Heute veröffentlichte Buzzfeednews Audiodateien. Sie geben ein Gespräch vom Vormittag des 18. Oktobers 2018 wieder, das im luxuriösen Metropol-Hotel in Moskau stattgefunden haben soll. Die Konversation könnte aus einem Agententhriller stammen. Es geht um Erdöllieferungen, Häfen, Bankverbindungen – und um finanzielle Unterstützung aus Russland für die rechtspopulistische Lega des italienischen Innenministers Matteo Salvini.
Am Treffen nahmen laut Buzzfeednews je drei Russen und Italiener teil. Als einzigen Teilnehmer namentlich identifizieren konnte Buzzfeednews Gianluca Savoini. Er ist seit 1991 Lega-Parteimitglied und gilt seit zwei Jahrzehnten als enger Vertrauter des italienischen Innenministers und Lega-Vorsitzenden Matteo Salvini. Während Savoini keine offizielle Funktion in der italienischen Regierung innehat, begleitet er Salvini oft bei Auslandsreisen und gilt als dessen Kontaktmann nach Russland
Einer der beiden anderen Italiener wird im Gespräch «Luca» genannt und bezeichnet sich als Anwalt, der in London für eine Investmentbank tätig ist. Der andere wird «Francesco» genannt und soll Experte für Finanztransaktionen sein.
Die drei Russen werden im Gespräch als «Ilja», «Juri» und «Andrej» angesprochen. Aufgrund ihrer Äusserungen gehen die Journalisten davon aus, dass sie im Auftrag von hochrangigen Vertretern von «Einiges Russland», der Partei von Staatspräsident Wladimir Putin, am Gespräch teilnehmen. Im Gespräch sprechen sie immer wieder von Wladimir Pligin, einem einflussreichen Parteimitglied, mit dem sie Rücksprache nehmen müssten. Auch der stellvertrende Ministerpräsident Russlands, Dmitri Kosak, wird als Person erwähnt, mit der sie sich absprechen müssten.
Im Gespräch (vollständiges Transskript) streicht Salvinis Vertrauter Savoini zunächst hervor, dass der italienische Rechtspopulist Europa verändern wolle. Zusammen mit seinen Verbündeten, der FPÖ aus Österreich, Marine Le Pen in Frankreich, der AfD und anderen Rechtspopulisten, wollen sie ein neues Europa, dass Russland nahestehen müsse. Die Begründung: «Wir wollen unsere Souveränität. Wir wollen über unsere Zukunft entscheiden, als Italiener, für unsere Kinder, unsere Söhne. » Diese Entscheidungen sollen gemäss Savoini «nicht von den Illuminaten in Brüssel oder in den USA» abhängig sein.
This tape provides the first hard evidence of Russia’s clandestine attempts to fund Europe’s nationalist movements, and the apparent complicity of some senior figures from the far right in those attempts pic.twitter.com/w14LAwY0Lw
— Alberto Nardelli (@AlbertoNardelli) July 10, 2019
Danach geht es um ein komplexes Finanzkonstrukt, mit dessen Hilfe finanzielle Unterstützung aus Russland über Umwege in die Parteikassen der Lega fliessen soll. Der Umfang des Geschäfts ist gewaltig: 300 Millionen Tonnen Öl im Wert von 1.5 Milliarden US-Dollar. Die Grundidee des Deals: Das Erdöl sollte von einem russischen Unternehmen – genannt werden Lukoil und Rosneft – über zwei Zwischenstationen an den italienischen Energiekonzern Eni verkauft werden.
Die Russen hätten bei Deal einen Abschlag im Vergleich zu den marktüblichen Preisen gewährt. Die Differenz – rund 4 Prozent – sollte in die Lega-Kassen fliessen.
Gemäss Berechnungen, welche Finanzanalysten für Buzzfeednews durchführten, hätten unter den besprochenen Bedingungen in zwölf Monaten rund 65 Millionen Euro an die Lega gehen sollen.
Das wäre nach italienischem Recht gesetzeswidrig: Zum Zeitpunkt der Audio-Aufnahmen durften italienische Parteien maximal 100'000 Franken an ausländischen Spendengeldern entgegen nehmen. Heute sind diese nach einer Gesetzesänderung ganz verboten.
Ob sich die im Oktober 2018 diskutierten Pläne für die russische Finanzspritze an die Lega wirklich materialisiert haben, wird aus den Audiodateien nicht ersichtlich. Allerdings gaben sich alle Beteiligten angesichts der weit fortgeschrittenen Planung optimistisch, dass der Deal zustande kommt: Alles ist OK, sagt etwa der Anwalt «Luca».
Es wird diskutiert, dass eine erste Lieferung bereits im November 2018 stattfinden könnte. Die italienische Seite drängt ihre russischen Partner im Hinblick auf die Wahlkampagne für die Europawahlen vom Mai 2019 zur Eile.
Einer der am Gespräch beteiligten Russen sagt gegen Ende der Aufnahme, in Bezug auf den geplanten Vertrag haben wir alle Informationen: «Wir sind uns der Eile bewusst.»
Die in den Audiodateien genannten Firmen dementieren, an einem solchen Geschäft teilgenommen zu haben. Ein Sprecher des italienische Erdölkonzernz Eni etwa sagte gegenüber Buzzfeednews, dass Eni an keinen Transaktionen beteiligt war, mit denen politische Parteien unterstützt worden sind. Der beschriebene Erdöl-Transfer habe nicht stattgefunden. Auch die im Gespräch erwähnte russische Tochter der italiesischen Bank Intesa dementiert, etwas vom diskutierten Geschäft zu wissen oder daran teilgenommen zu haben.
Gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA liess Matteo Salvini schriftlich ausrichten: «Ich habe es bereits in der Vergangenheit gesagt, sage es auch heute und werde es auch morgen und übermorgen tun: Ich habe nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Vodka an Finanzierung aus Russland angenommen.»
Doch mit diesem Dementi kann Salvini die Kritiker nicht verstummen lassen. Der italienische Oppositionsführer Nicola Zingaretti vom linken Partito Democratico schrieb auf Twitter: «Russische Rubel an die Lega für eine Wahlkampagne gegen den Euro? Alles muss sofort aufgeklärt werden!»
Rubli dalla Russia alla Lega per una campagna elettorale contro l'euro? Va tutto chiarito immediatamente
— Nicola Zingaretti (@nzingaretti) 10. Juli 2019
Über ein angebliches Treffen in Moskau zwischen zwischen Salvinis Vertrautem Gianluca Savoini im Metropol-Hotel und russischen Verbindungsmännern zwecks Wahlkampfunterstützung hatten bereits im Februar zwei Journalisten des italienischen Magazins «L'Espresso» berichtet. Salvini und Savoini hatten die Geschichte damals als Falschmeldung bezeichnet.
When the existence of the Metropol meeting was reported by two Italian journalists earlier the year, Savoini and Salvini dismissed the story as a fantasy.
— Alberto Nardelli (@AlbertoNardelli) 10. Juli 2019
This recording blows those statements apart. pic.twitter.com/O0bdE7XcOC
Unbestritten ist, dass sich am besagten 18. Oktober nicht nur Savoini, sondern auch Matteo Salvini in Moskau aufgehalten hatte. Am Vortag hatte er eine Rede an einer von italienischen Industriellen organisierten Konferenz gehalten. Für den Abend standen keine offiziellen Termine auf Salvinis Agenda. Die Journalisten des «Espresso» behaupteten im Februar, Salvini habe sich mit dem stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Dmitri Kosak getroffen und zwar im Büro des einflussreichen «Einiges Russland»-Politikers Wladimir Pligin. Salvini hatte das dementiert.
Dass der starke Mann der italienischen Regierung enge Bande nach Moskau geknüpft hat, ist unbestritten. Zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 war er dreimal in Begleitung Savoinis nach Moskau gereist und hatte sich mit Vertretern der russischen Regierungspartei getroffen. Im Januar und März 2017 reiste er erneut in die russische Hauptstadt. Bei dieser Gelegenheit unterzeichnete Salvini ein Parterschaftsabkommen zwischen der Kreml-Partei «Einiges Russland» und der Lega.
Seit seinem Amtsantritt als italienischer Innenminister im Juni 2018 kamen zwei weitere Moskau-Reisen hinzu. Kurz nach seiner Amtsübernahme äusserte er sich gegenüber der «Washington Post» mit Worten, die in Moskau gut angekommen sein dürfte: Die Annexion der Krim durch Russland sei rechtens gewesen, schliesslich hätten sich die Bewohner der Halbinsel in einem Referendum für den Anschluss an Russland ausgesprochen. Ausserdem forderte Salvini ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Damit begab er sich in Widerspruch zur offiziellen Haltung der EU. Sie sieht die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 als völkerrechtswidrig. Das Referendum, durchgeführt in der Anwesenheit von russischen Soldaten, wird von der EU nicht als freie Willensäusserung der Bewohner der Krim anerkannt.
Ich kotze...
Echten Patriotismus werden die nie verstehen, im Sinne des eigenen Volkes handeln sie aber noch weniger.