International
Wirtschaft

Lieferengpässe aufgrund der Angriffe der Huthi-Rebellen im Suez-Kanal

epa11040961 People watch as a ship crosses the Suez Canal towards the Red Sea in Ismailia, Egypt, 22 December 2023. On 18 December, the US Department of Defense announced a multinational operation to  ...
Bild: keystone

Lieferengpässe aufgrund der Huthi-Rebellen: Worauf du jetzt länger warten musst

Schon 2021 war der Suezkanal präsent in den Medien, als das Containerschiff «Ever Given» den wichtigen Handelsweg blockiert hat. Jetzt gibt es eine erneute Blockade – allerdings aus politischen Gründen. Das hat Lieferengpässe in ganz Europa zufolge.
27.01.2024, 14:0927.01.2024, 15:24
Mehr «International»

Was ist passiert?

Seit Mitte November attackieren die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen aus dem Jemen immer wieder Schiffe im Roten Meer, die auf der Handelsroute durch den Suezkanal unterwegs sind und in Verbindung mit Israel stehen. Die Huthi fühlen sich der selbsternannten «Achse des Widerstands» zugehörig – ein vom Iran unterstütztes Netzwerk, das gegen Israel und den Westen gerichtet ist.

Huthi-Kämpfer mit Palästinenser-Flagge im Jemen.
Die Huthi ist eine Bürgerkriegspartei im Jemen.Bild: Houthis Media Center/Handout/EPA

Die Angriffe der Miliz haben massive Auswirkungen auf den Handel zwischen Asien und Europa. Das über den Suezkanal abgewickelte Handelsvolumen sei laut dem UNO-Vertreter Jan Hoffmann in den vergangenen zwei Monaten um 42 Prozent gesunken.

Die Zahl der wöchentlich durch den Suezkanal fahrenden Containerschiffe habe um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abgenommen, sagte Hoffmann weiter. Der Öltransit sei um 18 Prozent gesunken.

Warum ist der Suezkanal so wichtig?

Der Suezkanal ist eine für den Welthandel zentrale Handelsstrasse, die jährlich rund 20'000 Schiffe passieren. Die Alternative besteht darin, um die Südspitze Afrikas herumzufahren, was ein riesiger Umweg ist. Die Reise der Containerschiffe kann sich dadurch um ein bis zwei Wochen verzögern. Zudem entstehen durch die Alternativroute zusätzliche Treibstoffkosten in Höhe von Hunderttausenden Euro.

Viele Frachtschiffe nehmen aktuell aus Sicherheitsgründen den Umweg über Afrika in Kauf.

Aufgrund der Angriffe der Huthi-Rebellen sehen sich nun allerdings einige Reedereien dazu gezwungen, die Route durch den Suezkanal zu meiden, und sie nehmen den Umweg über Afrika in Kauf. Dadurch werden die Güter auf den Schiffen nicht rechtzeitig geliefert und es kommt zu Engpässen im Handel.

In welcher Branche gibt es die grössten Engpässe?

Pauschal lässt sich nicht sagen, welche Branche am meisten unter der aktuellen Situation im Suezkanal leidet, da über diese Handelsroute der Transport zahlreicher unterschiedlicher Güter erfolgt. Doch es gibt ein paar Branchen, die Alarm schlagen:

Automobilbranche

Die Autohersteller Tesla und Volvo haben angekündigt, die Produktion aufgrund der Einschränkungen in den Lieferketten für ein paar Tage zu unterbrechen. Volvo fehlt laut eigenen Angaben etwa das Getriebe, um weiter Autos produzieren zu können.

Auch der chinesische Autohersteller Geely hat bekannt gegeben, dass die alternative Handelsroute Verzögerungen bei Auslieferungen nach Europa zufolge hat.

Energiemarkt

Über die Seeroute werden ausserdem Rohöl und Flüssiggas (LNG) transportiert. Fünf Prozent der weltweiten Rohöltransporte über See gehen laut der Commerzbank-Rohstoffanalystin Thu Lan Nguyen durch den Suezkanal, wie sie der ARD-Finanzredaktion mitteilt. Das sei zwar «nicht irrelevant, aber auch nicht absolut essenziell».

Wichtiger als für Rohöl sei die Seeroute für den Gasmarkt, da Europa von Flüssiggasimporten abhängig sei, die unter anderem aus dem Mittleren Osten kommen. Es gebe laut Thu Lan Nguyen wenige Alternativen, weshalb die europäischen Gaspreise stärker reagiert hätten als die Rohölpreise.

Möbel

Die Möbelketten Ikea, Mömax und XXXLutz informierten ihre Kunden ebenfalls über mögliche Engpässe. Neben klassischen Möbeln seien auch bestimmte Einzelteile und Fronten zeitweise nicht verfügbar.

Sonstige Branchen

Weitere Engpässe könnte es zum Beispiel bei Modeartikeln, Spielzeug und Haushaltswaren geben. Auch Bastelartikel wie Pinsel oder Leinwände könnten für einige Zeit schlechter verfügbar sein.

Ein weiterer Bereich, in dem Endkunden mit Engpässen rechnen müssen, ist die Elektronik. Das prognostiziert Handelsexperte vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, Vincent Stamer, gegenüber der ARF-Finanzredaktion. Ganz allgemein erwarte er aber «keine Störungen wie vor zwei Jahren» – egal, in welcher Branche.

Das Problem sei eher, dass die Reedereien nun mehr Geld in die Hand nehmen müssten, da sie durch die längere Route deutlich höhere Kosten hätten. «Es geht um viel Geld. Das heisst aber nicht, dass das zwangsläufig in grossem Stil bei den Endkonsumenten ankommt», sagt Stamer.

Im Vergleich zur Blockade im Jahr 2021: Was ist dieses Mal anders?

Im Frühling 2021 sorgte der Containerfrachter «Ever Given» für eine fast einwöchige Blockade des Suezkanals. Hunderte Schiffe stauten sich an beiden Enden des Kanals, wodurch es weltweit zu Lieferverzögerungen kam.

This satellite image from Maxar Technologies shows the cargo ship MV Ever Given stuck in the Suez Canal near Suez, Egypt, Sunday, March 28, 2021. Two additional tugboats sped Sunday to Egypt's Su ...
Im Frühling 2021 wurde der Suezkanal sechs Tage lang durch das Schiff «Ever Given» blockiert.Bild: keystone

Damals handelte es sich um eine plötzliche Blockade, die durch ein einzelnes Schiff verursacht wurde. Da die Blockade nicht vorhersehbar war, war es für die wartenden Schiffe aus Treibstoffgründen nicht möglich, den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung zu nehmen. Gleichzeitig wurde erwartet, dass sich die Blockade recht schnell wieder auflösen würde.

Die aktuelle Situation ist eine andere: Die Attacken der Huthi-Rebellen sind Teil eines grossen Konflikts und haben das Ziel, Druck auf Israel und die Welt auszuüben. Da die Angriffe schon seit November andauern, ist nicht absehbar, ab wann der Suezkanal wieder sicher befahrbar ist.

Wie geht es weiter?

Zwar haben die USA und Grossbritannien in einer gemeinsamen Militäraktion Mitte Januar Ziele im Jemen angegriffen, um die Attacken der Huthi-Miliz auf die Schiffe im Suezkanal abzuwehren, doch ein Ende der Auseinandersetzungen ist derzeit nicht absehbar. Es wird unter anderem darauf ankommen, welche Massnahmen die westliche Staatengemeinschaft unter Führung der USA weiter gegen die Attacken unternehmen wird.

Allerdings können die betroffenen Firmen mit der neuen Route planen und sich anpassen, auch wenn das bedeutet, dass der Transport teurer wird und es zu Lieferverzögerungen kommt. Die Versorgung ist dieses Mal nicht komplett unterbrochen, wie es während der Pandemie der Fall war.

Es gibt jedoch noch einen weiteren Haken, denn auch die Alternativroute um Afrika herum ist nicht ganz ungefährlich: «Gut möglich, dass die Piraterie vor der Küste Somalias wieder zunimmt, wenn sich die Handelsströme so stark verschieben», schätzt Ilja Bäumler, Logistik-Experte an der Hochschule Luzern, die Situation gegenüber der Luzerner Zeitung ein. Kurzfristig sei die Umleitung der richtige Schritt, doch auf Dauer sollten die Risiken nicht unterschätzt werden.

(hkl, mit Material der sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die vergessene humanitäre Katastrophe: Der Krieg im Jemen
1 / 14
Die vergessene humanitäre Katastrophe: Der Krieg im Jemen
Es ist fünf vor Zwölf: Der Jemen steht vor einer (weiteren) Hungerkatastrophe. In einigen Gebieten des Landes ist jedes vierte Kleinkind akut mangelernährt. Insgesamt sind rund eine halbe Million Kleinkinder betroffen.
quelle: keystone / yahya arhab
Auf Facebook teilenAuf X teilen
US-Angriff auf die Huthi 2024-01-12
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
29 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
du_hast_die_wahl
27.01.2024 15:41registriert Januar 2024
Der Suezkanal ist für den Handel zwischen Europa und Asien entscheidend. Die Amerikaner sind die einzigen die den Seeweg sicherstellen können (ohne direktes Eigeninteresse). Das sagt sehr viel aus über den Zustand der Armeen Europas.
348
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlaf
27.01.2024 14:26registriert Oktober 2019
Auf solche Vorkommnisse müssen wir uns in Zukunft wohl einstellen.
Tut uns sicher auch mal gut, nicht immer alles auf Knopfdruck zu erhalten.
3918
Melden
Zum Kommentar
avatar
BG1984
27.01.2024 14:50registriert August 2021
Ich sehe schon die Hamsterkäufer bei IKEA vor mir, mit zwei Billy Regalen unter dem Arm.
2814
Melden
Zum Kommentar
29
    P. Diddy lehnt aussergerichtliche Einigung vor Prozessbeginn ab

    Kurz vor Beginn eines Prozesses gegen Sean Combs wegen angeblicher Sexualstraftaten des US-Rappers hat der 55-Jährige eine aussergerichtliche Einigung abgelehnt. Er habe ein entsprechendes Angebot geprüft und verworfen, entgegnete Combs bei einer Anhörung vor Gericht in New York auf Frage des Richters. Details zu dem Angebot wurden zunächst nicht bekannt.

    Zur Story