Im Aussendepartement (EDA) brütet man derzeit über der Frage, was der Bundesrat der EU nach dem Ende des Rahmenabkommens als Alternative anbieten kann. Maros Sefcovic, der Vizepräsident der EU-Kommission, fordert von Aussenminister Ignazio Cassis bis zu ihrem Treffen am Weltwirtschaftsforum in Davos bekanntlich einen «Fahrplan», wie die Schweiz die institutionellen Fragen angehen will. Ansonsten, das hat die EU klargemacht, wird sie die bestehenden bilateralen Verträge nicht mehr aktualisieren.
Jetzt zeigt sich, wohin die Reise gehen dürfte: Die Fragen der Übernahme von EU-Recht und der Streitbeilegung sollen nicht in einem übergeordneten Rahmenvertrag, sondern separat in jedem bilateralen Abkommen angegangen werden.
Das hätte erstens den Vorteil, dass die sogenannte «Guillotine-Klausel» entfallen würde, wonach die EU bei einem Regelverstoss in einem Abkommen gleich sämtliche bilateralen Verträge kündigen kann. Zweitens könnte sich die Schweiz dadurch erhoffen, massgeschneiderte Ausnahmen in einzelnen Abkommen zu verhandeln.
Der Gesamtbundesrat soll sich laut «NZZ am Sonntag» in seiner Sitzung am Freitag grundsätzlich hinter diese Linie gestellt haben. Damit hätte Cassis etwas in der Hand, das er dem EU-Vizepräsidenten bei seinem Treffen Mitte Januar auf den Tisch legen kann.
Einer, der sich schon etwas weitergehende Gedanken gemacht hat, ist FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Er hat sein Modell, das ebenso eine «vertikale Dynamisierung» der einzelnen Abkommen vorsieht, dem EDA bereits vorgelegt. Noch vor dem Treffen in Davos wird Bundesrat Ignazio Cassis dazu in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats Stellung nehmen.
Portmann will neben der Dynamisierung der einzelnen Verträge in einem sogenannten «Modellvertrag» festhalten, wie die Übernahme von EU-Recht und die Streitschlichtung grundsätzlich ablaufen. Er sagt: «Der Modellvertrag bildet keinen übergeordneten Rahmen, sondern steht gleichwertig neben den anderen Verträgen.»
Portmann ist überzeugt, dass die EU seinen Vorschlag, der mit dem FDP-Präsidium abgesprochen sei, nicht rundheraus ablehnen werde. Portmann: «Es ist ein Kompromiss für beide Seiten.»
Das Problem: In der Vergangenheit hat die EU ähnliche Ansätze bereits verworfen. Schon Anfang der 2010er-Jahre versuchte die damalige Energieministerin Doris Leuthard die Lösung der institutionellen Fragen in einem Stromabkommen exemplarisch einzuarbeiten, das dann als Blaupause für alle anderen Abkommen dienen würde.
Auf Anfrage von CH Media sagt ein Sprecher der EU-Kommission: «Das Ziel eines übergeordneten Rahmenabkommens ist es, die breite und tiefe Beteiligung der Schweiz am Europäischen Binnenmarkt zu steuern.» Das EU-Recht in den einzelnen Abkommen von Fall zu Fall und nach den Interessen der Schweiz zu übernehmen, könne nicht der Weg vorwärts sein. Es brauche gerade bei den Staatsbeihilfen und der Streitschlichtung eine übergreifende, also eine horizontale Lösung.
Die Skepsis seitens der EU hat einen Grund: die Personenfreizügigkeit. Die EU befürchtet, dass die Schweiz bei einer sektoriellen Klärung der strittigen Fragen sich einer Diskussion über Personenfreizügigkeit verweigern werde. Immerhin befinden sich in diesem Bereich die heikelsten Streitfragen wie die Sicherung des Schweizer Lohnschutzes und der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, auf welche die EU drängt.
«Das ist die alte Rosinenpickerei», kommentiert man in EU-Kreisen die Idee aus Bern. Portmann will diesem Vorwurf begegnen, indem der Modellvertrag einen verbindlichen Zeitplan festlegen würde. «Für mich kann man die Freizügigkeit gleich zu Beginn angehen, zum Beispiel zusammen mit einem Stromabkommen», schlägt Portmann vor.
Wozu die EU bereit wäre und was nicht, ist schwierig abzuschätzen, solange kein konkreter Vorschlag des Bundesrats auf dem Tisch liegt. Ein EU-Diplomat formuliert es so: «Selbst für den Fall, dass wir uns auf so etwas einlassen würden: Das Erste, worüber wir reden werden, ist die Personenfreizügigkeit.»