In den USA ist Steve Bannon in Ungnade gefallen. Präsident Donald Trump hat ihn als Chefstrategen im Weissen Haus gefeuert. Anfang Jahr verlor er nach der Veröffentlichung des Enthüllungsbuchs «Fire and Fury» seinen Job als Chef des «Newsportals» Breitbart. Auf der Suche nach einer neuen Aufgabe ist der sendungsbewusste Rechtsaussen offenbar in Europa fündig geworden.
Im Frühjahr machte er eine Vortragstour, wobei er auf Einladung der «Weltwoche» auch Zürich mit einem Besuch beehrte. Während Trumps Europareise Mitte Juli schlug er seine Zelte in einem Londoner Fünf-Sterne-Hotel auf, wo er rechtspopulistische Politiker empfing. Nun plant er laut der Website «Daily Beast» nichts weniger als eine rechtspopulistische Revolte in Europa.
Bei den Europawahlen im Frühjahr 2019 strebt er eine rechte «Supergruppe» an, die bis zu einem Drittel der Abgeordneten umfassen soll. Sie könnte den Politbetrieb in der Europäischen Union empfindlich stören, was Bannon mehr als recht wäre. Er ist überzeugt, dass es zu einem Bruch mit Jahrzehnten der europäischen Integration kommen wird, wie er «Daily Beast» sagte.
«Wir werden einzelne Nationalstaaten mit ihren eigenen Identitäten und eigenen Grenzen haben», formulierte Bannon seine Vision. Als Vorbild nennt er die neue Populisten-Regierung in Italien und vor allem ihren Innenminister und De-Facto-Regierungschef Matteo Salvini: «In Italien schlägt das Herz der modernen Politik. Wenn es dort funktioniert, kann es überall funktionieren.»
Steve Bannons Begeisterung für Italien ist nicht neu. Der obskure faschistische Philosoph Julius Evola hat ihn und seine rechtsnationale Ideologie beeinflusst. «Ich liebe Italien, besonders Rom», erklärte er in einem Interview mit der konservativen Zeitung Libero. Die Idee starker Grenzen und einer starken Führung, wie von Salvini und seiner Regierung vertreten, schreite überall voran.
Sein Hauptquartier will Bannon aber nicht in Rom aufschlagen, sondern in der EU-Hauptstadt Brüssel. Dort will er eine Stiftung namens The Movement gründen, mit der er die strukturell und finanziell oft schwach aufgestellten rechtspopulistischen Parteien zu einer schlagkräftigen Allianz formen will. Dabei sieht er sich als erklärter Gegenspieler zum liberalen Milliardär George Soros.
Bei möglichen Partnern stösst Bannon auf geteiltes Echo. Alice Weidel, die Fraktionschefin der AfD im deutschen Bundestag, bezeichnete seine Pläne als «sehr spannend und ambitioniert». Sie hatte Bannon am Rande seines Zürcher Auftritts getroffen. AfD-Chef Jörg Meuthen äusserte sich im ARD-Sommerinterview hingegen skeptisch: «Ein Coaching von ausserhalb der EU brauchen wir grundsätzlich nicht.»
Kritisch beurteilte der Amerikanist David Nye von der Syddansk Universitet in Odense die Pläne im Gespräch mit dem dänischen Rundfunk. Steve Bannons kompromissloser Stil passe zum Zweiparteiensystem in den USA, aber nicht nach Europa, wo Koalitionen üblich seien. Er wolle in Europa einen Teil jener Macht zurückgewinnen, die er in den USA verloren habe, sagte Nye.
Der Widerstand gegen seine rechtspopulistische Revolte jedenfalls ist programmiert. Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth sagte der Zeitung Die Welt, Europa dürfe «keine Angst haben vor den nationalistischen Kampagnen, mit denen Herr Bannon meint, Europa in die Knie zwingen zu können. Unsere Werte sind stärker als sein Hass und seine Lügen.»
Der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, heute Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament, rief auf Twitter dazu auf, Bannon zu stoppen: «Wir wissen, was der Albtraum des Nationalismus unseren Ländern in der Vergangenheit angetan hat.»
Steve Bannon's far-right vision & attempt to import Trump's hateful politics to our continent will be rejected by decent Europeans. We know what the nightmare of nationalism did to our countries in the past. We must #BanBannon! #GenerationEurope must stop him! pic.twitter.com/4VF2hiJ2bD
— Guy Verhofstadt (@guyverhofstadt) 22. Juli 2018
Eine Art Gegenprojekt plant Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er sucht nach Partnern für seine Partei «La Republique en Marche», mit denen er nach den Europawahlen eine Fraktion bilden will. In Frage kommt die deutsche FDP, wie ihr Chef Christian Lindner im ZDF bestätigte: «Wir sprechen mit der spanischen Ciudadanos und auch mit der Partei von Herrn Macron.»
Wahlen ins Europaparlament stiessen in der Vergangenheit auf wenig Interesse, entsprechend gering war die Beteiligung. Das wird im nächsten Mai anders sein, eine harte Auseinandersetzung zwischen zwei unterschiedlichen Vorstellungen von Europa ist programmiert. Steve Bannon will mitmischen, auch wenn rund um sein Projekt einiges unklar ist, etwa die Finanzierung.
Ein Problem für eine gemeinsame «Rechtsfront» dürften auch die grossen Unterschiede zwischen den EU-Ländern darstellen. «Eine Charme-Offensive in Polen ist etwas ganz anderes als in Grossbritannien oder Spanien», sagt David Nye. Unterschätzen dürfe man Bannon aber nicht, meint der in Dänemark lehrende Historiker: «Man sollte diesen Typen immer im Auge behalten.»