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Schweizer Diplomat bei Geheimtreffen mit Putin-Vertrauten und Deutschen

Ambassador Thomas Greminger, listen to a speech on the topic about the Strategic stability and the state of arms control, during the public discussion at the Geneva Centre for Security Policy (GCSP) i ...
Botschafter Thomas Greminger spielt bei der Schattendiplomatie Russlands eine Rolle. Bild: keystone

Schweizer Botschafter bei Geheimtreffen mit Putin-Vertrauten und deutschen Politikern

Putin und Schröder riefen einst den «Petersburger Dialog» ins Leben, bevor sie Deutschland in eine verheerende Gasabhängigkeit trieben. Nun sorgt das längst aufgelöste Forum erneut für Schlagzeilen.
09.05.2025, 20:0109.05.2025, 20:01
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Im Luxushotel Four Seasons in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, kam es Mitte April zu einem brisanten Treffen einflussreicher Deutscher und Russen. Mit dabei war eine Schweizer Delegation, wie deutsche Journalisten am Donnerstagabend enthüllten.

Gemäss den Recherchen des ARD-Politikmagazins «Kontraste» und der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» handelt es sich um den langjährigen Schweizer Spitzendiplomaten Thomas Greminger.

Er war früher OSZE-Generalsekretär und leitet heute das vom Schweizer Staat mitfinanzierte Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). In dieser Funktion trägt er einen vom Bundesrat verliehenen Botschaftertitel.

Welche Russen nahmen am Geheimtreffen teil?

Beim nun enthüllten Geheimtreffen in Baku sind laut Berichterstattung hauptsächlich zwei Abgesandte aus dem Umfeld des Kremls «politisch brisant»:

  • Viktor Subkow sei ehemaliger Ministerpräsident Russlands und seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender des Staatskonzerns Gazprom. Er habe für Putin lange Zeit den «Petersburger Dialog» geleitet.
  • Waleri Fadejew sei Chef des russischen «Menschenrechtsrates». Er stehe wegen Verbreitung von Propaganda und Desinformation im Zuge des Angriffs auf die Ukraine auf der EU-Sanktionsliste.

Wiederbelebung eines fragwürdigen Gesprächsforums

Thema der «konspirativen Zusammenkunft» sei die Zukunft des «Petersburger Dialogs» gewesen. Dabei handelt es sich um ein fragwürdiges Gesprächsforum, das Gerhard Schröder und Wladimir Putin 2001 ins Leben gerufen hatten. In der Folge trieben sie Deutschland in eine potenziell verheerende wirtschaftliche Abhängigkeit von russischem Gas.

Angesichts des immer autoritärer gewordenen Russlands sei der «Petersburger Dialog» schon lange zur Farce verkommen, konstatieren nun die Investigativ-Journalisten. Und nach der russischen Invasion 2022 habe die deutsche Seite das Forum offiziell aufgelöst.

Was sagen Berlin und Bundesbern?

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hiess es auf Anfrage, die erwähnten Treffen seien weder im Auftrag der Bundesregierung erfolgt noch geplant worden.

Vergleichbar defensiv tönt es aus der Schweiz: Greminger sei in seiner Funktion als GCSP-Direktor seit 2021 unabhängig vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), erklärt ein Sprecher des Aussenministeriums gegenüber watson. «Das EDA kommentiert seine Tätigkeiten deshalb nicht.»

Wo ist das Problem?

Das kommt auf die Perspektive an.

Fadejew sei «eine Galionsfigur des imperialistischen Putin-Regimes», hält die deutsche Politologin Sabine Fischer fest. Sich mit ihm und mit weiteren Kreml-Vertretern konspirativ zu treffen, untergrabe die harte Sanktionspolitik gegenüber Russland.

«Man sendet das Signal, dass es auf der deutschen Seite trotz des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin Akteure gibt, die das Verhältnis zu Russland normalisieren wollen.»
Die deutsche Politologin Sabine Fischer ist Russland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Was solche Treffen so problematisch mache, sei, dass sie «vor allem Russlands Propaganda dienen», zitiert die «Zeit» den Osteuropaexperten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stefan Meister.

Die deutsche Sicherheitspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) kritisiert auch einen anderen Aspekt, der direkt die Sicherheit ihres Landes betrifft:

«Dass Ralf Stegner, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, an einem inoffiziellen Treffen mit kremlnahen Persönlichkeiten eines offiziell eingestellten Schröder-Putin-Gremiums in Baku teilgenommen hat, ist völlig inakzeptabel.»
quelle: bsky.app

Es sei davon auszugehen, dass der russische Geheimdienst FSB solche Treffen ebenfalls begleitet.

Gerade in einer Zeit, in der Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führe und die Demokratie unter Druck stehe, sei es ein fatales Signal. Es sei entweder naiv oder verantwortungslos, wenn ein Politiker, der für die Aufsicht der deutschen Nachrichtendienste zuständig ist, sich auf solche Gespräche einlasse – noch dazu unter dem Deckmantel der «Privatheit».

Wer behauptet, er reise privat auf eigene Kosten und außerhalb jeden Mandats in ein Luxushotel nach Baku, um dort Kremlvertreter zu treffen, sagt entweder die Unwahrheit oder aber wirft die drängende Frage auf, ob er Geheimnisträger sein sollte.

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— Patrick Heinemann (@patrickheinemann.bsky.social) 9. Mai 2025 um 09:32

Was hat es mit der Schattendiplomatie auf sich?

Thomas Greminger war von 2017 bis 2020 Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und hat seit Beginn des Krieges mindestens zehn Treffen zwischen russischen und ukrainischen Gesprächspartnern ausgerichtet.

Der Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik sei wiederholt in die Kritik geraten, weil er den Dialog mit Russland pflege, hielt die NZZ in einem Anfang Mai publizierten Interview mit Greminger fest. Der Schweizer Botschafter war davor auf Einladung einer Kreml-nahen russischen Stiftung nach Moskau geflogen.

Auf Anfrage der deutschen Journalisten wollte sich Greminger nun nicht zum Treffen in Baku äussern. Eine Anfrage von watson ist noch unbeantwortet.

Im NZZ-Interview hatte er zuvor gesagt:

«Es ist richtig, dass der Bundesrat den Direktoren der Genfer Zentren den Botschaftertitel verleiht. Ich trete jedoch ganz bewusst als Vertreter einer unabhängigen Stiftung und nicht der offiziellen Schweiz auf. Das eröffnet Spielräume, die die offizielle Schweiz nicht hat, die aber im Interesse unseres Landes sind.»

Das Zentrum für Sicherheitspolitik betreibe unterhalb der Regierungsebene «informelle Dialog-Plattformen zu sicherheitspolitisch relevanten Fragen». Etwa zur strategischen Stabilität zwischen den USA und Russland oder der künftigen europäischen Sicherheitsordnung.

Solche Gespräche seien Teil der «Track-II-Diplomatie» und würden nicht von offiziellen Regierungsvertretern geführt. Der Vorteil gegenüber der offiziellen Diplomatie bestehe darin, dass sich die Teilnehmer zu heiklen Themen freier und unabhängiger äussern könnten.

Weitere Teilnehmer in Baku waren:

  • Ronald Pofalla (CDU), ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts und Leiter des «Petersburger Dialogs»;
  • Matthias Platzeck, ehemals brandenburgischer Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender sowie Vorstand des «Petersburger Dialogs»;
  • Stephan Holthoff-Pförtner, CDU-Europaminister unter Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen, sowie
  • Martin Hoffmann, langjähriger Geschäftsführer des «Petersburger Dialogs» und Russland-Lobbyist.

Auch sie liessen laut Bericht verlauten, das Treffen habe «privaten Charakter» und sei weder im Auftrag noch mit Finanzierung öffentlicher Institutionen erfolgt.

Im Oktober 2024 hatten «Zeit» und «Kontraste» über zwei frühere Treffen in Baku 2024 berichtet. Funktionäre des Putin-Regimes können in Aserbaidschan auch dann einreisen, wenn sie auf der EU-Sanktionsliste stehen.

Schon bei der damaligen Berichterstattung wurde der Osteuropa-Experte Stefan Meister dahingehend zitiert, dass die Teilnehmer aus Westeuropa für Putin vor allem als nützliche Idioten dienen könnten:

«In Moskau interpretiert man das nicht als ›Die kommen, um Kanäle für Friedensverhandlungen zu öffnen‹, sondern als ‹Die kommen und geben uns die Möglichkeit, Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen, damit wir diesen Krieg gewinnen.›»
quelle: zeit.de

Quellen

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