Die FAB-1500 ist eine Bombe aus sowjetischer Produktion. Die russischen Truppen setzen sie seit ein paar Monaten in der Ukraine ein – mit durchschlagendem Erfolg.
Zu Beginn des Krieges musste sich die ukrainische Armee primär gegen die russische Artillerie verteidigen. Diese Aufgabe meisterten die ukrainischen Truppen: Die Verteidigungslinien im Osten der Ukraine sind gut ausgebaut und halten gar schweren Artillerie-Angriffen stand.
Doch inzwischen setzt der Aggressor auf Gleitbomben mit grosser Durchschlagskraft. Die ukrainischen Verteidiger fürchten besonders die FAB-1500, die ihren Verteidigungsanlagen grosse Schäden zufügen kann – russische Militärblogger nennen sie auch «Gebäudezerstörer».
Exemplarisch zeigte sich die Bedeutung der Gleitbomben bei der russischen Eroberung von Awdijiwka im Februar. Die Stadt war eine regelrechte Festung, ein Bollwerk innerhalb der ersten Verteidigungslinie der ukrainischen Armee. Inzwischen ist davon fast nichts mehr übrig. Vor dem Rückzug der ukrainischen Verteidiger im Februar 2024 attackierte die russische Luftwaffe die Stadt mit bis zu 80 Gleitbomben pro Tag. Die Verteidigungsanlagen wurden dadurch zu Geröllhaufen.
Ein ukrainischer Soldat, der in der nahe Awdijiwka gelegenen Stadt Krasnohoriwka stationiert ist, sagte gegenüber CNN:
Das habe grossen Einfluss auf die Moral der Truppen. Nicht alle könnten das aushalten.
Die FAB-1500 ist eigentlich eine vertikal fallende Fliegerbombe aus der Sowjetzeit, doch die russische Armee kann sie mit wenig Aufwand zu einer Gleitbombe aufrüsten. Was es braucht, sind ausklappbare Flügel und ein einfaches Navigationssystem.
FKP "Plant named after. Y. M. Sverdlov" in Dzerzhinsk, Nizhny Novgorod region.
— Massimo Frantarelli (@MrFrantarelli) March 21, 2024
MoD RF: "Production of FAB-500 aerial bombs was increased many times at the enterprise, production of FAB-1500 was doubled, and since February mass production of FAB-3000 was organized."
/March 21/ pic.twitter.com/EPJW10wiIW
Die Gleitbomben werden von einem Flugzeug abgeworfen und finden mit grosser Präzision ihr Ziel. Die Flügel sorgen für mehr Reichweite: Russland behauptet, man könne damit Ziele in 70 Kilometern Entfernung treffen. Es sind wohl eher 40 Kilometer, doch das reicht, um grossen Schaden anzurichten.
Russland setzt neben der FAB-1500 auch auf die FAB-500 und die FAB-250. Die Zahl steht dabei für das Gesamtgewicht der Bombe in Kilogramm, im Fall der FAB-1500 besteht ungefähr die Hälfte der Bombe aus Sprengstoff.
Laut Militärexperte Michael Kofman vom Podcast «War on the Rocks» stellt der vermehrte Einsatz von Gleitbomben eines der grössten Probleme für die Ukraine dar.
Lange hatte die russische Luftwaffe Mühe in der Ukraine. Sie konnte nie die Lufthoheit erlangen. Das ist auch einer der Hauptgründe, wieso sich die Ukraine bereits seit über zwei Jahren erfolgreich gegen den russischen Angriffskrieg verteidigen kann.
Doch die russische Luftwaffe verzeichnet immer mehr Erfolge, gerade wegen der Gleitbomben. Wie Oleh Synjehubow, Gouverneur der Region Charkiw, gemäss «Tages-Anzeiger» berichtet, habe der Feind noch vor zehn Monaten nur äusserst selten gelenkte Bomben eingesetzt. Jetzt hätten sie Priorität.
Ukrainische Angaben zeigen es deutlich, wie der «Tages-Anzeiger» weiter schreibt: 2024 setzten die russischen Truppen bereits 3500 Bomben ein, viele davon waren Gleitbomben. Das sind 16-mal mehr als im ganzen letzten Jahr.
Die Ukrainer können sich fast nicht vor den Gleitbomben schützen. Sie abzufangen, ist praktisch unmöglich, denn dafür sind sie zu wenig lange in der Luft. Die Strategie liegt also darin, die Flugzeuge, die die Bomben abwerfen, abzuschiessen. In den vergangenen Wochen ist dies den ukrainischen Truppen auch in mehreren (laut ukrainischen Angaben: 15) Fällen gelungen. Die russischen Luftangriffe gingen seither in ähnlicher Intensität weiter.
Ein weiteres Problem für die ukrainischen Verteidiger ist, dass die meisten ihrer Luftabwehrsysteme nicht über die nötige Reichweite und die technischen Voraussetzungen verfügen, um die russischen Flugzeuge in 40 Kilometer Entfernung zu treffen. Dafür müssen sie die teuren westlichen Patriot- und Nasam-Flugabwehrsysteme einsetzen. Diese müssen für ihren Einsatz nahe an die Front gebracht werden, wo russische Drohnen sie entdecken und unschädlich machen könnten.
Allein in den letzten paar Tagen verlor die Ukraine mindestens ein Nasam-System und vermutlich mehrere Patriot-Startgeräte.
Die Tragik: Genau diese Abwehrsysteme sind überlebenswichtig, um ukrainische Städte gegen russische Drohnen- und Raketenangriffe zu verteidigen. Gleichzeitig klagt die Ukraine bei genau diesen Waffensystemen auch über Munitionsknappheit. Diese ist sogar so ausgeprägt, dass sie bald nicht mehr auf vier von fünf russische Raketen schiessen können, sondern nur noch auf eine von fünf, wie die «Washington Post» berichtet. Sollte es so weit kommen, gäbe es wohl viele zivile Opfer.
Juri Ihnat, Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, sagte gegenüber CNN, die Luftverteidigung werde zwar stärker, doch das sei immer noch nicht genug.
Die russischen Su-35- und Su-34-Bomber würden zwar nicht so nahe an die ukrainischen Stellungen heranfliegen, wie sie gerne würden. Doch die ukrainische Flugabwehr könnte mit den richtigen Mitteln die russischen Flieger noch weiter zurückdrängen, betont Ihnat.
Das ist nichts Neues. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist längst nicht der Einzige, der beinahe täglich betont, die Ukraine brauche dringend Waffen mit grösserer Reichweite, um die russische Bedrohung aus der Luft zu kontern.
Sehnlich erwartet werden auch die F-16-Kampfjets, an denen ukrainische Piloten zurzeit ausgebildet werden. Diese werden wohl erst im Sommer in der Ukraine eingesetzt werden können. Iwan Hawryljuk, stellvertretender ukrainischer Verteidigungsminister, erwartet, dass die F-16-Jets «die russische Dominanz im Luftkrieg brechen», wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt. Das ist zwar unwahrscheinlich. Sie dürften jedoch die russischen Bomber weiter zurückdrängen.
Putin dagegen hat Millionen an Personal und hunderttausende Tote darunter sind ihm egal. Und mehr Material, die Wirtschaft wurde komplett umgestellt auf Krieg.
"Triumph der Gewalt" schrieb der Spiegel kürzlich. Und liegt damit leider richtig. Der Westen hat versagt.