Der Mann ist im Wallis bekannt wie ein bunter Hund, jedenfalls in gewissen Kreisen. Er ist seit einigen Jahren Mitglied in einer trinkfreudigen Fasnachtsclique, in der viel von dem versammelt ist, was hier Rang und Namen hat. Eine Mischung aus «Fasnachtsclique und Serviceclub», sagt einer.
Zu der Clique gehört eben auch jener ehemalige Ruag-Manager, der offenbar mit im Visier der Staatsanwaltschaft im deutschen Verden ist: Beim Deal um alte Leopard-Panzer aus Italien soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Unter anderem über eine Firma in Deutschland, die zur Hälfte der Frau des Walliser Ruag-Managers gehörte, sollen im November 2019 zwei Panzergetriebe «über fünf Stationen am gleichen Tag mit eklatanter Preissteigerung» veräussert worden sein. Das berichtete der «Blick» gestützt auf interne Daten. Das Walliser Ehepaar war für CH Media nicht zu erreichen.
Die Sache mit den 100 Leopard 1 aus Italien wird überhaupt immer verworrener. Sie begann 2016, als die damalige Ruag Defence die Panzer von der italienischen Agenzia italiana difesa (Aid) für 4.5 Millionen Euro erwarb. Inklusive eine Unmenge von Ersatzteilen.
96 der Panzer (vier wurden angeblich an ein italienisches Unternehmen weiterverkauft) stehen seit etwa Mitte 2016 unter freiem Himmel in Villesse in Norditalien, nahe der Grenze zu Slowenien.
Laut dem Kaufvertrag, den das Tessiner Fernsehen RSI öffentlich machte, gab die Ruag an, die Panzer «in mehreren internationalen Projekten zu verwenden». Sie wollte sie also nachweislich weiterverkaufen.
Nur: Offenbar wurde für die Panzer gar nie die notwendige italienische Genehmigung für Verkauf und Export eingeholt. Zu diesem Schluss kommt die auf Sicherheitspolitik spezialisierte Nichtregierungsorganisation OPAL in Brescia IT nach Auswertung offizieller italienischer Regierungsunterlagen.
Eine Genehmigung für Verkauf und Export war laut italienischem Gesetz aber zwingend, so OPAL. Die Rüstungsagentur Aid hätte sie bei der zuständigen Bewilligungsbehörde Uama einholen müssen. Von einer solchen Bewilligung sei aber in den jährlichen Uama-Listen keine Spur zu sehen. OPAL bittet nun das italienische Parlament, den Sachverhalt zu klären.
Ohne Bewilligung wäre der Deal nur zulässig gewesen, wenn es sich bei den Panzern um nicht kriegstaugliches Material gehandelt hätte. Schrieb die Ruag die an sich wertvolle Ware aus diesem Grund auf null ab und behandelte sie wie Schrott?
Was sie aber natürlich nicht war. Den Beweis trat die Ruag später selbst an, als sie die Panzer Anfang 2023 an die deutsche Rheinmetall weiterverkaufen wollte, zwecks Überholung und Einsatz im Ukraine-Krieg. Der Bundesrat stoppte das Geschäft, es widerspreche geltendem Schweizer Recht und der Neutralität.
Italien hatte noch 1995 insgesamt 120 Leopard 1 A5 modernisiert. Unter anderem erhielten sie neue Türme, die je rund eine Million pro Stück kosteten. 100 davon gingen 2016 an die Ruag.
Laut OPAL plante die Ruag 2016, zum Zeitpunkt des Kaufs, die Panzer «der brasilianischen Armee zu verkaufen, ein Geschäft, das schliesslich nicht zustande kam.» Und für das jedenfalls die Bewilligung gefehlt hätte.
Tatsächlich: 2017 hatten auch brasilianische Medien über den möglichen Deal berichtet. Eine brasilianische Armee-Delegation sei in Geheimmission nach Villesse in Norditalien sowie nach Thun zur Ruag Land Systems und nach Winterthur zur Mechanisierten Brigade 11 gereist, schrieb die offensichtlich gut informierte Plattform infodefensa. Und: Es sei um den möglichen Kauf von 120 überzähligen italienischen Leopard 1A5 gegangen. Die Ruag biete die Panzer zum Verkauf an, offenbar via ihre Filiale in Deutschland.
Später soll die Ruag einige der noch 96 Panzer ja doch noch verkauft haben: Die deutsche Firma GLS erhebt neuerdings Anspruch auf 25 dieser Kriegsgeräte. Sie gibt an, sie habe sie im November 2019 von der Ruag gekauft.
Die Ruag teilte am Mittwochabend auf Anfragen mit, sie habe keine Hinweise aus Italien erhalten, dass erforderliche Bewilligungen fehlten. Sie habe bislang in Italien keine Bewilligungen beantragt, hält ein Sprecher fest, «da das Geschäft durch den Bundesrat untersagt wurde». Eine italienische Exportbewilligung brauche Ruag nicht, da das Unternehmen nicht in Italien registriert sei.
Es gibt jedenfalls immer mehr Fragen zum suspekten Deal. Derzeit läuft eine Reihe von Untersuchungen. An der Arbeit ist etwa die Eidgenössische Finanzkontrolle. Die Ruag selbst leitete eine externe Untersuchung ein. In Deutschland führt die Staatsanwaltschaft in Verden ein Verfahren wegen Korruption, das sich auch gegen den Walliser Ruag-Mitarbeiter richten soll.
Es gilt die Unschuldsvermutung.