde Putin natürlich wieder betonen, dass die Sonderoperation nach Plan verlaufe und Russland seine Ziele erreiche. Dass er der Ukraine den Krieg erklärt, glauben sie aber nicht.
Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hatte am Dienstag einen weitreichenden Umbau der russischen Armee angekündigt, um die vom Kreml geforderte Aufstockung der Truppenstärke umzusetzen. Nur durch strukturelle Veränderungen der Streitkräfte sei es möglich, Russlands Sicherheit zu gewährleisten, sagte Schoigu bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hatte Putin kurz vor Silvester angekündigt, die Zahl der Soldaten von 1,15 auf 1,5 Millionen zu erhöhen.
Ob der Umbau der russischen Armee und die Aufstockung der Soldaten mit einer möglichen Ankündigung des Krieges zusammenhängt, wird sich zeigen. (saw)
Hoffen darf man ja!
Man kann wohl davon ausgehen, dass Putins Rede in eine ähnliche Richtung gehen wird. Schauen wir mal, ob sie noch wirrer als die von Lawrow wird.
Aber deutet schon viel darauf hin, dass Putin seine Bevölkerung auf einen totalen Krieg einstimmen will.