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Putin hält heute eine Rede – er könnte der Ukraine den Krieg ankündigen

Putin hielt eine Ansprache über den Kriegsverlauf: «Diese Rede ist ein Signal»

Heute vor 80 Jahren begann das Belagerungsende von St. Petersburg – ehemals Leningrad. Wladimir Putin nahm an den Feierlichkeiten teil.
18.01.2023, 14:2119.01.2023, 08:41
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Am 18. Januar 1944 begannen die Nazis nach über zwei Jahren ihre Belagerung Leningrads – heute St. Petersburg – aufzuheben. Das wird in Russland heute gefeiert. Auch Wladimir Putin nimmt deshalb am Mittwoch an Feierlichkeiten in der westrussischen Metropole teil. Am Nachmittag hat er eine Rüstungsfabrik besucht und zu den Arbeitern gesprochen. Später soll er noch eine Rede halten.

Diese wird bereits mit grosser Spannung erwartet. Experten und Journalistinnen vermuten nämlich, dass der Kreml-Chef den heutigen Gedenktag für eine grosse Ankündigung nutzen könnte.

Putin spricht in Rüstungsfabrik und zu Veteranen

Am Nachmittag besuchte Putin in seiner Heimatstadt St. Petersburg eine Rüstungsfabrik und wandte sich selbstbewusst an dessen Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Gesamtproduktion an Rüstungsgütern nehme zu, obwohl die Nachfrage aufgrund der «militärischen Spezialoperation in der Ukraine» steige, so Putin in seiner Ansprache. Dies werde Russland zum Sieg inspirieren, welcher zweifellos ihm gehören werde. Mit viel Pathos versuchte er die Moral aller Zuhörenden zu steigern:

«Es ist die Einheit und der Zusammenhalt des russischen und multinationalen russischen Volkes, der Mut und das Heldentum unserer Kämpfer ... und natürlich die Arbeit des militärisch-industriellen Komplexes und Fabriken wie die Ihre und Menschen wie Sie.»
Employees of the Almaz-Antey Corporation's Obukhov Plant listen to Russian President Vladimir Putin in St. Petersburg, Russia, Wednesday, Jan. 18, 2023. (Ilya Pitalev, Sputnik, Kremlin Pool Photo ...
Mitarbeitende der Obhuk-Rüstungsfirma. Bild: keystone

Davor hatte Putin an einem Anlass mit Veteranen teilgenommen. Auch dort wiederholte er altbekannte Behauptungen:

«Alles, was wir heute im Rahmen der militärischen Sonderoperation tun, ist ein Versuch, diesen Krieg zu beenden. Das ist der Sinn unserer Operation – der Schutz der Menschen, die in diesen Gebieten leben.»

Der Kremlchef sprach also nach wie vor von einer Spezialoperation. Noch ist unklar, wann und wo er eine weitere Rede halten wird.

Im späteren Verlauf des Tages hat Putin keine weiteren Reden gehalten. Die nachfolgenden Einschätzungen beinhalten Spekulationen, die im Vorfeld über eine mögliche Rede verfasst wurden.

Einschätzung des ISW

Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) glaubt, dass Putin in den kommenden Tagen eine zweite Mobilisierungswelle für den Krieg gegen die Ukraine ankündigen könnte. Möglicherweise könnte er dies bei dem für den heutigen Mittwoch geplanten Auftritt in St. Petersburg tun, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Dienstagabend (Ortszeit).

Putin könnte die Gelegenheit auch nutzen, um der Ukraine den Krieg zu erklären, hiess es weiter. Damit müsste die Invasion in der Ukraine, die Ende Februar 2022 begann, im offiziellen Sprachgebrauch nicht mehr «militärische Spezialoperation» genannt werden. Bisher wird die öffentliche Verwendung des Begriffs «Krieg» strafrechtlich geahndet.

epa10412791 Russian President Vladimir Putin lays flowers at the Motherland monument at Piskaryovskoye Memorial Cemetery in St. Petersburg, Russia, 18 January 2023, marking the 80th anniversary of the ...
Putin auf dem Weg zu einem Gedenkmonument in St. Petersburg.Bild: keystone

Die Denkfabrik ISW beruft sich unter anderem auf russische Militärblogger. Auch ukrainische und westliche Geheimdienste warnten wiederholt vor Putins Mobilisierungsvorbereitungen für Mitte Januar, hiess es weiter.

Das sagen Quellen

Das russische Medium Volya Media, welches auf Telegram aktiv ist, hat sich im Umfeld des Präsidenten umgehört, um Anhaltspunkte für die anstehende Rede zu gewinnen.

Präsidialverwaltung

Gemäss Quellen in der Präsidialverwaltung soll Putins Rede Militärangehörigen und allen Unterstützern des Krieges gewidmet werden. Zudem wolle er sich an diejenigen wenden, die sich vor der Mobilisierung drücken, es vorhaben oder es bereits getan haben. Es sei Zeit, sich zu entscheiden, ob man für die Russische Föderation sei oder nicht.

Sie fügen jedoch an, dass Putin eine Generalmobilmachung wohl nicht auf diesem Wege verkünden würde.

Sicherheitsrat

Laut Quellen des Sicherheitsrates wird Putin betonen, dass er sich nicht im Krieg mit der Ukraine, sondern mit der NATO und den USA befinde. Demnach benützten die NATO und die USA die Ukraine bloss als Deckung und hätten damit begonnen, russische Territorien zu beschiessen. Sollte diese Situation weiter eskalieren, werde Russland mit dem Kriegsrecht und einem umfassenden Vergeltungsschlag reagieren.

Die Quelle im Sicherheitsrat erwartet grosse Worte von Putin:

«Diese Rede ist ein Signal an alle Eliten, die daran gezweifelt haben, dass wir gewinnen werden. Alle, die sich noch winden, werden auf die Strasse geworfen. Wir werden den Menschen in den Hintern treten, damit sie begreifen, dass die Zeit für das riesige Land gekommen ist, in den Todeskampf zu ziehen.»

Gemäss zweier Quellen ist es möglich, dass Putin zwischen dem 1. und 10. Februar das Kriegsrecht verhängen wird. Möglicherweise werde er auch sagen, dass Russland seine Armee im Falle einer Eskalation ausbauen müsse. Sie glauben aber, dass Putin vor konkreten Erklärungen zum Kriegsrecht und einer neuen Mobilisierungswelle zurückschrecken wird.

Wie auch die Quellen in der Präsidialverwaltung vermuten auch die Quellen im Sicherheitsrat, dass sich Putin an Desertierende wenden wird. Er werde ihnen eine klare Nachricht zukommen lassen, dass ein solches Verhalten in Russland inakzeptabel sei.

Die Zeiten für Putin-Kritiker dürften im Land tatsächlich bald noch härter werden: Der russische Präsident hat der Staatsduma am Dienstag Gesetzesentwürfe zum Austritt aus den Europäischen Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und zur Bekämpfung des Terrorismus vorgelegt.

Einschätzung von russischen Journalisten

Auch Volya Media gibt eine Einschätzung zu Putins anstehender Rede ab. Putin versuche fast immer, sich vor der Verantwortung für seine öffentlichen Äusserungen zu drücken. Aus diesem Grund schiebe er diese häufig auf seine Untergebenen ab. So seien die Details der Mobilisierung beispielsweise vom russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu und nicht von Putin verkündet worden.

Volya Media verweist auch auf Putins Neigung, seine Entscheidungen im letzten Moment zu ändern. Dies geschehe immer wieder bei Ernennungen und Rücktritten von Gouverneuren, Ministern und anderen Funktionsträgern. Putin werde eine Liste vorgelegt, er nicke, nenne schlussendlich aber ganz andere Namen. Was Putin auch immer im Vorfeld mit seinen Untergebenen besprochen haben mag: Es heisst noch lange nicht, dass das auch so eintreten wird.

Volya fasst zusammen:

«Unserer Meinung nach wird Putin diese Rede nutzen, um die bevorstehende Verschärfung der Feindseligkeiten anzukündigen, zu Einheit und Geschlossenheit aufzurufen und den unklaren Verlauf des Krieges damit zu erklären, dass sich Russland im Krieg mit dem kollektiven Westen befindet.»

Zu guter Letzt werde Putin natürlich wieder betonen, dass die Sonderoperation nach Plan verlaufe und Russland seine Ziele erreiche. Dass er der Ukraine den Krieg erklärt, glauben sie aber nicht.

Was Russland derzeit macht

Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hatte am Dienstag einen weitreichenden Umbau der russischen Armee angekündigt, um die vom Kreml geforderte Aufstockung der Truppenstärke umzusetzen. Nur durch strukturelle Veränderungen der Streitkräfte sei es möglich, Russlands Sicherheit zu gewährleisten, sagte Schoigu bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hatte Putin kurz vor Silvester angekündigt, die Zahl der Soldaten von 1,15 auf 1,5 Millionen zu erhöhen.

Ob der Umbau der russischen Armee und die Aufstockung der Soldaten mit einer möglichen Ankündigung des Krieges zusammenhängt, wird sich zeigen. (saw)

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139 Kommentare
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WTF2023
18.01.2023 14:35registriert Dezember 2022
Vielleicht wird er auch seinen Rücktritt verkünden....
Hoffen darf man ja!
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Rüdiger77
18.01.2023 14:30registriert Oktober 2022
Lawrow hat heute schon davon schwurbelt, dass einzig die USA Schuld am russischen Einmarsch in die Ukraine sei, und dass die USA die Ukraine mit der Zerstörung Russlands und einem Genozid am russischen Volk beauftragt habe.

Man kann wohl davon ausgehen, dass Putins Rede in eine ähnliche Richtung gehen wird. Schauen wir mal, ob sie noch wirrer als die von Lawrow wird.
Aber deutet schon viel darauf hin, dass Putin seine Bevölkerung auf einen totalen Krieg einstimmen will.
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banda69
18.01.2023 15:09registriert Januar 2020
...und derweilen äussert sich der Putinversteher und subventionierte Kleinverleger Roger Köppel zum WEF und die "Propaganda" gegen Russland. Zum mörderischen Angeiffskrieg der Russen verliert er kein Wort. Im Gegenteil. Er hetzt lieber gegen die Ukraine, Nato und EU. Einfach nur ekelhaft diese SVPler. Aber das ist man sich ja seit Jahrzehnten gewohnt.
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