«Ziehen ihre Uniformen aus»: Russen versuchen es in Pokrowsk mit neuer Taktik
Russische Soldaten wenden bei der Schlacht um die Stadt Pokrowsk offenbar eine neue Taktik ein. Statt einer Grossoffensive dringen leicht bewaffnete Einheiten in die Region und in die Stadt ein, dort, wo die ukrainische Verteidigung Lücken hat. Die russischen Soldaten kämpfen aber nicht, wie ukrainische Offiziere der «Bild»-Zeitung berichteten.
Stattdessen beobachten sie die gegnerischen Bewegungen. Es seien hunderte russische Soldaten, die mit Funkgeräten und ein wenig Verpflegung ausgestattet sich bis zu 20 Kilometer hinter der Frontlinie verstecken, so die «Bild». Ihre Aufgabe: Ukrainische Truppenbewegungen melden, die Logistik verfolgen, Standorte von ukrainischen Truppen an das russische Militär weitergeben. Moskau kann dann seine Drohnen und Raketen losschicken und gezielte Schläge durchführen.
Pokrowsk in der Region Donezk hat eine strategisch wichtige Lage als Verkehrs- und Eisenbahnknotenpunkt. Es ist bedeutend für die Versorgung der ukrainischen Truppen im Osten des Landes. Russland versucht seit Monaten, die Stadt einzunehmen, bislang aber erfolglos. Zuletzt wurden russische Marineinfanterie-Eliteeinheiten in die Region verlegt, die die Angriffe unterstützen sollen.
«Sie mischen sich unter die Bevölkerung»
Ein ukrainischer Offizier sagte einem Reporter der Zeitung:
Offenbar nehmen Putins Kommandeure wenig Rücksicht auf die eigenen Leute: Nach Aussagen von ukrainischen Offizieren bombardieren sie Gebiete grossflächig, auch dort, wo ihre Spione sitzen.
Russische Soldaten versuchen vor allem vom Süden und Südwesten in die Stadt zu gelangen, berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Sie kämen in kleinen Gruppen, in den meisten Fällen zu zweit. «Die Angreifer suchen aktiv nach Schwachstellen in der Verteidigung des Ballungsraums Pokrowsk-Myrnohrad. Aber sie schaffen es nicht nur nicht, durchzubrechen, sondern leiden auch unter unseren Angriffen», sagte ein ukrainischer Militärsprecher.
Sabotageakte und Attentate
Die Ukraine hat dem «Bild»-Bericht zufolge seit August eine Spezialeinheit, die nach Russen sucht, die durch die ukrainischen Linien geschlüpft sind. Diese und andere ukrainische Einheiten sollen in einem Monat mehr Gefangene gemacht haben als in den Monaten zuvor zusammengerechnet. Die Angaben können aber nicht unabhängig bestätigt werden.
Zwar können die ukrainischen Verteidiger einige der Funksprüche abhören, die von den russischen Beobachtern abgesetzt werden, dennoch ist Moskaus Taktik erfolgreich. Es soll zu zahlreichen Sabotageakten, Angriffen und sogar Attentaten auf ukrainische Soldaten gekommen sein.
Die russische Taktik der Infiltration könnte auch bedeuten, dass man mit den herkömmlichen Angriffen durch Panzer und Infanterie nicht weiterkommt. Durch die Arbeit der Infiltratoren könnten weitere Lücken in die ukrainische Verteidigung gerissen werden, die später einen russischen Einmarsch in die Stadt Pokrowsk erleichtern.
Die Lage an der Front um die Stadt ist derzeit aber unklar. So sprach Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow am Mittwoch nach Angaben russischer Agenturen von Geländegewinnen rund um die seit Monaten schwer umkämpfte Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine. Ukrainische Militärquellen berichteten dagegen aus der Umgebung der Stadt von der Einkesselung grösserer russischer Einheiten, deren Kapitulation in Kürze erwartet werde. Eine unabhängige Darstellung der Lage war nicht möglich.
Verwendete Quellen:
- bild.de: "Infiltration statt Frontalangriff – Putins neue Kriegsstrategie enthüllt" (kostenpflichtig)
- ukrinform.net: "Russian forces attempt to infiltrate Pokrovsk from two directions – military spox" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa