Zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine war Ramsan Kadyrow medial omnipräsent. Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, wegen seiner Nähe zum Kreml und seiner Brutalität als «Putins Bluthund» bekannt, liess keine Möglichkeit aus, um in den russischen Medien grosse Töne zu spucken.
Russland solle Ostdeutschland zurückerobern, forderte er etwa und ergänzte, «Olaf Scholz gerne in die Fresse schlagen zu wollen». Gleichzeitig liebäugelte er auch mit einem Angriff auf Polen, um dieses zu «entnazifizieren und zu entsatanisieren».
Berichten zufolge soll Kadyrow aber auch beim Krieg selbst eine wichtige Rolle gespielt haben. Auf TikTok verbreitete er russische Propaganda aus Kriegsgebieten, in seiner Heimat Tschetschenien führte er «militärisch-patriotische» Ausbildungen für ukrainische Jugendliche durch.
Zuletzt wurde es aber ruhiger um Kadyrow. Der tschetschenische Anführer ist kaum mehr zu sehen und zu hören. In den Medien kursiert sein Name trotzdem wieder. In seinem Umfeld soll Chaos herrschen. Zwei ehemalige Vertraute von ihm starben, auch Kadyrow selbst soll es nicht besonders gut gehen. Ein Überblick über die Situation in drei Punkten.
Als im Februar 2022 der russische Angriffskrieg in der Ukraine startete, trommelte Ramsan Kadyrow seine Männer zusammen. Mit dabei: Abdul-Kerim Edilow, ehemaliger UFC-Kämpfer und damals Politiker. Edilow posierte mit Maschinengewehr und Weste. Kurz darauf veröffentlichte er ein Video des Events auf Instagram. Der Text dazu: «Wir sind bereit, nach dem Weg von Kadyrow zu leben und zu sterben.»
Nicht ganz ein Jahr später ist Edilow tot.
Die Hintergründe dazu sind bis heute unklar. Edilow schien lange auf besten Weg dazu, als Schützling Kadyrows eine vielversprechende politische Laufbahn zu starten. Nach einer kurzen Karriere in der grössten MMA-Organisation UFC – ein Kampf, ein Sieg – wurde er von Kadyrows für dessen private Interessen angeheuerte. So gab der tschetschenische Machthaber seine drei Söhne in Edilows Obhut, welcher diese als Kämpfer und in den Lehren des Korans unterrichtete.
So stieg Edilow je länger, desto mehr in Kadyrows Gunst auf. Zu Beginn drückte dieser seine Dankbarkeit mit Luxusgütern wie Uhren und Autos aus, dann mit immer mehr Verantwortung. Im November erhielt der einstige Kämpfer sein erstes politisches Amt, er wurde sogleich Stabschef. Nur drei Monate später wurde er befördert zum stellvertretenden Ministerpräsidenten Tschetscheniens.
Doch Edilows Ruhm währte nicht lange. Wie der tschetschenische Dissident Tumso Abdurachmanow im September berichtete, soll Edilow wegen Drogenkonsums verurteilt und gefoltert worden sein. Eine Bestätigung für diesen Bericht gibt es nicht, doch öffentlich zu sehen war der ehemalige Kämpfer danach nicht mehr. Am 23. November gab die tschetschenische Regierung bekannt, Edilow sei «auf eigene Initiative hin» zurückgetreten.
Am 29. Dezember erklärten tschetschenische Aktivisten, Edilow sei plötzlich verstorben. Die Umstände seien unklar. Das Dubiose daran: Sowohl Kadyrow als auch der Rest der tschetschenischen Regierung kommentierten die Todesmeldungen bislang nicht. Für Mansur Sadulaew von der tschetschenischen Menschenrechtsorganisation Vayfond ein klares Zeichen dafür, dass Kadyrow hinter dem Tod stecke. Wenn Edilow auf andere Weise gestorben wäre, wäre Kadyrov selbst wütend gewesen und hätte sein Beileid ausgedrückt, so Sadulaew gegenüber dem «Guardian».
Edilow ist nicht der einzige Mann aus Kadyrows Umkreis, der kürzlich verstarb. Im Februar berichteten russische Medien, Pyotr Tschuwilin, ein ehemaliger Berater des tschetschenischen Chefs, sei «unter seltsamen Umständen» ums Leben gekommen. Zuvor soll der ehemalige Banker in einer geschlossenen Einrichtung behandelt worden sein.
В москве несколько часов назад при странных обстоятельствах умер Петр Чувилин, теневой банкир Кадырова. Именно он занимался всеми финансовыми делами Рамзана. В сети поползли слухи что Кадыров тяжело болен. На речи путина в москве он уже не присутствовал. Началось? pic.twitter.com/OnvFWcgy7e
— Так говорил Zarathustra (@Zaratus53061801) February 28, 2023
Auch der Tod Tschuwilins hinterlässt einige Fragezeichen. Er galt als einer der wichtigsten Zeugen im Fall des ehemaligen Chefs der Abteilung zum Kampf gegen Wirtschaftskriminalität, Dmitri Sachartschenko. Gegen diesen besteht der Verdacht auf schwere Korruption.
Doch nicht nur einigen Leuten um Kadyrow herum soll es schlecht gehen. Wie der kasachische Journalist Azmat Maitanow berichtet, soll auch der «Putins Bluthund» selbst mit gesundheitlichen Problemen haben. Es gehe ihm «überhaupt nicht gut», schreibt Maitanow. Kadyrow leide unter «ernsthaften Nierenproblemen». Dies sei auch der Grund, warum der tschetschenische Boss zuletzt kaum mehr öffentliche Auftritte hatte. So fehlte er auch bei der letzten grossen Rede von Wladimir Putin.
Bei der Pflege vertraue Kadyrow den Ärzten aus Moskau nicht, liess Maitanow weiter verlauten. So habe er sich nach Tschetschenien in die Stadt Grosny zurückgezogen und einen Nierenspezialisten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einfliegen lassen.
Wie der kasachische Journalist weiter schreibt, solle es gar Berichte von einem noch prekärem Zustand geben: So soll gemunkelt werden, dass Kadyrow womöglich vergiftet wurde. Eine Bestätigung für diese Berichte gibt es nicht.
(dab)