Mit dem Hubretter gelangte die Pariser Feuerwehr nur bis zur Dachkante der Notre-Dame. Bild: AP/Paris Fire Brigade
Die Feuerkatastrophe in der Notre-Dame erschüttert Schweizer Feuerwehrleute. Der stv. Kommandant der Zürcher Berufsfeuerwehr erklärt im Interview, warum die Einsatzkräfte das Feuer nicht schnell genug in den Griff kriegten. Und was er von Trumps Lösch-Ideen hält.
Feuerwehrleuten weltweit blutete das Herz, als sie gestern Abend die Bilder der brennenden Notre-Dame sahen. Auch Jan Bauke, stv. Kommandant der Berufsfeuerwehr von Schutz & Rettung Zürich, traute seinen Augen kaum.
Herr Bauke, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Brand in der Notre-Dame hörten?
Jan Bauke: Als ich die Bilder auf meinem Handy sah, überkam mich eine grosse Ohnmacht. Mir ist es kalt den Rücken hinunter gelaufen. Man kann es nicht anders sagen: Alle Brände, die wir in der Schweiz bislang erlebt haben, sind nichts im Vergleich zum Inferno in der Notre-Dame. Zumal der emotionale Effekt auch auf die Feuerwehrleute gewaltig sein muss. Innert kürzester Zeit ist ein Stück Weltgeschichte vor ihren eigenen Augen verbrannt. Wir würden auch leer schlucken, wenn das Grossmünster in Flammen aufgehen würde.
Jan Bauke, stv. Kommandant der Zürcher Feuerwehr.
Die Pariser Feuerwehr hatte mit dem Ausmass der Feuerkatastrophe schwer zu kämpfen. Täuscht dieser Eindruck?
Bei diesen Branddimensionen ist man in einigen Punkten rasch hilflos. Nicht nur in Paris. Mit ihren Drehleitern beispielsweise kamen die Einsatzkräfte nicht nahe genug an die Flammen, sondern nur bis zur Dachkante. Alle Brände, die sich über einer Höhe von 30 Metern ereignen, sind extrem schwierig zu bekämpfen. Das Problem ist, dass die Notre-Dame viel höher ist und zudem in der engen Altstadt steht. Dort ist es alles andere als einfach, mit den Fahrzeugen hinzukommen. Dies gilt insbesondere für alte Kirchen, die über keine Brandschutzanlagen wie moderne Hochhäuser verfügen. Selbst wenn man vor Ort ist, muss man jederzeit damit rechnen, dass brennende Trümmer hinunterstürzen. Das ist auch passiert. Es ist ein absolutes Worst-Case-Szenario für die Löschmannschaften.
400 Feuerwehrleute kämpften gegen die Flammen. Bild: EPA/BSPP
US-Präsident Donald Trump forderte den Einsatz von Löschflugzeugen, was absurd scheint. Aber warum forderte die Pariser Feuerwehr keine Löschhelikopter an?
Ich kenne die Details des Einsatzes nicht. Aber sie finden keinen seriösen Heli-Piloten, der mit seiner Maschine in diese Rauchwolke fliegt. Durch das Feuer und die Wärme entsteht eine unberechenbare Thermik, das ist viel zu gefährlich. «Wasserbomber», wie sie Trump forderte, sind völlig ungeeignet. Das Wasser kann ein Gebäude massiv beschädigen oder gar zum Einsturz bringen. Mit solchen Flugzeugen bekämpft man Flächenbrände, kein Inferno im Herzen einer Grossstadt.
Die Einsatzkräfte retteten zahlreiche Kunstschätze aus der Notre-Dame. 2007 holten Zürcher Feuerwehrleute ebenfalls Gemälde aus dem brennenden Zunfthaus. Wie viel Risiko gehen Feuerwehrleute ein?
Feuerwehrleute sind keine todesmutigen Helden, wie dies oft gesagt wird. Denn es nützt niemandem etwas, wenn wir Kopf und Kragen riskieren und dabei Tote oder Verletzte in Kauf nehmen. Bei jedem Einsatz schauen wir zuerst, ob die Situation für unsere Leute sicher ist. Erst dann gehen wir rein. Das ist unsere oberste Maxime.
Beim Brand im Zunfthaus starb ein Feuerwehrmann.
Es konnte damals niemand ahnen, dass plötzlich der Dachstock einstürzt. Ein tragischer Unfall, der noch heute schmerzt.
2007 ging das Zürcher Zunfthaus in Flammen auf. Bild: KEYSTONE
Kann man die Bekämpfung eines Feuers in historischen Gebäuden überhaupt üben?
Nach dem Brand im Zunfthaus gingen wir über die Bücher. Aber so ein Inferno wie in der Notre-Dame kann man nicht trainieren.
Es dauerte offenbar 45 Minuten, bis die Einsatzkräfte mit den Löscharbeiten starten konnten. Wie ist das erklärbar?
Wie gesagt, ich kenne die Details nicht. Entscheidend ist, wer den Brand entdeckt und wie die Alarmierung dann abläuft. Wir haben in Zürich die Vorgabe, innert maximal zehn Minuten vor Ort zu sein. In vielen Fällen sind wir früher da. Manchmal reicht es aber einfach nicht. So stand im August 2018 beim Zürcher Bahnhofplatz das Gebäude bereits in Vollbrand, als wir nach wenigen Minuten vor Ort eintrafen.