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Die Krise im Roten Meer hält an – diese Schweizer Firmen sind betroffen

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Von einer Rakete getroffen: Der Öltanker Marlin Luanda war im Auftrag des Rohstoffkonzerns Trafigura mit Sitz in Genf unterwegsBild: keystone

Die Krise im Roten Meer hält an – diese Schweizer Firmen sind betroffen

Der Handel durch die schnellste Verbindungsstrasse zwischen Asien und Europa ist regelrecht eingebrochen. Die einen Fachleute warnen vor gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft, die anderen beschwichtigen.
13.02.2024, 12:08
Ann-Kathrin Amstutz / ch media
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Der Öltanker Marlin Luanda steht in Flammen. Es dauert Stunden, bis der Brand gelöscht ist. Im Golf von Aden wird der Tanker am 26. Januar von einer Rakete getroffen - abgefeuert von den jemenitischen Huthi-Rebellen. Verletzte gibt es nicht. Doch der Angriff auf das Schiff, das russisches Rohbenzin für den Rohstoffriesen Trafigura mit Sitz in Genf transportiert, richtet einen grossen Schaden an.

Die Hamas-nahen Huthi greifen seit Monaten immer wieder Frachtschiffe im Roten Meer an, um die westlichen Verbündeten Israels unter Druck zu setzen. Als Reaktion beschiessen die USA und Grossbritannien seit Mitte Januar Stellungen der Rebellen. Zwar hat die Zahl der Angriffe auf Schiffe seither etwas nachgelassen, wie die «Financial Times» berichtet. Doch entspannt hat sich die Situation deswegen nicht.

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Ein Huthi-Rekrut in Sana'a, Jemen, am 8. Februar 2024.Bild: keystone

Denn noch immer nimmt die Zahl der Reedereien zu, welche das Rote Meer meiden. Jüngstes Beispiel ist die französische CMA CGM, die drittgrösste Reederei der Welt. Auch sie beschloss vor einer Woche, die wichtige Handelsstrasse zu umfahren, durch die rund 12 Prozent des globalen Handels laufen. Die Schiffe müssen deshalb einen Umweg um den afrikanischen Kontinent nehmen, was eine bis drei Wochen länger dauert.

Gemäss Zahlen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft durchqueren aktuell rund 80 Prozent weniger Container das Rote Meer und den Suezkanal, als eigentlich zu erwarten wäre. In wichtigen europäischen Häfen wie Hamburg, Rotterdam und Antwerpen kämen rund ein Viertel weniger Schiffe an.

Weniger Gewinn bei Logitech, kein Problem für ABB und Holcim

Was bedeutet das für Schweizer Firmen? Kämpfen sie schon mit Lieferengpässen und höheren Preisen? Zu den ersten Unternehmen, die davor warnten, gehörte der Schweizer Computerzubehörhersteller Logitech. Im Januar erklärte CEO Hanneke Faber gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die höheren Transportkosten würden die Gewinnmarge nach unten drücken. Zudem nutze Logitech mehr Luftfracht, um Engpässe zu umgehen.

Hanneke Faber, CEO von Logitech.
Hanneke Faber, CEO von Logitech.Bild: Curtis Myers Productions/Logitech

Auch der Chef des Aromen- und Duftstoffherstellers Givaudan, Gilles Andrier, rechnet künftig mit längeren Lieferzeiten. Zusätzliche Kosten erwartet er aber vorerst nicht.

Der Industriekonzern ABB dagegen spürt laut CEO Björn Rosengren keine wesentlichen Auswirkungen auf sein Geschäft, da man hauptsächlich lokal produziere. Ähnlich klingt es vom Zementriesen Holcim. Der designierte neue Chef Miljan Gutovic erklärte gegenüber Reuters, man sehe darin keine grosse Krise: «Unsere Bewegungen rund um das Rote Meer sind vernachlässigbar.»

Matthias Wolf, Schweiz-Chef des weltweit tätigen Logistikkonzerns Kühne + Nagel, sagte am Montag gegenüber Radio SRF, es gebe momentan keinen Mangel an Frachtkapazitäten. Doch «gleichzeitig sehen wir, dass sich die Kapazitäten verknappen». Dies könne zu einem Mangel an verfügbaren Containern führen.

Stabile Situation oder neuer Inflationsschock?

Wie drastisch die wirtschaftliche Folgen der Krise im Roten Meer sind, ist unter Fachleuten umstritten. Die Kieler Forschenden etwa relativieren: Gegenwärtig sehe die Situation «dramatischer aus, als sie gesamtwirtschaftlich ist». Denn die Menge der weltweit verschifften Waren leide nicht unter der Krise im Roten Meer, sondern sei im Januar sogar gestiegen - sie liege «nahe am bisherigen Höchststand vor rund zwei Jahren».

Der Welthandel stecke in keiner Krise, sondern sei stabil geblieben. Zwar könnten einzelne Firmen unter Lieferverzögerungen leiden. Insgesamt seien aber keine Engpässe bei Vorprodukten oder Konsumgütern zu erwarten.

Deutlich ernster klingt es bei der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (Unctad). Von «weitreichenden wirtschaftlichen Folgen» spricht die UNO-Institution. Länger andauernde Unterbrechungen in der Containerschifffahrt würden die globalen Lieferketten direkt bedrohen. Die Folge davon: verspätete Lieferungen und höhere Preise.

Die Frachtpreise zwischen Schanghai und Europa hätten sich mehr als verdreifacht. Auch die Versicherungsprämien seien «in die Höhe geschnellt». Zudem seien umgeleitete Schiffe gezwungen, schneller zu fahren, wodurch sie mehr Treibstoff verbrauchen und mehr CO2 ausstossen würden. Die Umwege von Öltankern um Afrika erhöhten den Ölbedarf um 200'000 Barrel pro Tag, berichtete Reuters.

Schliesslich wirke sich die Krise auch auf die weltweiten Lebensmittelpreise aus, erklärt die UNO-Institution. Entwicklungsländer seien besonders gefährdet.

Bedenken, dass die Krise im Roten Meer die Inflation wieder befeuern wird, äussert auch der US-Bankenriese JP Morgan. Die weltweiten Konsumentenpreise für Waren würden deswegen in der ersten Hälfte 2024 um 0,7 Prozent steigen, schätzt die Bank. Wenn die Situation anhalte, könne es auch negative Auswirkungen auf die Industrie geben.

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